FC-Geschäftsführer Horstmann verkündete, dass der Norweger im Amt bleibt. Stattdessen soll es jetzt der Mannschaft an den Kragen gehen.
Köln/Augsburg. Alle rechneten mit Stale Solbakkens Entlassung, der 1. FC Köln sprach seinem Trainer aber „das volle Vertrauen der Verantwortlichen“ aus. Trotz desolater Leistungen der FC-Profis beim 1:6 gegen Dortmund und beim 1:2 in Augsburg hält der massiv abstiegsbedrohte Bundesliga-Premierenmeister an seinem Chefcoach fest. Solbakken darf überraschend bleiben, die Spieler sollen in die Pflicht genommen werden.
„Es wird drastische Veränderungen in der Mannschaft und in der Trainingsvorbereitung für das Spiel gegen Bremen geben“, kündigte Hauptgeschäftsführer Claus Horstmann am Sonntag am Geißbockheim an. Und: „Wir sind der festen Überzeugung, dass nicht der Trainer das Problem ist.“ Kaum hatte er die umstrittene Entscheidung erklärt, gab es von den knapp hundert anwesenden Fans Buh-Rufe und Beschimpfungen. Horstmann sprach Klartext nach dem Absacken auf Relegationsplatz 16: „Von der Mannschaft erwarten wir den unbedingten Willen, sich mit aller Kraft und Leidenschaft gegen das weitere Abrutschen in den Keller der Liga zu stemmen. Die Fans und wir alle wollen beim nächsten Heimspiel eine klare Reaktion auf dem Platz sehen. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben.“ Es gebe „keine Alibis für mangelnde Leistungsbereitschaft“, betonte Horstmann nach einem Tag hektischer Betriebsamkeit.
Kein Präsidium, Sportdirektor Volker Finke am 10. März entlassen, Publikumsliebling Lukas Podolski wahrscheinlich auf dem Absprung, ein Team, das sich nicht gegen den fünften Abstieg wehrt – unter diesen misslichen Umständen hatte der 44 Jahre alte Solbakken schon nach dem 1:2 bei Aufsteiger Augsburg festgehalten, dass seine Profis nicht mehr zu hundert Prozent mitziehen. „Ich habe nicht gesehen, dass alle wollen, dass die Mannschaft in der Bundesliga bleiben will.“ Das Debakel beim Neuling nahm er auf seine Kappe. Er habe die Verantwortung für diese Leistung. Sie sei für ihn „nicht akzeptabel“.
Die Bankrotterklärung sportlicher Natur brachte die Fans in Aufruhr und Solbakken in Erklärungsnot. In Augsburg hatten sich Podolski und Co. mit einer Null-Bock-Einstellung eindrucksvoll für den Abstieg beworben, hinterher hatte Horstmann gewütet. „Ich kann das Gelaber der Spieler nicht mehr hören“, polterte der Kölner Boss, „das war ein Totalausfall der gesamten Mannschaft.“ Am Sonntag leitete Solbakken das Auslaufen und die Übungseinheit. Sollte der Verein weiter mit ihm zusammenarbeiten wollen, werde es Konsequenzen geben, teilte Solbakken mit: „Denn so geht es hier nicht weiter.“ Unterdessen machten am Geißbockheim schon die ersten Namen die Runde unter den etwa 200 FC-Fans: Frank Schaefer, Holger Stanislawski, Peter Neururer oder Klaus Toppmöller wurden als Solbakken-Nachfolger gehandelt. Schaefer wurde von einigen Online-Portalen sogar schon als Retter präsentiert.
Horstmann führte Einzelgespräche mit den Spielern und stand in telefonischem Dauerkontakt mit den anderen Verantwortlichen. Kurz nach 14.00 Uhr verließ Solbakken das Gelände im Kölner Grüngürtel, kam aber später wieder zurück, um die Entscheidung entgegenzunehmen. Nach drei Niederlagen in Serie, insgesamt 16 Saisonpleiten und schlimmen 58 Gegentoren steht Solbakken trotz des Rückhalts seiner Chefs unter gewaltigem Druck. „Wir sind nach intensiven Gesprächen und entsprechender Analyse der Überzeugung, dass die sportliche Trendwende mit Stale Solbakken als Trainer möglich ist. Er hat das volle Vertrauen der Verantwortlichen, die vereinbarten Veränderungen auch umzusetzen“, ließ Verwaltungsratschef Werner Wolf wissen.
Busstopp, Handgreiflichkeiten – Chaos total in Köln
Die Not ist groß in Köln. Mit 28 Punkten liegen die Rheinländer auf dem drittletzten Platz. In der Rückrunde gab es nur sieben Punkte aus elf Spielen. „Wir haben nicht gekämpft, wir haben keine Torchancen gehabt, wir haben nicht Fußball gespielt“, sagte der vollkommen bediente Lukas Podolski und fügte hinzu: „Es geht hier um die Existenz des Klubs. Unser Ziel ist der Klassenerhalt. Wir brauchen jetzt erstmal Punkte.“
Podolski galt als ein Befürworter von Solbakken, der sich am Sonntag noch kämpferisch gezeigt hatte. „Ich finde, dass ich der richtige Mann bin. Ich trete nicht zurück, ich will weitermachen.“ Im Gespräch mit Horstmann habe er die Situation in einem offenen Gespräch diskutiert. Man sei in vielen Punkten einig gewesen, in manchen nicht.
Die kollektive Enttäuschung mussten aber vor allem die Spieler spüren, die im bayerischen Schwaben 90 Minuten Arbeitsverweigerung statt Abstiegskampf geleistet hatten. „Ihr seid keine Kerle“, soll Horstmann im Bus zum Flughafen gebrüllt haben, bevor der Mannschaftsbus von 50 Fans gestoppt wurde. 20 Minuten diskutierten die FC-Anhänger unter Beobachtung von 200 Polizisten mit den Spielern, bei der Rückkehr am Geißbockheim soll es sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein: Chaos total in Köln.
Grund für Optimismus im nach wie vor offenen Abstiegskampf gibt es derzeit wenig: Sieben Punkte aus elf Spielen sind das Eine, das mut- und ideenlose Auftreten der Mannschaft das Andere. „Wir haben nicht die Körpersprache, die man im Abstiegskampf braucht. Ich habe keine Tugend als Argument gesehen, um im nächsten Jahr in der ersten Liga zu spielen“, sagte Solbakken. Dass FCA-Trainer Jos Luhukay sein Team tatsächlich als „eine Nummer zu groß für Köln“ bezeichnete, schrieb Bände. Solbakken betonte, „sehr enttäuscht“ zu sein: „Das war nicht akzeptabel. Aber ich trage die Verantwortung dafür.“
13 Trainer wurden im 21. Jahrhundert bereits verschlissen
An der Verantwortung in Köln scheiterten im 21. Jahrhundert bereits 13 Trainer. Solbakken wäre der vierte Coach, der in zwei Spielzeiten verschlissen wurde. „Ich weiß auch nicht, was noch passieren soll“, sagte Torhüter Michael Rensing ratlos. „Der Trainer ist mit Herzblut dabei. Wir waren super eingestimmt. Es war alles abgesprochen.“
Sicherlich waren aber auch mehr als zwei harmlose Torschüsse auf das Augsburger Tor abgemacht. Stattdessen sahen 30.660 Zuschauer nur die eigene Mannschaft spielen, die durch Ja-Choel Koo (19. Minute) und Nando Rafael (45.) per Foulelfmeter verdient die Punkte im Abstiegskampf sammelte. Podolskis Ausgleich vom Elfmeterpunkt (42.) hielt nur rund 120 Sekunden.
Mit Material von dapd und sid