Die Supporters wollen über Anstoß³ aufgeklärt werden - Mitglieder, “einfache Fans“ und Vereinsführung des Hamburger SV sind sich uneinig.
Hamburg. Die Nachricht verbreitete sich wie ein multimediales Lauffeuer. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe sich am Dienstagabend der Antrag auf eine außerordentliche Versammlung aller HSV -Mitglieder in der weltweiten Gemeinde des Internets herumgesprochen hatte. Innerhalb nur einer Nacht posteten mehr als 300 HSV-Fans auf dem Abendblatt-Blog "Matz ab" ihre Kommentare, nicht weniger Anhänger diskutierten auf ähnlichen Online-Plattformen von "transfermarkt.de" oder im Supporters-Forum, dem offiziellen Tummelplatz für internetaffine HSV-Mitglieder. Die entscheidende Frage ist nur: Warum eigentlich?
Die Antwort fällt Ralf Bednarek relativ leicht: "Wir sind nun mal ein großer Fußballverein mit vielen Mitgliedern und somit auch mit vielen unterschiedlichen Meinungen." Bednarek, Vorsitzender des 66 000 Mitglieder starken Supporters Clubs, der Dachorganisation aller HSV-Mitglieder, ist quasi der Auslöser des multimedialen Erdbebens. Der Rechtsanwalt und seine Abteilungsleitungskollegen hatten den Antrag zur außerordentlichen Mitgliederversammlung nach langen Überlegungen und einigen Diskussionen schließlich am Dienstag gestellt. Der Grund: "Zunächst einmal wollen wir über das in den Medien diskutierte Investorenmodell Anstoß³ umfassend informiert und aufgeklärt werden", erklärt Bednarek seinen Antrag, der innerhalb von 31 Tagen in die Tat umgesetzt werden muss.
Zur Erinnerung: Der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne hatte sich grundsätzlich bereit erklärt, dem HSV im Rahmen des vom HSV-Vorsitzenden Bernd Hoffmann initiierten Investorenprojekts Anstoß³ bis zu zehn Millionen Euro für Transfers zur Verfügung zu stellen, möchte dafür aber gleichzeitig an Transfergeschäften des HSV beteiligt werden. Der Verdacht, dass sich ein externer Geldgeber in den Verein durch die Hintertür einkauft, scheint also nicht unbegründet zu sein. Kein Wunder also, dass viele Fans informiert werden wollen - und nun auch werden. "Die Idee hinter den aktuellen Gesprächen ist es, die Handlungsfähigkeit des Vereins zu erhöhen, ohne dabei direkte oder indirekte Mitbestimmungsrechte an Dritte abzugeben", sagt Hoffmann, der den Fans nun entgegenkommen muss: "Wir werden die Mitglieder im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung umfassend über das Projekt informieren."
Allerdings geht der Antrag über den Wunsch nach Aufklärung hinaus. "Sollte dabei herauskommen, dass es durch das Projekt zu einer Veränderung der Vereinsorganisation kommt, wäre eine ausdrückliche Zustimmung der Mitglieder erforderlich", sagt Bednarek. Im Klartext: Ist das Projekt Anstoß³ nicht mit den Statuten des HSV zu vereinen, will die Supporters-Leitung über das Vorhaben abstimmen lassen.
Bereits jetzt gehen die Meinungen unter den HSV-Anhängern weit auseinander. Während viele Fans zumindest den Wunsch nach Informationen über diese "Grundsatzentscheidung über die Zukunft unseres Vereins" (Bednarek) teilen, gibt es ebenso viele Befürworter des Investorenprojekts, die ihrerseits im Internet mobil machen und die Supporters-Führung - teilweise hart - kritisieren. So distanziert sich beispielsweise der Fanklub "Der Norden hebt ab", der nach der elf Monate langen Suche nach einem Sportchef selbst einen Antrag auf eine außerordentliche Mitgliederversammlung gestellt hatte, offen von der Initiative der Supporters. "Dieser Antrag hat mit der von uns einberufenen Aktion nichts zu tun, und der Supporters Club ist auch von uns nicht gebeten worden, diese Einberufung auch seinerseits durchzuführen", sagt der Fanklubvorsitzende Martin Oetjens, Mitinitiator des ersten Antrags.
Bednarek hat das geteilte Echo der HSV-Fans auf seinen Antrag registriert, will aber trotzdem an der bereits beschlossenen Mitgliederversammlung festhalten. "Natürlich wollen wir Herrn Kühne nicht verschrecken. Es geht uns auch nicht darum, Stimmung gegen ihn zu machen, wie es in der Vergangenheit gegen Hoffenheims Dietmar Hopp gemacht wurde", sagt Bednarek und gibt zu bedenken: "Wir müssen uns nur die Frage stellen, ob wir das Geld, das wir morgen einnehmen, heute schon ausgeben wollen."
So diskutieren die HSV-Verantwortlichen auch immer noch ganz konkret über die Möglichkeit, mit Hilfe von Kühnes Millionen Michael Ballack nach Hamburg zu lotsen. Nach Abendblatt-Informationen hat der derzeit verletzte Nationalmannschaftskapitän im Freundeskreis durchblicken lassen, dass er bei einem Wechsel in die Bundesliga klar den HSV präferieren würde. Der 33-Jährige soll sich bereits im vergangenen November nach einer passenden Immobilie in der Hansestadt erkundigt haben - nach Abendblatt-Informationen allerdings unabhängig von einem tatsächlichen Wechsel zum HSV. Aktuell soll Ballack dem HSV aber auch beim Thema Gehalt signalisiert haben, Abstriche in Kauf zu nehmen. Trotzdem wäre ein Engagement Kühnes im Fall Ballack wohl unausweichlich.
Zumindest die Deutsche Fußball-Liga DFL scheint grundsätzlich keine Einwände gegen das ambitionierte Projekt zu haben. "Das Investorenmodell Anstoß³ wurde der DFL frühzeitig vorgestellt und von ihr geprüft. Es ist mit den Statuten des Ligaverbandes vereinbar", beantwortete ein DFL-Sprecher die Anfrage des Abendblatts. Die Diskussionen dürften aber auch so in den kommenden Tagen weitergehen - im Internet genauso wie in der realen Welt.