Teresa Enke, die Witwe des Nationaltorhüters, äußerte sich nach dem Tod ihres Mannes ungewohnt offen über ihr Leben mit Robert Enke.
Hannover. Robert Enke hat vor seinem Selbstmord mehrere Jahre an schweren Depressionen gelitten. Das berichteten die Witwe des Fußball-Nationaltorwarts Teresa Enke und der behandelnde Arzt Valentin Markser bei einer bewegenden Pressekonferenz am Mittwoch in Hannover. Teresa Enke gab einen sehr persönlichen Einblick in das Leben der vergangenen Jahre. „Wir dachten, wir schaffen alles. Wir dachten halt auch, mit Liebe geht das. Man schafft es aber doch nicht“, sagte sie mit stockender Stimme. Der 32 Jahre alte Torhüter hatte am Dienstagabend Selbstmord begangen.
DAS SAGEN DIE LESER VON ABENDBLATT.DE ZUM TOD VON ROBERT ENKE
LIVE-TICKER: abendblatt.de berichtete live über die Pressekonferenz.
PORTRÄT: Alexander Laux, stellvertretender Sportchef beim Hamburger Abendblatt, über Robert Enke.
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Erstmals habe sich Enke im Jahr 2003 zu seiner Zeit beim FC Barcelona und seinem kurzen Auftritt bei Fenerbahce Istanbul in Behandlungen begeben, sagte der Kölner Mediziner Markser. Der Schlussmann habe damals schon mit Depressionen und Versagensängsten zu kämpfen gehabt. Bis kurz vor seinem Tod habe der Bundesliga-Profi unter medizinischer Betreuung gestanden. Enke habe seine Krankheit geheim halten wollen, um sein Privatleben zu schützen und seine Karriere als Fußball-Profi nicht zu gefährden. „Ich habe versucht, für ihn da zu sein“, sagte Teresa Enke. Eine stationäre Behandlungen hatte ihr Ehemann noch am Tag seines Selbstmordes abgelehnt, berichtete Markser.
In seinem Abschiedsbrief habe sich Enke bei seiner Familie und seinem Arzt entschuldigt, sie über seinen Zustand in den vergangenen Wochen getäuscht zu haben, um seine Selbstmordpläne verwirklichen zu können. Noch am Sonntag hatte Enke im Punktspiel seines Vereins gegen den Hamburger SV im Tor gestanden. Nach Sebastian Deisler, der 2003 seine Erkrankung öffentlich gemacht und seine Karriere nach mehreren Comeback-Versuchen 2007 beendet hatte, wird mit dem tragischen „Fall Enke“ zum zweiten Mal die Depression eines deutschen Nationalspielers publik.
Robert Enke habe große Sorge gehabt, dass man ihm aufgrund seiner Erkrankung das Sorgerecht für die im Mai adoptierte Tochter Leila wieder nehmen würde. „Die Angst auch, dass man Leila verliert, wenn man einen depressiven Vater hat“, sagte Teresa Enke. Ein Schicksalsschlag hatte die Familie 2006 ereilt, als die herzkranke Tochter Lara im Alter von zwei Jahren gestorben war. Zuletzt hatte Robert Enke neun Wochen lang pausiert. Als Begründung war eine bakterielle Darminfektion genannt worden. Markser sagte, dass er Enke in dieser Zeit psychotherapeutisch behandelt habe.Der achtmalige Nationalspieler war am Dienstag an einem Bahnübergang in Neustadt am Rübenberge, in der Nähe seines Wohnorts, gegen 18.25 Uhr von einem Zug erfasst und tödlich verletzt worden.
Für den Mittwochabend wurde eine Trauerandacht in der Marktkirche in Hannover angekündigt, die Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann halten sollte. Im Anschluss war ein von den Fans organisierter Trauermarsch durch die Stadt zur AWD-Arena geplant. Bischöfin Käßmann, die auch Ratsvorsitzende der EKDist, hatte betroffen auf Enks Suizid reagiert: „Uns alle hat gerührt, wie er mit seiner kleinen kranken Tochter und ihrem Tod umgegangen ist.“ Den Spielern von Hannover 96 wurde freigestellt, ob sie in dieser Woche trainieren wollen. Erst am Montag soll der reguläre Trainingsbetrieb aufgenommen werden. Der Verein erwägt, künftig einen Psychologen in seinen Betreuerstab aufzunehmen.
In Gedenken an ihren Kollegen Enke werden die Mannschaften der Ersten und Zweiten Liga am 13. Spieltag mit Trauerflor auflaufen. Zudem gab die Deutsche Fußball Liga bekannt, dass es vor den 18 Partien am übernächsten Wochenende eine Gedenkminute für den Profi geben wird. Im Hotel der deutschen Nationalmannschaft in Bonn beriet die Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gemeinsam mit Bundestrainer Joachim Löw über eine mögliche Absage der Partie gegen Chile am Samstag in Köln oder andere Konsequenzen. Um 14.30 Uhr wollten sich DFB-Präsident Theo Zwanziger und Teammanager Oliver Bierhoff in der Pressekonferenz äußern.
Die Nachricht von Enkes Tod löste über die Grenzen Deutschlands hinweg und über den Fußball-Bereich hinaus Fassungslosigkeit und Trauer aus. So reagierte Bundeskanzlerin Angela Merkel bestürzt von dem Unglück. Die Kanzlerin habe ihr Mitgefühl in einem persönlichen Brief an die Witwe ausgedrückt, sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans in Berlin. Zum Inhalt wollte er keine Angaben machen: „Das gebietet der Anstand, dass ein sehr persönlicher Brief auch persönlich bleibt.“ Auch der Präsident des Weltfußball-Verbandes FIFA, Joseph S. Blatter, drückte sein Mitgefühl aus. Enkes früherer Verein FCBarcelona widmete seinen Sieg im spanischen Fußballpokal am Dienstagabend seinem ehemaligen Spieler. Der spanische Meister und Champions-League-Sieger legte vor dem 5:0 der Katalanen über Cultural Leonesa eine Schweigeminute für Enke ein.
Bundestrainer Löw und die Nationalspieler erfuhren am Dienstagabend nach dem ersten Training für die Spiele am Samstag gegen Chile und vier Tage später in Gelsenkirchen gegen die Elfenbeinküste vom Tod ihres Kollegen. Das Vormittagstraining am Mittwoch und Interview-Termine der Spieler wurden abgesagt. Noch am Dienstagabend hatten sich am Unfallort und vor der AWD- Arena Fans und einige Spieler von Hannover 96 versammelt, Kerzen angezündet und Blumen, Bilder, Schals und Trikots niedergelegt. Am frühen Mittwoch standen Hunderte Menschen Schlange, um sich vor der AWD-Arena in Hannover in ein Kondolenzbuch einzutragen. Der Club hatte die Kondolenzliste mit einem Enke-Trikot und drei Kerzen bereits in der Nacht vor dem Haupteingang des Stadions ausgelegt.