Florian Mayer verpasste durch ein 6:7, 6:7 gegen Nicolas Almagro denkbar knapp den Einzug ins Halbfinale am Hamburger Rothenbaum.
Hamburg. Am Tag, als der Herbst nach Hamburg kam, wurde es auf dem Centre-Court am Rothenbaum um 19.40 Uhr richtig hitzig. Der Spanier Nicolas Almagro hatte in seinem Viertelfinalduell mit dem letzten verbliebenen Deutschen, Florian Mayer aus Bayreuth, beim Stand von 5:3 im Tiebreak des zweiten Satzes einen Vorhandball seines Gegners im Aus gesehen und dies moniert. Als Schiedsrichter Ahmed Abdel-Azim (Ägypten) den Abdruck kontrollieren wollte, zeigte Almagro einen falschen und zog sich den Unmut der 3500 Zuschauer zu. Als der 25-Jährige wenig später den ersten Matchball zum 7:6 (7:5), 7:6 (7:3)-Erfolg nutzte, wurde er gnadenlos ausgebuht.
Schon zuvor hatte er mit Gesten und Worten in Richtung der Besucher für Unmut gesorgt. Mayer, 27, kommentierte dies später erstaunlich offensiv: "Solch ein Verhalten gehört nicht auf den Tennisplatz. Ich würde mich schämen, wenn ich mich so aufführen würde." Tatsächlich gehören Emotionen zum Spiel des Weltranglisten-14. wie nasskaltes Wetter zum Rothenbaum. In den entscheidenden Phasen war Almagro der konzentriertere Spieler, Mayer haderte deshalb auch zu Recht damit, "dass ich in den Tiebreaks zu viele Chancen verpasst habe". Dass es keine Schande ist, gegen Almagro, der in Hamburg erstmals im Halbfinale steht, auszuscheiden, zeigt ein Blick auf dessen Jahresbilanz.
Drei Sandplatzturniere hat er 2011 bereits gewonnen. Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen, 45, sieht ihn deshalb auch als leichten Favoriten auf den Triumph im Endspiel am Sonntag (14 Uhr) an. "Er spielt unglaublich druckvoll von der Grundlinie. Er liebt es, das Spiel zu diktieren, und wenn man das zulässt, dann ist er sehr stark. Aufgrund seiner aktuellen Form hat er für mich im Vergleich zum Rest die Nase leicht vorn."
Almagros Gegner im zweiten Halbfinale am heutigen Sonnabend ist sein Landsmann Fernando Verdasco. Der 27-Jährige, Nummer 22 der Welt, besiegte am späten Freitagabend den österreichischen Vorjahresfinalisten Jürgen Melzer mit 6:3, 2:6 und 6:4. Vier Duelle hat er sich bislang mit Almagro geliefert, drei davon gewonnen. Kühnen: "Fernando ist einer der besten Spanier auf Sand, er agiert hauptsächlich von der Grundlinie, hat einen tollen Aufschlag und eine starke Vorhand." Das Publikum dürfte Verdasco in jedem Fall auf seiner Seite haben.
Zuvor stehen sich um 13 Uhr der Russe Michail Juschni und der Franzose Gilles Simon gegenüber. Juschni, an Position 17 der Weltrangliste geführt, hatte am Nachmittag bei seinem 4:6, 6:3, 7:6 (8:6)-Sieg über den Kroaten Marin Cilic im mit 181 Minuten längsten Match des Turniers für das erste Drama gesorgt. 4:1 lag der 29-Jährige im Tiebreak des Entscheidungssatzes in Führung, doch Cilic wollte sich nicht geschlagen geben. Fünf Punkte in Serie später sah sich Juschni zwei Matchbällen gegen sich ausgesetzt, doch dank seines Willens kämpfte er sich zurück und ging 7:6 in Führung. Seinen ersten Matchball nutzte er mit einem doppelten Netzroller, den zweiten konnte Cilic nicht mehr erlaufen. Während der Kroate in die Knie ging und die Hände vors Gesicht schlug, küsste der Russe dankbar die Netzkante, bevor er sich auf die ihm seit den US Open 2004 eigene Weise beim Publikum bedankte: Mit der linken Hand legte er sich den Schläger auf den Kopf, mit der Rechten salutierte er militärisch.
"Im Tiebreak kommt es immer auch auf Glück an, aber heute war sehr viel Glück im Spiel", gab Juschni, der bei seiner neunten Teilnahme in Hamburg erstmals im Halbfinale steht, zu, "ich muss besser aufschlagen und besser spielen, wenn ich hier das Finale erreichen will." Neben seinem Aufschlag und den dynamischen Grundschlägen ist besonders sein enormes Ballgefühl Juschnis beste Waffe. "Er spielt sehr versiert, die schnelle Rückhand longline ist sein Paradeschlag. Er bewegt sich sehr gut und versteht es, plötzlich das Tempo zu verschärfen und den Gegner zu überraschen", sagt Kühnen.
Simon, auf Position 18 trotzdem nur der viertbeste Franzose der Welt, setzte sich in 123 Minuten gegen seinen Freund und Daviscupkollegen Gael Monfils mit 6:4, 3:6 und 6:0 durch. Der 26-Jährige zeigte sich in den teilweise extrem langen Ballwechseln sehr geduldig, verlor nie die Konzentration und machte von der Grundlinie weniger Fehler als sein topgesetzter Landsmann, dessen permanent eingestreute Stopps besonders im letzten Durchgang uninspiriert wirkten. "Im dritten Satz habe ich endlich mutig gespielt und viele direkte Punkte gemacht. Das war der Schlüssel zum Sieg", sagte Simon.
In Hamburg war bislang ein Achtelfinaleinzug im Jahr 2006 sein bestes Resultat. Kühnen sieht den Franzosen deshalb nicht nur aufgrund seiner 1:7-Bilanz gegen Juschni als leichten Außenseiter. "Er ist ein aber guter Konterspieler mit guter Spielübersicht, bewahrt immer die Ruhe und spielt diszipliniert. Wenn man ihn nicht ständig beschäftigt, macht er kaum Fehler."