Der Lemgoer hat sein Kapitänsamt in der Nationalmannschaft abgegeben. Der HSV hätte dennoch Interesse an ihm.

Hamburg. Die Entscheidung, so heißt es betont, sei "gemeinsam" erfolgt. "Nach mehreren Gesprächen" seien Bundestrainer Heiner Brand und Michael Kraus übereingekommen, dass der Lemgoer sein Kapitänsamt in der Handballnationalmannschaft abgebe. "Mimi soll sich voll und ganz auf seine sportlichen Qualitäten besinnen", wird Brand (57) zitiert. Und Kraus hoffe, "der Nationalmannschaft so besser zu helfen". Im Übrigen habe er sich auch von seinen Beratern getrennt und vertraue nun an von seinem Bruder Christian, einem früheren Leistungsfechter, vertreten.

Das Überraschende an der Mitteilung, die der Deutsche Handball-Bund (DHB) gestern aussandte, war allenfalls der Zeitpunkt. Zu offensichtlich war schon im Januar bei der EM gewesen, dass Kraus (26) mit dem an ihn gestellten Führungsanspruch überfordert war. Brands Hoffnung, seinen hoch veranlagten Rückraummann durch die Übertragung des Kapitänsamts in die Pflicht zu nehmen, war mit dem Absturz auf Platz zehn herb enttäuscht worden.

Beim Viernationenturnier vergangene Woche in Norwegen fehlte Kraus verletzt. Der Hamburger Pascal Hens ersetzte ihn zu Brands "vollster Zufriedenheit", womit die Nachfolgefrage wohl bereits beantwortet ist. Eine weitere Frage ist, ob Hens schon bald auch beim HSV Kraus' Kapitän ist. Denn dessen gestrige Entscheidung könnte auch mit einem bevorstehenden Wechsel nach Hamburg zu tun haben - und damit, dass mögliche Provisionen in der Familie verbleiben würden.

Sicher ist, dass der TBV Lemgo seine Diva trotz Vertrags bis 2012 schnellstmöglich loswerden will. Das Verhältnis ist zerrüttet, seitdem Kraus im vergangenen Herbst öffentlich erklärte, sich die Qualifikation für die Champions League notfalls durch einen Vereinswechsel sichern zu wollen. Die Rhein-Neckar Löwen galten als mögliches Ziel. Doch sie zogen ihr Interesse nun zurück. Zu groß ist im Trainerstab offenbar die Sorge vor Eskapaden, die Kraus in Lemgo kürzlich sogar vorübergehend aus dem Kader kegelten.

HSV-Präsident Andreas Rudolph freilich würde den einstigen "Bravo-Boy" ungeachtet Bedenken der sportlichen Führung angeblich liebend gern verpflichten, wenn auch erst 2011. Ein früherer Wechsel könnte an Lemgos Ablöseforderungen (500 000 Euro) scheitern.