DFL und DFB reagieren erleichtert auf den Richterspruch, Fans hingegen kritisieren ihn. Verfassungsbeschwerde möglich.
Karlsruhe/Hamburg. Die Obrigkeit des deutschen Fußballs atmet auf, viele Fans sind empört: Anhänger können auch in Zukunft aus Stadien verbannt werden, wenn sie unter dem bloßen Verdacht der Gewaltbereitschaft stehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat in einer Grundsatzentscheidung die umstrittenen Regeln für Stadionverbote durch Fußball-Vereine als zulässig eingestuft.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Deutsche Fußball Liga (DFL) sowie die Polizei reagierten erleichtert, während das Urteil in der Fanszene auf Kritik stieß. Zwischen Polizei und den Fußball-Verantwortlichen entbrannte derweil ein heftiger Streit über das Thema Sicherheit. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sieht für Stadionbesucher derzeit "Lebensgefahr". Die DFL sprach von "Panikmache", der DFB von "geistiger Brandstiftung".
Kritik am BGH-Urteil gab es vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF). "Die Praxis der Stadionverbote ist ungerecht und belastet das Verhältnis zwischen Fans, den Vereinen und der Polizei. Die Fronten werden sich weiter verhärten", sagte BAFF-Sprecher Wilko Zicht. "Bei Stadionverboten auf Verdacht werden viele Unschuldige bestraft."
Der BGH wies am Freitag die Klage eines Fans von Rekordmeister Bayern München ab. Gegen den 19-Jährigen war aufgrund des Verdachts auf eine Gewalttat am 25. März 2006 in Duisburg vom MSV ein zweijähriges Besuchsverbot für sämtliche Fußballspiele in Deutschland verhängt worden. Der Kläger soll bei Ausschreitungen mit der als gewaltbereit geltenden Münchner Fan-Gruppe "Schickeria" beteiligt gewesen sein. Ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch gegen ihn wurde jedoch eingestellt.
Dennoch folgte der BGH den Richtlinien des DFB. "Die Vereine können von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, sofern sie nicht willkürlich Leute aussperren", sagte BGH-Sprecherin Karin Milger. Es gehe darum, "potenzielle Störer auszuschließen, die die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf von Großveranstaltungen gefährden können".
Das Urteil könnte bald ein Fall für das Bundesverfassungsgericht werden. "Der BGH verlangt, dass der Betroffene beweisen muss, dass er nicht als Störer aufgetreten ist. Dies halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich. Wir werden daher prüfen, ob wir Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einlegen", sagte Marco Noli, der Anwalt des Auszubildenden. "Dies erinnert an Sippenhaft, die mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar ist", sagte Noli, zugleich Anwalt des "Fanrechtefonds". "Wenn allein die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einem bundesweiten Stadionverbot führen kann, überlässt man praktisch der Polizei alleine die Macht über das Stadionverbot."
Sven Brux, der Sicherheitsbeauftragte des FC St. Pauli, meinte, dass mit der Entscheidung einerseits der "Willkür Tür und Tor geöffnet sind. Auf der anderen Seite sind den Vereinen die Instrumente gegeben, um differenziert vorzugehen." Zufrieden reagierte man beim DFB. "Wir sehen dies als Bestätigung unserer Linie, durch Erlass von Stadionverboten gegen Gewalttäter oder Randalierer, friedliche Fans vor gewaltbereiten Zuschauern zu schützen", sagte der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn. DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus ergänzte: "Die Sicherheit des Zuschauers ist das höchste Gut. Dies hat das Gericht bestätigt."
Auch die Polizei reagierte erleichtert. "Wäre das Verbot gekippt worden, hätte sich die Polizei vom Fußball verabschieden können", sagte Rainer Wendt, der dann mit seiner Aussage zum Thema Sicherheit für heftige Reaktionen sorgte: "In der derzeitigen Situation müssen wir leider jedem Fußball-Fan sagen: Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr." Christian Seifert, Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung, kritisierte diese Aussage als "Schlag ins Gesicht von Millionen friedlicher Fußballfans. Diese Aussagen sind unverantwortlich und Panikmache aus Gründen der Selbstdarstellung."
Der DFB-Sicherheitsbeauftragte Spahn meinte: "Wer so argumentiert, verweigert sich einer ernsthaften, sachgerechten und verantwortungsbewussten Auseinandersetzung mit dem Thema und betreibt geistige Brandstiftung. Diese Gewerkschaft und deren Vorsitzender können für uns keine ernsthaften Gesprächspartner mehr sein."