Der frühere HSV-Trainer Klaus Toppmöller hatte einst mit Bayer Leverkusen Triple-Chancen, doch er landete jeweils nur auf Rang zwei. Im Abendblatt schreibt er über die Lage damals und den HSV in diesen Wochen.

Heute Bremen, morgen Dortmund und übermorgen schon wieder Bremen. Ich weiß, es ist ein wenig übertrieben, aber für einen Trainer wie Martin Jol stellt sich die Endphase einer erfolgreichen Saison derartig eng bemessen dar. Auf drei fußballerischen Hochzeiten zu tanzen, wie es der HSV derzeit macht, ist der Wunsch jedes Trainers und Profis, auch wenn man diese Phase nicht genießen kann. Wenn man im Wechsel mittwochs und sonnabends spielt, erlebt man gerade die nervenaufreibende Schlussphase wie in Trance. Man hat keine Zeit, sich ausgiebig über Siege zu freuen oder sich richtig über eine Niederlage zu ärgern.

Ich weiß, wovon ich spreche. 2002 redete bei uns in Leverkusen, wo ich Trainer war, im Saisonschlussspurt alles vom möglichen "Triple" dank Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League. Das Ende war grausam. In der Liga unterlagen wir am drittletzten Spieltag (20. April) Werder Bremen mit 1:2 und vergaben damit unsere Titelchancen, im DFB-Pokal-Finale verloren wir 2:4 gegen Schalke (11. Mai), und im Endspiel der Königsklasse gab es dieses unglückliche 1:2 gegen Real Madrid (15. Mai). Aus "Bayer Triplekusen" machten die Medien "Bayer Vizekusen" - für mich als Trainer war es quasi der Anfang vom Ende, der Klub trennte sich in der folgenden Saison von mir.

In der aktuellen Saisonphase erinnere ich mich oft an damals. Ich habe mir das englische FA-Cup-Halbfinale von Manchester United gegen Everton im TV angesehen, das ManU im Elfmeterschießen verloren hat. Bei Manchester haben Spieler mitgewirkt, die ich selten zuvor bis gar nicht gesehen habe. Das war fast ein B-Team, das Alex Ferguson ins Rennen schickte.

Ich hätte so etwas nie übers Herz gebracht. Ich kann doch keine zweite Wahl auflaufen lassen, wenn da Tausende Fans im Stadion sitzen und ihrem Lieblingsverein die Daumen drücken. Klar, ManU ist nicht der HSV oder Leverkusen, der Kader ist wesentlich besser, aber eine Schwächung bedeuten die personellen Veränderungen in jedem Fall.

Natürlich geht eine Mannschaft wie der HSV kurz vor dem Saisonfinale auf dem Zahnfleisch, das ging uns damals nicht anders. Damit sich die Dreifachbelastung nicht negativ auswirkt, bedarf es vieler zusammenhängender Komponenten. Als Trainer hoffst du bei jedem schmerzverzerrten Gesicht deiner Stützen im Team, dass es nichts Ernsthaftes ist.

Für dich selbst versuchst du, alles abseits der Mannschaft auszublenden. Ein Privatleben gibt es in dieser Phase nicht. Man macht in der Spielvorbereitung und der -nachbereitung eher mehr als weniger, weil du dir am Ende keinen Vorwurf gefallen lassen möchtest, dass du nicht alles Menschenmögliche für den Erfolg getan hast. Der Stress ist enorm. Bei mir kam es auch schon mal vor, dass ich mitten in der Nacht aufgewacht bin und überlegt habe, wer wen beim nächsten Match beim Eckball freisperren könnte.

Der konkrete Einfluss des Trainers in diesem Endspurt ist beschränkt. Im Training geht es fast nur noch um Regeneration und darum, die Männer aus dem zweiten Glied fit und bei Laune zu halten. Man muss gut in seine Mannschaft hineinhorchen und auch mal entscheiden, ob ein Gemeinschaftserlebnis außerhalb des Fußballplatzes sinn- und wertvoller ist als eine Einheit auf dem Rasen.

Und dann bleibt noch die Portion Glück, die unabdingbar ist. Bleibst du - anders als wir damals - weitgehend von Verletzungen verschont, steigert das deine Chancen auf allen Ebenen. Ich verfolge den HSV zwar nur aus der Ferne, aber ich hoffe inständig, dass diesem starken Team der Einbruch erspart bleibt. Auf Gedanken, die mich jetzt manchmal beschäftigen, wie "Ach, hättste den Pokal doch damals einfach hergeschenkt ...", kann wirklich jeder verzichten. Ich auch.