Seine teils geschmacklosen Sprüche und Provokationen gegen andere Boxer wie die Klitschko-Brüder haben David Haye berühmt und reich gemacht. Privat ist der Brite ein recht angenehmer Zeitgenosse, der gerne grünen Gemüsesaft trinkt. Die Rolle des Box-Bösewichts spielt Haye vor allem aus Marketinggründen.
Hamburg. Wie ein kleiner Junge steht David Haye neben dem Ring und schaut schüchtern immer wieder nach links und rechts. Kurz vor dem öffentlichen Training vor dem Mega-Fight gegen Wladimir Klitschko am Sonnabend (22.45 Uhr/RTL) in Hamburg zeigte sich der Weltmeister mal von einer anderen Seite. Sobald die Kameras und Scheinwerfer jedoch auf ihn gerichtet sind, wirkt Haye wie verwandelt. Dann jagt ein verbaler Tiefschlag den nächsten, dann inszeniert sich der 30-Jährige als Box-Bösewicht, als Fiesling und als Großmaul mit einem selbst für Briten grenzwertigen Humor.
Nach seiner aktiven Karriere will Haye Action-Held in Hollywood werden, die Rolle des Bösewichts spielt er schon jetzt perfekt. Die ständigen Verbalattacken gegen die Klitschko-Brüder und andere Boxer spiegeln nicht Hayes wirkliche Meinung wider, sie sollen nur möglichst viel Aufmerksamkeit erregen.
„Ich überlege mir, wie ich aus einem Kampf ein Drama machen, wie ich Schlagzeilen produzieren kann. Die Leute sollen denken: Wer ist dieser Kerl? Und dann gucken sie sich den Kampf an, weil sie wissen wollen, ob ich was kann. Oder weil sie hoffen, dass ich verprügelt werde“, verriet Haye kürzlich im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel.
Provozieren um jeden Preis - mit dieser Strategie hat es der Linksausleger aus London geschafft, seit seinem Wechsel vom Cruiser- ins Schwergewicht vor zwei Jahren von einem talentierten Boxer zu einem millionenschweren Star aufzusteigen. „Ich respektiere ihn als Boxer, aber nicht als Person“, sagt Wladimir Klitschko über seinen Erzfeind. Doch selbst der Ukrainer ahnt: „Er ist nicht so böse, wie er immer tut.“
Privat soll der 1,91 m große Modellathlet ein recht angenehmer Zeitgenosse sein. Entgegenkommend, freundlich, intelligent. In seinem Hochglanzmagazin „Hayemaker“ überzeugt der frühere WM-Zweite im Amateurboxen als Interviewer mit Sportgrößen wie Usain Bolt.
Haye weiß, dass er im Ring nicht mit dem Mundwerk punkten kann. Der frühere Cruisergewicht-Champion trainiert in seinem Gym in Lameth im Südosten Londons wie ein Besessener, vor allem an seinen Stärken Schnelligkeit und Explosivität. In den Pausen trinkt er am liebsten grünen Gemüsesaft. Der Körper ist sein Kapital, das Mundwerk nur sein Makler.
Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich der Mann mit Rasta-Zöpfen, der sich durch einen überzeugenden Sieg gegen den 22 Zentimeter größeren und rund 50 Kilo schwereren Russen Nikolai Walujew Schwergewichts-Weltmeister wurde, nicht beklagen. Ob ein geschmackloses Handy-Spiel, Beleidigungen („Klitschko ist ein beschissener Esel“) oder verweigerte Handschläge - die Schlagzeilen gehören Haye.
Vor allem aber die skandalöse Aktion im April 2009, als er die Sportwelt mit einem T-Shirt schockte, auf dem er die abgetrennten Köpfe der Klitschko-Brüder in Händen hielt, hatte eine enorme Wirkung: Auf einmal wollten alle einen Kampf Haye gegen Klitschko - egal gegen welchen.
Bei den langwierigen Verhandlungen bewies der „Hayemaker“ auch kaufmännisches Talent. Zweimal sagte er einen geplanten Kampf gegen die Ukrainer ab und schraubte damit seinen Marktwert noch höher. Mit Erfolg: Die Klitschkos wollten Haye mit allen Mitteln vor die Fäuste bekommen und kamen dem Briten beim Geld entgegen. Die Kampfbörse des etwa 25 Millionen Euro schweren Titelvereinigungskampfes in Hamburg werden geteilt, obwohl Haye (WBA) nur einen, Klitschko aber zwei Gürtel (IBF und WBO) zur Disposition stellt.
Trotz seiner Eskapaden gibt es in der Boxszene auch viele Haye-Fans. Der ehemalige Weltmeister Lennox Lewis etwa glaubt, Haye könne zu einem „Muhammad Ali seiner Ära“ werden: „Er hat das Großspurige, und er hat dem Boxen ein frisches Gesicht verpasst.“