Tausende Fans sorgten für stockende Rolltreppen und gesperrte Stockwerke. An einen geregelten Geschäftsbetrieb war zeitweilig nicht zu denken.
Hamburg. Es war der letzte öffentliche Auftritt vor dem großen Boxkampf am Sonnabend (22.45 Uhr) zwischen den Weltmeistern Wladimir Klitschko und David Haye in der Arena im Volkspark: Das offizielle Wiegen im Kaufhaus Karstadt Sport in der Hamburger Innenstadt fand unter chaotischen Umständen statt. Tausende Fans sorgten für stockende Rolltreppen und gesperrte Stockwerke. An einen geregelten Geschäftsbetrieb war zeitweilig nicht zu denken. Auf dem Höhepunkt des Spektakels, bei dem vor allem die zahlenmäßig überlegenen Anhänger Hayes immer wieder mit lautem Gegröle auf sich aufmerksam machten, hatte Klitschko mit 110 Kilo Gewicht gegenüber den 96,5 Kilo des ehemaligen Cruisergewichtlers Haye Vorteile.
Der Worte sind genug gewechselt – monatelang heizten Haye und Klitschko mit wechselseitigen Provokationen das Interesse für ihren WM-Kampf im Schwergewicht an. Besonders der Brite ließ keine Geschmacklosigkeit aus. Am Sonnabend müssen die beiden den verbalen Tiefschlägen saubere boxerische Aktionen im Ring folgen lassen. 45.000 Zuschauer im Stadion und Millionen an den Fernsehgeräten werden den Kampf verfolgen.
Das Duell zwischen dem IBF- und WBO-Champion aus der Ukraine und dem britischen WBA-Titelträger ist der bedeutendste WM-Kampf im Schwergewicht seit Lennox Lewis vor neun Jahren seinen Titel in einer blutigen Ringschlacht gegen Klitschkos älteren Bruder Vitali verteidigte. Für Wladimirs Trainer Emmanuel Steward ist es sogar der „beste Kampf seit Mike Tyson gegen Lewis“. Der fand 2002 statt.
Der sportliche Wert des Kampfes spricht durch die Titelvereinigung schon für sich, dennoch gingen die gegenseitigen Beleidigungen weit über das sonst übliche Ballyhoo deutlich hinaus. Schon vor zwei Jahren ließ sich Haye mit einem T-Shirt ablichten, auf denen die abgeschlagenen Köpfe der Klitschko-Brüder zu sehen waren.
„Ich werde Wladimir ins Krankenhaus schicken, seine Karriere beenden“, kündigte Haye nun unter anderem an, „er wird auf seinen Händen und Knien auf dem Boden kriechen.“ Klitschko schien von den Provokationen genervt zu sein: „Haye ist arrogant und eingebildet“, sagte er. „Ich werde ihn bestrafen.“
Rund 500 Millionen TV-Zuschauer in 150 Ländern werden den Kampf sehen. Knapp 15 Pfund (22 Euro) müssen die Fans auf der Insel für die Pay-TV-Übertragung zahlen. Bei RTL ist der Kampf gratis, der deutsche Zuschauer muss dafür die Werbeunterbrechungen erdulden. 13,45 Millionen Zuschauer beim Kampf von Vitali Klitschko gegen Shannon Briggs im Oktober 2010 war die bisherige Box-Bestmarke für den Kölner Sender, der insgeheim von einer Steigerung ausgeht. „Wir erwarten sehr viele Zuschauer“, sagt Sprecher Matthias Bolhöfer.
Auf einen prominenten Showact mit Gesang und Hoppsassa wird diesmal verzichtet, das Boxen soll im Mittelpunkt stehen, schließlich soll an legendäre Ringschlachten angeknüpft werden. Beim Einmarsch spielen die legendären Boxweltmeister George Foreman und Lewis eine prominente Rolle, Tyson wird per Videobotschaft zugeschaltet.
„Haye muss Klitschko K.o. schlagen, nach Punkten kann er in Deutschland gegen Klitschko nicht gewinnen“, meint Lewis, der als TV-Experte arbeitet, „wenn Haye es schafft, seine Schnelligkeit zu nutzen und Kombinationen zu landen, hat er eine Chance.“ Tyson sieht das anders: „Wladimir hat zu viel Power für Haye.“
Die Spannung in der Hansestadt ist spürbar. Bereits am Donnerstag trieben sich die ersten angeheiterten englischen Fans in der Innenstadt herum. Insgesamt 15.000 werden von der Insel erwartet. Abkühlung aber werden alle Hitzköpfe im und am Ring wohl auch von oben erfahren: Bis zu 95 Prozent Regenwahrscheinlichkeit sind für den Kampfbeginn prognostiziert.