Italien verliert gegen die Slowakei und streicht die Segel. Auch Neuseeland muss nach Hause. Paraguay holt den Gruppensieg.
Johannesburg. Als das größte WM-Desaster in Italiens Fußball-Geschichte perfekt war, verschwand Trainer Marcello Lippi mit hängendem Kopf direkt in die Kabine, die Spieler versanken förmlich in einem Meer von Tränen: Die Squadra Azzura schied bei der WM in Südafrika nach einem blamablen 2:3 (0:1) gegen die Slowakei als dritter Titelverteidiger nach Brasilien 1966 und Frankreich 2002 bereits in der Gruppenphase aus und wurde damit nach Frankreich zur nächsten Lachnummer.
„Ich übernehme die volle Verantwortung. Offensichtlich habe ich die Mannschaft nicht gut genug trainiert“, sagte Lippi nach seinem letzten Spiel als Trainer der Italiener: „Wir müssen nach Hause fahren. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Das ist sehr traurig, sehr bitter. Aber wir müssen das vorzeitige Aus jetzt akzeptieren.“
Der viermalige Champion blieb bei der 17. WM-Teilnahme erstmals ohne Sieg und schied auch noch als Tabellenletzter der Gruppe F aus. Auf Lippi-Nachfolger Cesare Prandelli wartet mit Blick auf die EURO 2012 in Polen und der Ukraine nun reichlich Aufbauarbeit. Verzichten muss der neue Nationaltrainer dabei auf Kapitän Fabio Cannavaro und Gennaro Gattuso, die bereits vor dem WM-Aus ihren Rücktritt angekündigt hatten.
Die willensstarken Slowaken erreichten als WM-Debütant nach großem Kampf erstmals das Achtelfinale. „Nach der Geburt meines Sohnes ist das der beste Tag in meinem Leben. Das ist so unglaublich“, sagte Slowakeis Trainer Vladimir Weiss. Der Ex-Nürnberger und Matchwinner Robert Vittek erklärte: „Das ist unfassbar für die Slowakei. Wir hatten unseren Rückflug von der WM eigentlich für Samstag gebucht. Jetzt müssen wir umbuchen.“
Ankaragücü-Angreifer Vittek brachte die Osteuropäer vor 53.412 Zuschauern im Ellis Park in Johannesburg mit einem Doppelpack (25. /73.) auf die Siegerstraße. Kamil Kopunek (89.) hatte acht Minuten nach dem zwischenzeitlichen 1:2-Anschlusstreffer durch Antonio Di Natale das 3:1 erzielt. Der zweite Treffer der Italiener durch Fabio Quagliarella (90.+2) sorgte zwar noch einmal für Spannung, zum Ausgleich reichte es für die Azzurri am Ende aber nicht mehr.
Italiens Quagliarella heulte anschließend wie ein Schlosshund und musste von Cannavaro getröstet werden. In der hektischen Schlussphase einer hektischen Partie hatten die Nerven bei beiden Teams zuvor bereits blank gelegen. Nach dem Anschlusstreffer durch Di Natale in der 81. Minute bekam Quagliarella beim Versuch den Ball aus dem Netz zu holen, die Faust von Slowakeis Keeper Jan Mucha ins Gesicht, der englische Referee Howard Webb zeigte jedoch nur Gelb. „Unglücksrabe“ Quagliarella traf zudem in der 85. Minute zum vermeintlichen 2:2, Webb versagte dem Tor aber wegen Abseits zu Recht die Anerkennung.
Das Team des scheidenden Lippi wachte erst nach dem 0:2 durch Vittek richtig auf. Zuvor hatten die Italiener nur fünf starke Minuten, ehe das Unheil bereits frühzeitig seinen Lauf nahm. Der in die Startelf gerückte Di Natale (1.) und Vincenzo Iaquinta (4.) vergaben in einer munteren Anfangsphase die ersten Chancen für Italien. Anschließend agierte der Titelverteidiger aber 75 Minuten lang genauso schlecht wie beim peinlichen 1:1 gegen Neuseeland.
Dagegen wachte die Slowakei nach schwacher Anfangsphase schnell auf. Zunächst kam Kapitän Marek Hamsik in der 6. Minute aus zwölf Metern frei zum Schuss, traf den Ball aber nicht richtig. Dann sorgte Vittek mit einem trockenen Schuss für die Führung des WM-Neulings. Italien zeigte sich anschließend geschockt und zeigte zunehmend eklatante Schwächen im Spielaufbau.
Slowakei: 1 Mucha – 2 Pekarik, 3 Skrtel, 16 Durica, 5 Zabavnik – 6 Strba, 19 Kucka – 15 Stoch, 17 Hamsik, 18 Jendrisek – 11 Vittek. Trainer: Weiss
Italien: 12 Marchetti – 19 Zambrotta, 5 Cannavaro, 4 Chiellini, 3 Criscito (ab 46. Maggio) – 8 Gattuso (ab 46. Quagliarella), 6 De Rossi, 22 Montolivo (ab 56. Pirlo) – 7 Pepe, 9 Iaquinta, 10 Di Natale. Trainer: Lippi
Schiedsrichter: Webb (England)
Tore: 1:0 Vittek (25.), 2:0 Vittek (74.), 2:1 di Natale (81.), 3:1 Kopunek (90.), 3:2 Quagliarella (90.+1)
Zuschauer: 45.000 in Johannesburg
Paraguay - Neuseeland 0:0
Sympathien gewonnen, nicht verloren, aber trotzdem ausgeschieden: Außenseiter Neuseeland hat bei der WM in Südafrika ein Fußball-Wunder verpasst. Beim 0:0 gegen Paraguay, das zum vierten Mal das Achtelfinale erreichte, fehlte den „Kiwis“ nur ein Tor zur großen Sensation. Trotz ihrer bemerkenswerten Auftritte und ohne Niederlage scheiterten die Neuseeländer auch bei ihrer zweiten WM-Teilnahme nach 1982 vorzeitig.
Der große Coup war allerdings zum Greifen nah. Die All Whites wären angesichts der Entwicklung im Parallelspiel zwischen der Slowakei und Italien (3:2) mit einem Sieg gegen Paraguay sogar noch als Gruppenerster weitergekommen. Nach den Unentschieden gegen die Slowakei und Italien (jeweils 1:1) reichte das dritte Remis aber nicht für das Achtelfinale. Einem Treffer kamen die „Kiwis“ in Polokwane allerdings kaum einmal nahe.
Paraguay belegte - ebenfalls ungeschlagen - Platz eins in der Gruppe F, erreichte aber nach einem Sieg und zwei Unentschieden zum vierten Mal nach 1982, 1998 und 2002 die K.o.-Runde einer WM-Endrunde. Die Albirroja trifft dort am kommenden Dienstag in Pretoria auf den Zweiten der Gruppe E und damit die Niederlande, Dänemark oder Japan.
Beide Mannschaften begannen sehr zögerlich und kamen nur zu wenigen erfolgversprechenden Chancen. Shane Smeltz, in Göppingen geborener Schütze des 1:0 gegen Italien, schoss weit übers Tor (5. ). Ansonsten waren den Neuseeländern ihre limitierten technischen Möglichkeiten deutlich anzumerken. Die beste Chance ergab sich erst in der 48. Minute, als Simon Elliott aus 20 Metern knapp neben das Tor schoss. In der Schlussphase rutschte Chris Wood nur knapp an einem Schuss von Smeltz vorbei.
Neuseelands Trainer Ricki Herbert vertraute zunächst jener Mannschaft, die das sensationelle 1:1 gegen Italien erkämpft hatte. Torhüter Mark Paston, der die Azzurri mit seinem Glanzparaden fast zur Verzweiflung getrieben hätte, erhielt den Vorzug vor Glen Moss: Die etatmäßige Nummer eins, zuletzt gesperrt, musste auf der Bank Platz nehmen. Paston spielte erneut stark.
Für eine Überraschung sorgte dagegen Paraguays Trainer Gerardo Martino. Er ließ Lucas Barrios von Bundesligist Borussia Dortnund zunächst auf der Bank. Dafür bildete Oscar Cardozo neben Nelson Valdez und Roque Santa Cruz die Offensivreihe. Der ehemalige Münchner Santa Cruz war fast ein Totalausfall. Barrios kam erst in der 67. Minute. Valdez wirkte bis zur seiner Auswechselung (67.) sehr bemüht, verzettelte sich jedoch oft in Einzelaktionen.
Bei Paraguay ging allen von Kapitän Denis Caniza eine gewisse Torgefahr aus. Zwei Volleyschüssen gingen weit daneben (14./17.), ein Schuss aus 18 Metern aber einmal auch nur knapp (19.). Einen weiteren Versuch von Valdez aus 25 Metern hielt Torhüter Paston sicher (25.), er parierte auch gegen Cristian Riveros (62.) und den eingewechselten Edgar Benitez (74.).
+++Die Spiele im Liveticker zum Nachlesen+++
Paraguay: Villar - Caniza, Julio Cesar Caceres, da Silva, Rodriguez - Riveros, Victor Caceres, Vera - Santa Cruz, Cardozo (66. Barrios), Valdez (67. Benitez). - Trainer: Martino
Neuseeland: Paston - Reid, Nelsen, Smith - Bertos, Elliott, Vicelich, Lochhead - Killen (79. Brockie), Fallon (69. Wood), Smeltz. - Trainer: Herbert
Schiedsrichter: Yuichi Nishimura (Japan)
Tore: keine
Zuschauer: 34.850 in Polokwane
Beste Spieler: Caniza, Valdez - Nelsen, Elliott