Der ukrainische Schwergewichtsweltmeister bereitet sich auf der Mittelmeerinsel Mallorca auf seine Titelverteidigung am 13. Dezember in Mannheim gegen den US-Amerikaner Hasim Rahman vor und beeindruckt im Training mit exzellenter Beinarbeit.

Camp de Mar. Mallorca wirkt im Spätherbst wie ein dick gefressener Igel, der sich für den Winterschlaf bereit macht. Die Sonne wird immer öfter von dunklen Wolken vertrieben, die fiesen Nieselregen schicken. Hier und da wird an ein paar Baustellen gewerkelt, viele Restaurants und Geschäfte haben jedoch geschlossen, und wo noch Leben herrscht, ist es gemütlich und nicht so betriebsam wie im Sommer, wenn auf des Deutschen liebster Ferieninsel der Papst boxt.

In diesen Novembertagen gibt es jedoch im Dorint Golfresort in Camp de Mar, einem exklusiven Ferienörtchen 30 km nordwestlich der Hauptstadt Palma, jemand anderen, der boxt. Wladimir Klitschko, 32 Jahre alter Schwergewichts-Weltmeister der Weltverbände IBF und WBO, bereitet sich auf seine nächste Titelverteidigung am 13. Dezember in Mannheim vor. Sein Gegner ist Hasim Rahman, ein 36 Jahre alter US-Amerikaner, der den größten Erfolg seiner Laufbahn am 22. April 2001 in Südafrika feierte, als er den Briten Lennox Lewis in Runde fünf ausknockte und WBC- und IBF-Weltmeister wurde. Sieben Monate später verlor er in Las Vegas jedoch das Rematch mit Lewis durch Knockout in Runde vier. Von August 2005 bis August 2006 war Rahman noch einmal WBC-Champion. Als Gegner für Klitschko wurde er kurzfristig, nachdem sich der eigentlich vorgesehene Russe Alexander Powetkin aus dem Berliner Sauerland-Team im Trainingslager in Russland eine Knöchelblessur zugezogen hatte.

Klitschko hat zum vierten Mal sein Camp auf Mallorca aufgeschlagen, des milden Klimas wegen, das ihm Läufe in den Bergen ermöglicht, ohne eine Erkältung zu riskieren. Seit Ende Oktober ist er hier, am 7. Dezember reist er Richtung Mannheim ab. Bei ihm sind Trainer Emanuel Steward, dessen Assistent James Bashir, Stewards weitere Schützlinge Johnathon Banks und Andy Lee, diverse Sparringspartner, Physiotherapeut John Knarr sowie Dave Williams, der nicht nur alle Speisen für das Team zubereitet, sondern sich als "Mädchen für alles" unentbehrlich gemacht hat. Williams, der in Los Angeles das Promi-Restaurant "Mogan’s Cafe" betreibt, ist seit zweieinhalb Jahren im Team. Er kontrolliert jedes Nahrungsmittel, das Klitschko zu sich nimmt, auf seine Reinheit, hat dafür sechs Koffer voll Koch-Equipment mit nach Spanien gebracht. Bis zu 6000 Kalorien pro Tag nimmt der Champion zu sich, vorrangig isst er Rindfleisch, viel Pasta, Obst und Gemüse, um ausreichend Kohlenhydrate, Proteine und Eisen zu tanken. Dazu kommen rund vier Liter Flüssigkeit täglich und das obligatorische Stückchen Käse- oder Schokoladenkuchen, das Klitschko sehr liebt.

Trainiert wird zweimal täglich, nur Mittwochnachmittag und sonntags ist frei. Der 32-Jährige schwimmt zusätzlich sehr viel und studiert Videomaterial seines Kontrahenten. Trainer Steward hält Rahman zwar für "technisch und athletisch klar unterlegen", hat aber großen Respekt vor dessen Fähigkeit, mit einem einzigen Schlag einen Kampf entscheiden zu können. "Diese One-Punch-Boxer sind die gefährlichsten Gegner, weil man sich gegen sie nicht eine Sekunde lang ausruhen darf", sagt der US-Amerikaner. Um seinen Schützling auf diese Herausforderung einzustellen, lässt er an diesem Nachmittag im Sparring vor allem das Verhalten im Rückwärtsgang sowie das schnelle Bewegen durch den Ring trainieren.

Dafür steht Klitschko mit dem US-Cruisergewichtler Max Alexander (28) in dem Ring, den ihm das Hotel in einem eigens für ihn ausgeräumten Konferenzraum aufgebaut hat. Klitschko hat die Maßgabe, nur in den ersten drei der sechs Trainingsrunden zu schlagen, in den letzten drei darf er sich nur verteidigen und bewegen. Er sieht sehr gut aus dabei, pendelt in schnellen Folgen im Oberkörper und tänzelt auf wieselflinken Beinen durch das Seilgeviert. Dem völlig ausgepumpten Alexander, der in der dritten Runde nach harten Treffern des Weltmeisters kurz vor dem K.o. gewesen war, gelingt es zum Ende der Einheit hin nicht ein einziges Mal, Klitschko zu treffen. "Er ist sehr beweglich für einen Mann von zwei Meter Größe. Wenn es mir als schnellem Cruisergewicht nicht gelingt, ihn zu treffen, dann gelingt es auch keinem Schwergewicht", sagt der zweifache Familienvater aus New Jersey. Dazu habe ihn besonders Klitschkos schnelle Führhand beeindruckt. "Als er mich einmal voll getroffen hat, dachte ich, mein Gehirn fliegt mir hinten aus dem Schädel heraus", sagt er.

"Ich fühle mich gut, alles läuft nach Plan", sagt Klitschko. Eindrücke aus solchen Trainingseinheiten sind es, die Steward zu der Aussage verleiten, Klitschko sei im Berufsboxen derzeit eine Klasse für sich. "Es gibt an der Spitze nur Wladimir Klitschko, dann kommt lange nichts, und dann kommt der Rest des Feldes", sagt er. Selbst den fünf Jahre älteren Bruder Vitali, der am 11. Oktober in Berlin nach fast vier Jahren Kampfpause ein triumphales Comeback feierte und den nigerianischen WBC-Weltmeister Samuel Peter durch technischen K.o. in Runde neun besiegte, hält er nicht für gleichwertig. "Wladimir hat alles: Technik, Athletik und Schlaghärte. Er ist ein kompletter Boxer."

Kämpfe gegen Rahman oder auch gegen den beim Hamburger Universum-Stall unter Vertrag stehenden Ukrainer Alexander Dimitrenko (26), der seit seinem Sieg über Luan Krasniqi am vergangenen Sonnabend Klitschkos Pflichtherausforderer beim Weltverband WBO ist, hält Steward für "notwendige Übel". Sein Traum ist jedoch ein Kampf zwischen Wladimir und dem Briten David Haye. Dass sein ehemaliger Schützling Lennox Lewis britischen Medien zufolge an ein Comeback denkt , hat natürlich auch bei Steward Hoffnung ausgelöst. Hoffnung darauf, dass das Rematch des 43-Jährigen mit Vitali Klitschko doch noch zustande kommen kann. "Ich glaube zwar noch nicht an Lennox’ Rückkehr, aber ich wünsche mir, dass es zum Rematch kommt. Das wäre weltweit ein Traumkampf", sagt er. Lewis hatte Klitschko am 21. Juni 2003 durch Abbruch nach Runde sechs besiegt und anschließend seine Karriere beendet. Bislang hatte er ein Comeback immer abgelehnt. Die Rückkehr von Vitali scheint ihn jedoch zum Umdenken bewogen zu haben.