Teil zwei der Abendblatt-Serie zum Klitschko-Kampf: Sportreporter Scherzer über die Duelle zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier.
Hamburg. Dieser "Jahrhundertkampf" gilt als das wahrhaft gigantischste Spektakel in der Historie des Boxens: Der "Fight of the Champions" mit dem Punktsieg Joe Fraziers über Muhammad Ali nach 15 dramatischen Runden. "Es sind heute Abend alle da", verkündete der Ringsprecher. Hollywood war nach New York gekommen. Burt Lancaster versuchte sich im Madison Square Garden sogar als TV-Kommentator, Frank Sinatra als Fotograf. "Ich begrüße daher lediglich die 'Apollo 14'-Astronauten." Alan Shepard, Stuart Roosa und Edgar Mitchell waren vier Wochen zuvor vom Mond zurückgekehrt. Ali gegen Frazier wurde am 8. März 1971 zur Mondlandung des Boxens.
"I want Fraizaaah!" Der Ruf des aus dem Exil zurückgekehrten Ali weckte auch bei mir die Begeisterung, unbedingt dabei zu sein. Über meinen damaligen Arbeitgeber United Press International wurde die Akkreditierung ermöglicht. John Condon, der Pressechef des Garden, händigte mir eine kleine, orange Abrisskarte mit der Aufschrift "Working Press, Sec. 122, Row D, Seat 5" aus. Dazu als Souvenir einen rechteckigen Aschenbecher mit dem Plakatmotiv, ein Programmheft, eine Pressemappe - und eine blau-rote Baseballkappe mit der gestickten Aufschrift: Frazier-Ali, zwei Boxhandschuhe, MSG 1971, World Heavyweight Championship. "Die Mütze musst du immer tragen, damit du dich am Ring frei bewegen kannst", gebot Condon.
Ali kämpfte Fraziers Kampf, als wollte der Ringästhet aller Welt beweisen, sich mit der Kampfmaschine auch prügeln zu können. Die 15. Runde: Einer von Fraziers gefürchteten linken Haken trifft Alis Kinnwinkel mit voller Wucht. Der "Größte" rücklings auf dem Boden, die Beine in der Luft! Bei "drei" steht er wieder. Mit Verdacht auf Kieferbruch wird Ali später ins Krankenhaus gefahren. Was war schiefgelaufen? Norman Mailer legte mir die Hand auf die Schulter: "Son, his legs are gone." Die Beweglichkeit seiner Beine ist weg.
Eine improvisierte Pressekonferenz war Ali seinem - nun gestopften - Großmaul schuldig. Zwölf Stunden nach der Punktniederlage empfing er in seiner Suite im 25. Stock des Hotels New Yorker ein Dutzend kurzfristig informierter Reporter. Die Bekanntschaft mit Trainer Angelo Dundee seit Alis Kampf gegen Karl Mildenberger 1966 in Frankfurt hatte mir Zugang verschafft. Ali lag im Bett, mit nacktem Oberkörper, zugedeckt mit einer grünen Wolldecke. Seine rechte Wange war stark geschwollen. Ali sprach leise: "Ich bin der Ansicht, den Kampf gewonnen zu haben." Der Niederschlag fehlte in seinem Kampffilm. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich gefallen bin. Also muss er mich voll getroffen haben."
Ali, 29, kündigte sein Comeback an. Und wie großartig sollte "Amerikas größtes Ego" (Mailer) zurückkehren. Nach der gelungenen Revanche über den von George Foreman entthronten Frazier 1974 folgte die epische, siegreiche Schlacht "Thrilla in Manila" 1975 gegen Frazier. "Es war wie der Tod", murmelte in seiner Kabine danach ein ausgezehrter Ali. Noch im Ring hatte er einen Kollaps erlitten. "Es war wie das, was dem Sterben am nächsten kommt".