Die Entwicklungen zur Dopingüberführung stehen nicht still. Seit Neusten zittern die Athleten vor Nachtests auf Wachstumshormone.

Vancouver. Jedes Jahr finden auf der ganzen Welt sportliche Großereignisse statt. Feste Bestandteile sind Athleten, Sponsoren, Trainer, Journalisten, Fans und mittlerweile auch Dopingkontrolleure. Das Thema Doping schwebt bei jeglichen Entscheidungen im Hinterkopf eines Jeden. Alle Athleten zu kontrollieren ist bei der heutigen Vielzahl von Medikamenten nicht möglich. Um dem entgegen zu wirken, gibt es auch in der Forschung immer neue Verfahren und Mittel Dopingsünder zu überführen. Seit Neusten zittern die Athleten jetzt vor Nachtests auf Wachstumshormone (HGH).

Eine hohe fünfstellige Zahl an Proben von internationalen Meisterschaften wurde seit Winter-Olympia 2006 in Turin für Nachtests eingefroren. Sie könnten Doper durch ein in Deutschland entwickeltes Nachweisverfahren schon bald überführen. Wie hoch ihre Zahl ist, liegt weiter im Dunkeln. Der Beweis, dass dieses Mittel benutzt wird und nachweisbar ist, wurde durch den Fall des britischen Rugby-Nationalspielers Terry Newton erbracht.

„Das ist ein Meilenstein im Kampf gegen Doping“, sagte Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), nachdem er von der zweijährigen Sperre (bis 23. November 2011) für den Mann der Wakefield Trinity Wildcats erfuhr. Rugby wird 2016 in Rio de Janeiro erstmals olympisch sein.

„Nun wird eine starke Botschaft an die Athleten geschickt, die HGH benutzen wollen und jetzt entdeckt werden können“, sagte David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.

Zum Nachweisverfahren für dieses gentechnologisch hergestellte muskelbildende Mittel, das durch Prof. Christian Strasburger von der Berliner Charite entwickelt wurde, sagt Bach: „Man kann den Forschern und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA gratulieren. Dieser große Schritt wird eine weitere abschreckende Wirkung haben. Bei Olympia ist dieser Effekt durch das Einfrieren der Proben für Nachtests über acht Jahre bereits gegeben.“

Ähnlich optimistisch äußerte sich DOSB-Generaldirektor Michael Vesper: „Wenn man jetzt in den dafür in Frage kommenden Sportarten intelligent nachtestet, könnte es zu ähnlichen Erfolgen führen wie nach den Sommerspielen 2008 in Peking im Falle von CERA.“

Nach Peking waren mehr als 1000 der 4770 abgenommenen Proben der Sportarten Rad, Rudern, Schwimmen und Leichtathletik noch einmal auf diese EPO-Modifikation hin überprüft worden. Dabei wurden sechs Athleten überführt, darunter 1500-m-Olympiasieger Rashid Ramzi (Bahrain), ein Gewichtheber sowie die Radprofis Davide Rebellin (Italien) und Stefan Schumacher. Überführt wurde durch CERA-Nachtests auch Schumachers früherer Gerolsteiner-Kollege Bernhard Kohl (Österreich).

Nun steht HGH im Blickpunkt, über dessen Verbreitung im Sport schon 2005 ein Bericht des belgischen Senats aufschreckte. Darin hieß es, dass 80 Prozent der weltweit hergestellten Menge an EPO und 84 Prozent aller Wachstumshormone an Sportler verabreicht werden. Dem Bericht zufolge beträgt der Jahresumsatz bei Dopingmitteln rund acht Milliarden Euro.Vesper glaubt allerdings, dass ein ganz hoher Prozentsatz der Wachstumshormone in Fitnessstudios und nicht im Hochleistungssport kursieren.

Das menschliche Wachstumshormon HGH (Human Growth Hormone) wird besonders stark im Laufe der Pubertät ausgeschüttet und sorgt dann für das sprunghafte Wachstum. Später ist dieses Signalmolekül am Wiederherstellen und Heilen von Gewebe oder an dem Ersatz von Zellen beteiligt.

Über den Missbrauch von Wachstumshormonen im Sport wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder spekuliert. Durch HGH erhoffen sich Sportler Leistungsgewinne, indem der Eiweißaufbau in den Muskeln angekurbelt wird (anabole Wirkung). Eine Forschergruppe des Endokrinologen Christian Strasburger entwickelte schon 1999 ein Nachweisverfahren, das lange Zeit aber keine Anerkennung fand.

Der Körper stellt HGH in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) her, von wo aus es über die Blutbahn die übrigen Körperregionen erreicht. Zur medizinischen Anwendung wurde das Hormon früher aus den Hypophysen von Toten isoliert. Heute wird es mit Hilfe von gentechnisch veränderten Kolibakterien hergestellt. Medizinisch wird HGH vor allem gegen Zwergwuchs bei Kindern und bei nachgewiesenem HGH-Mangel von Erwachsenen eingesetzt.