Erstmals seit 1982 stehen vier HSV-Spieler im deutschen WM-Aufgebot. Die Startelf-Chancen von Trochowski und den Klubkollegen.

Hamburg. Lange wurde gezittert, seit Dienstagabend 20 Uhr steht es fest: Andreas Beck von 1899 Hoffenheim ist der letzte Spieler der Löw'schen Streichliste, der seine Hoffnungen auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Südafrika begraben muss.

Das Aus des Abwehrspielers ist das Glück der HSV-Akteure. Vor allem die beiden Linksverteidiger Dennis Aogo und Marcell Jansen galten bis zuletzt als Streichkandidaten, doch die Verletzung von Heiko Westermann dürfte schließlich den Ausschlag für Aogo und Jansen und gegen Beck gegeben haben. Westermann war als möglicher Ersatz für den Kapitän Philipp Lahm auf der linken Abwehrseite eingeplant. Jerome Boateng und Piotr Trochowski hatten ihr WM-Ticket sicher. Löw schätzt die beiden Hamburger, die im Auftaktspiel gegen Australien am 13. Juni den rechten Flügel der Deutschen bilden könnten.

Erstmals seit 1982 stehen im Aufgebot der DFB-Elf bei einer Weltmeisterschaft wieder vier Spieler vom Hamburger SV. Vor 28 Jahren gehörten Manfred Kaltz, Holger Hieronymus, Felix Magath und Horst Hrubesch zur Mannschaft, die in Spanien Vize-Weltmeister wurde. Kaltz absolvierte damals alle sieben Spiele, Hrubesch kam auf fünf Einsätze, Magath auf vier.

Ob die vier Hamburger beim anstehenden WM-Turnier ebenso häufig auf dem Platz stehen, scheint fraglich. Das Abendblatt beleuchtet die Startelf-Chancen der HSV-Stars für das Auftaktspiel gegen Australien im großen WM-Check:


Jerome Boateng

Der 21-Jährige hat eine sehr wechselhafte Saison hinter sich. Nach starken Leistungen zu Saisonbeginn debütierte er ausgerechnet im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Russland auf der Position des Rechtsverteidigers. Bundestrainer Joachim Löw ging ein hohes Risiko und wurde dafür nicht belohnt. Zwar begann Boateng couragiert, zahlte dann aber Lehrgeld gegen den schnellen Außenstürmer Vladimir Bystrov. Folge: Gelb-Rot nach wiederholtem Foulspiel. Auch in den folgenden Länderspielen konnte das Abwehrtalent nie vollständig überzeugen, immer wieder ist der ehemalige Berliner für einen Schnitzer gut. Dennoch ist Löw ein Fan des zweikampfstarken Hamburgers, der ab der kommenden Saison sein Geld bei Manchester City verdient. Sollte Kapitän Philipp Lahm auf der linken Seite in der Viererkette spielen, könnte Boateng rechts zur ersten Wahl werden. Erhöht haben sich die Chancen zudem durch den Ausfall Westermanns (dadurch rückt Arne Friedrich in die Abwehrmitte) sowie die Streichung Becks. Einzig Lahm könnte Boateng aus der Startelf kegeln, sollte er doch auf der Position zum Einsatz kommen, die er in der gesamten Saison beim FC Bayen München bekleidete. Theoretisch könnte Boateng auch links in der Viererkette spielen, doch das ist nach aktuellen Eindrücken die unwahrscheinlichste Lösung.

Startelf-Chance: 60 Prozent


Dennis Aogo

Der Linksverteidiger des HSV war die wohl größte Überraschung im vorläufigen DFB-Aufgebot. Im Laufe der Saison war der Sohn eines Nigerianers auch für das Nationalteam der "Super Eagles" im Gespräch. Die Einladung zu einem Fitnesstest der Löw-Mannschaft Anfang des Jahres ließ Aogo dann aber bereits von der WM für Deutschland träumen. Zunächst galt er nur als Backup für Marcell Jansen, dessen Fitnesszustand nach der Bänderverletzung im Fuß fraglich schien. Doch gleich in seinem ersten Länderspiel beim 3:0 gegen Malta überzeugte der 23-Jährige mit einer Torvorlage und einem selbstbewussten Auftritt. Löw lobt vor allem die technischen Fähigkeiten des Linksfußes, der ein Spiel von hinten heraus gut aufbauen könne. Die Startelf gegen Australien dürfte jedoch unwahrscheinlich sein. Lahm, Jansen, Holger Badstuber und auch Boateng dürften dem ehemaligen Freiburger vorgezogen werden.

Startelf-Chance: 15 Prozent


Marcell Jansen

Als sich der Flügelflitzer der Hamburger am 26. März im Training das Syndesmoseband im Sprunggelenk riss, schien der WM-Traum des bis dahin formstarken Jansen zu platzen. Es begann ein langes und intensives Reha-Programm, der Blondschopf quälte sich jeden Tag für die Teilnahme in Südafrika. Mit der Nominierung für das vorläufige WM-Aufgebot schenkte Löw dem ehemaligen Münchner und Gladbacher das Vertrauen, obwohl Jansen bis dahin noch kein Training mit der Mannschaft absolvierte. Der Bundestrainer kündigte an, den torgefährlichen Außenspieler bis zur WM am härtesten belasten zu wollen. Rechtzeitig zur Weltmeisterschaft steigt die körperliche Fitness des Marcell Jansen täglich. Trotzdem bleibt die Frage, ob er ein vierwöchiges WM-Turnier durchstehen kann. Im linken Mittelfeld kommt Jansen an Lukas Podolski derzeit nicht vorbei. Dahinter warten Toni Kroos oder auch Marko Marin. Die einzige Chance auf die erste Formation im WM-Auftakt gegen Australien wäre demnach die Position des Linksverteidigers, sollte Lahm nach rechts rücken. So spielte Löw bereits zum EM-Auftakt vor zwei Jahren gegen Polen. Die Personalie Jansen bleibt eines der größten Fragezeichen.

Startelf-Chance: 25 Prozent


Piotr Trochowski

Nach einer sehr durchwachsenen Saison beim HSV mit vielen Spielen als Bankdrücker galt Trochowski ebenfalls lange als Streichkandidat. Doch Joachim Löw scheint ein Fan des schussgewaltigen Hamburgers zu sein. In der gesamten WM-Qualifikation gehörte "Troche" stets zum Aufgebot. Während er seine besten Spiele in der Nationalmannschaft auf der linken Mittelfeldseite absolvierte, dürfte er derzeit nur auf der rechten Seite eine Chance haben. Dort heißt der härteste Konkurrent Thomas Müller, der bei den Bayern jedoch zumeist als Stürmer zum Einsatz kam. In den beiden Testspielen gegen Malta und Ungarn zeigte Trochowski wie fast immer gute Ansätze, allein es fehlt die Konstanz über die volle Spielzeit. Aber auch Kroos oder Marin hoffen, auf dieser Position zum Einsatz zu kommen. Löw hat die Qual der Wahl, Trochowski dürfte in den Gedankenspielen des Bundestrainers eine interessante Rolle spielen.

Startelf-Chance: 50 Prozent