Das Abwehrtalent fährt täglich mit dem HVV zum Training und befindet sich sportlich auf der Überholspur.

Hamburg. Die Maske der Anonymität hat er abgelegt. Die Blicke der anderen Fahrgäste, die vor ein paar Wochen noch an seinem Gesicht vorbeistreiften, bleiben immer häufiger hängen. Jan-Philipp Kalla hat sein Profil geschärft, sich einen Namen gemacht.

"Mittlerweile werde ich im Bus auch schon mal angesprochen", erzählt der Nachwuchsspieler des FC St. Pauli von seinen täglichen Begegnungen im öffentlichen Personennahverkehr. Während sich die Mannschaftskollegen auf dem Fuhrpark des Trainingsgeländes mit Pferdestärken und Kubikzentimetern übertrumpfen, kommt zwar auch Kalla stets mit einem "Fünfer" zur Kollaustraße nach Niendorf. Doch der Barmbeker vertraut dabei nicht auf eine hochmotorisierte Luxuskarosse, Kalla fährt Bus und Bahn: erst mit der U 3 bis zur Station Hoheluft, dann mit der Buslinie 5 bis zur Haltestelle "Niendorfer Straße".

Umweltbewusstsein? Bequemlichkeit? "Ich habe schlichtweg keinen Führerschein", erklärt der 22-Jährige und lacht, "bislang hatte ich dazu einfach nicht die Zeit." Ein Mangel, der sich in den letzten Tagen und Wochen zusätzlich verstärkt hat. Aus dem Verteidiger, der in der letzten Saison noch als Kapitän der U 23 in der Oberliga auflief (ein Zweitligaeinsatz), ist eine echte Alternative für Profi-Trainer Holger Stanislawski geworden. In den vergangenen sechs Partien stand er als Linksverteidiger jeweils in der Startformation. Kalla, der lange Zeit auf der Auswechselbank seine Chance herbeigesehnt hatte, ist Stammspieler in der Zweiten Liga geworden. "Zu dem Schluss muss man kommen, wenn man sich die letzten Wochen anschaut", bestätigt Co-Trainer Andre Trulsen, der wie Stanislawski immer an den Durchbruch seines ehrgeizigen und zielstrebigen Schützlings geglaubt hatte und sich nun bestätigt sieht: "Er hat eine gute Entwicklung genommen." Belohnt werden soll diese nun mit einem neuen, langfristigen Vertrag. Bis 2012 will Sportchef Helmut Schulte den Rohdiamanten zu verbesserten Bezügen an den Klub binden, die fehlenden Unterschriften werden noch für diese Woche erwartet.

Der gebürtige Hamburger mit tschechischen Wurzeln, der in seiner Jugend für den SC Concordia und den Hamburger SV spielte, ehe er 2003 zu den Braun-Weißen wechselte und drei Jahre später als 19-Jähriger bei den Profis debütierte, befindet sich auf dem Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn. "Ich habe in meinem Leben nichts erlebt, das dem ähnelt, was ich jetzt gerade durchmache", beschreibt er seine Glücksgefühle, "es macht einfach Spaß, nach einem Heimspiel nach Hause zu kommen, sich auf die Couch zu legen und dann im DSF selbst spielen zu sehen."

Kalla ist einer von nebenan. Einer ohne Allüren, stets höflich, umgänglich und wissbegierig. Von den Talenten seines Jahrgangs grenzt er sich nicht nur durch seine Leistung ab. Der Lockenkopf hat seine Haare nicht gefärbt, trägt weder blinkende Ohrringe noch bunte Schuhe und hat auch sonst keinen Hang zu auffälligen Accessoires. Er besinnt sich auf das Wesentliche und bleibt trotz des aktuellen Höhenflugs fest auf dem Boden: "Ich freue mich über jedes weitere Spiel, das ich machen darf."

Eine Konstante soll sich in naher Zukunft aber doch verändern. "In der Winterpause müsste eigentlich ausreichend Zeit sein, um für die theoretische Führerscheinprüfung zu pauken", beschreibt Kalla seinen Plan. St. Paulis Fuhrpark wird Zuwachs bekommen. Automarke und PS-Stärke sind zweitrangig. Kalla will auf dem Platz durchstarten und sein Profil weiter schärfen: "Da geht noch mehr."