Ausschluss oder Freispruch: Im größten Skandal der Formel-1-Geschichte wird am Montag die letzte Runde eingeläutet.
Paris. In Paris muss der angeklagte Renault-Rennstall vor den 26 Mitgliedern des World Councils des Automobil-Weltverbandes FIA, darunter auch Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk, Rede und Antwort stehen.
Das Team muss erklären, wie es zum Unfall-Skandal beim Rennen in Singapur im September 2008 kommen konnte. Um die Richter gnädig zu stimmen und mit einem blauen Auge davonzukommen, hat Renault im Vorfeld bereits Teamchef Flavio Briatore und Technikboss Pat Symonds zum Rückzug gedrängt.
Beide sollen dem damaligen Renault-Piloten Nelson Piquet junior (Brasilien) in Singapur befohlen haben, absichtlich einen Unfall zu bauen, damit Teamkollege Fernando Alonso (Spanien) den Grand Prix gewinnt. Piquet hat nach seiner Entlassung im August offenbar aus Rache den Skandal ins Rollen gebracht. In einem Brief an die FIA schilderte er ausführlich die Manipulation und belastete Briatore schwer.
In der Anhörung am Montag geht es um die Rolle Renaults in dem Skandal. Schlimmstenfalls droht dem Team der WM-Ausschluss. Da die Franzosen mit der FIA kooperiert haben, könnte es auch auf eine Geldstrafe hinauslaufen. Ob diese jedoch bei schier utopischen 500 Millionen Euro liegt, wie von VW-Repräsentant Hans-Joachim Stuck gefordert hat, ist mehr als fraglich. Sogar ein Freispruch ist nicht auszuschließen, da die FIA keinen weiteren Hersteller verlieren will.
Die Drahtzieher Briatore und Symonds werden wohl nicht nach Paris kommen, weil sie nicht mehr bei Renault angestellt sind. Symonds wurde nicht mal eingeladen, er soll derzeit Urlaub in Spanien machen. Somit bleibt von den Hauptdarstellern der Unfall-Affäre nur Piquet junior.
Auch Alonso, der durch den Unfall seines Teamkollegen das erste Nachtrennen der Formel 1 in Singapur 2008 gewann, wird offenbar in Paris erwartet. Laut motorsport-total.com deutet vieles darauf hin, dass der zweimalige Weltmeister nichts von der Manipulation seines Teams wusste. Selbst FIA-Präsident Max Mosley geht davon aus, dass der Spanier schuldlos ist. Aber Nelson Piquet senior sagte zuletzt wiederholt, dass er sich das nicht vorstellen könne.
Die bislang härteste Strafe hatte die FIA vor zwei Jahren in der Spionage-Affäre verhängt. Damals musste McLaren-Mercedes die Rekordgeldstrafe von 100 Millionen Euro zahlen. Zudem war das Team nachträglich aus der Konstrukteurs-WM 2007 gestrichen worden. Doch für FIA-Präsident Max Mosley steht fest: „Wenn im Fall von Renault Leben in Gefahr waren, ist das schlimmer“, sagte der Brite.
Der dreimalige Weltmeister Niki Lauda schimpfte: „Unglaublich, was für ein Schaden der Formel 1 zugefügt wurde.“ Der Schotte Jackie Stewart, wie Lauda dreimal Champion, stellt das ganze System der Königsklasse infrage: „Da ist etwas grundsätzlich faul im Herzen der Formel 1. Ich habe noch nie zuvor erlebt, dass die Formel 1 einen solchen Hang zur Selbstzerstörung hat.“
Doch Ecclestone ist sicher, dass sich die Räder im PS-Zirkus weiterdrehen. „Die Formel 1 hat den Tod von Ayrton Senna und den Rücktritt von Michael Schumacher überstanden. Sie ist größer als alles“, sagte der 78-Jährige.
Sollte Renault mit einem blauen Auge davonkommen, könnte das Team künftig mit dem viermaligen Weltmeister Alain Prost als neuem Rennleiter an den Start gehen - vielleicht sogar schon beim nächsten Rennen, das am 27. September ausgerechnet in Singapur stattfindet.