Profiboxen: WBC-Weltmeister Vitali Klitschko beendet seine Karriere. Nach erneutem Kreuzbandriß gibt der Ukrainer der Gesundheit Vorrang und wird nun wohl in die Politik gehen.

Hamburg/Los Angeles. Ihr sportliches Schaffen war stets gelenkt von diesem einen Traum: Gemeinsam wollten Vitali und Wladimir Klitschko Weltmeister im Schwergewicht sein, als erstes Brüderpaar der Boxgeschichte. Dieser Traum ist seit gestern ausgeträumt. Vitali gab in seinem Wohnort Los Angeles das Ende seiner Karriere bekannt.

"In letzter Zeit habe ich mich leider mehr mit meinen Verletzungen als mit meinen Kontrahenten im Ring auseinandersetzen müssen. Die Entscheidung, mit dem Leistungssport aufzuhören, ist mir sehr schwer gefallen. Aber ich möchte meine Karriere auf dem Gipfel beenden und mit meinem Rücktritt nun den Weg freimachen für meine Nachfolger", hieß es in einer Erklärung, die Klitschko über seinen persönlichen Manager Bernd Bönte verbreiten ließ.

Ausschlaggebend für diesen Schritt war eine Knieverletzung gewesen, die sich der WBC-Weltmeister am vergangenen Donnerstag im Training zugezogen hatte und die ihn zur Absage seiner für Sonnabend in Las Vegas geplanten Titelverteidigung gegen Hasim Rahman (USA) gezwungen hatte. Diese Blessur stellte sich in einer Untersuchung bei Neal Elattrache, dem Direktor der sportmedizinischen Abteilung der renommierten Kerlan-Jobe-Klinik im kalifornischen Inglewood, als Riß des vorderen Kreuzbandes und Riß des Innenmeniskus im rechten Knie heraus. Bereits am Dienstag wurde der 34jährige von Elattrache erfolgreich operiert.

Eine sechsmonatige Trainingspause wäre die Folge dieser Verletzung gewesen. Somit war klar, daß Klitschko die vom WBC gesetzte Dreimonatsfrist für die Titelverteidigung gegen Rahman nicht hätte einhalten können. Diese Frist war dem Weltmeister eingeräumt worden, nachdem er den Kampf gegen seinen Pflichtherausforderer wegen diverser Verletzungen bereits dreimal hatte absagen müssen. Die Aberkennung seines Titels hätte für Klitschko jedoch bedeutet, sich in die Reihe der auf eine WM-Chance Wartenden eingliedern zu müssen. Dies erschien ihm im Hinblick auf seinen in hunderten Kickbox- und Amateurkämpfen geschundenen Körper nicht erstrebenswert.

"Ich bin froh, daß Vitali diese Entscheidung gefällt hat. Er kann nicht alles auf Kosten seiner Gesundheit machen", sagte Trainer Fritz Sdunek, der am Dienstag abend nach seiner Rückkehr aus Los Angeles von Klitschko informiert worden war. Sdunek wehrte sich ausdrücklich gegen Gerüchte, sein Schützling sei schon in der Vorbereitung auf den Rahman-Kampf schlecht in Form gewesen und im Sparring zweimal ausgeknockt worden. "Das sind alles dreiste Lügen. Vitali war gut drauf. Er hat es nicht nötig, sich weiterhin als Feigling beschimpfen zu lassen. Bei allem, was er schon durchgemacht hat, wird er auch jetzt wieder aufstehen."

Dennoch ist der Rücktritt ein harter Schlag, nicht nur für die an Persönlichkeiten arme Schwergewichts-Szene, sondern vor allem auch für die geschäftlichen Ambitionen der Klitschko-Brüder, die sich seit der Trennung vom Hamburger Universum-Stall im April 2004 mit ihrer Firma "K2" selbst vermarkten. Deren Geschäftsführer Tom Loeffler wollte sich gestern zur Zukunft des Unternehmens nicht äußern. "Wir arbeiten jetzt dafür, daß Wladimir Weltmeister wird", sagte er. Gerüchten zufolge soll der jüngere der Brüder im März 2006 gegen IBF-Weltmeister Chris Byrd boxen.

Vitali, soviel ist klar, wird in Zukunft zwar weiter die Karriere seines Bruders unterstützen. Hauptaugenmerk soll jedoch auf einer politischen Laufbahn liegen. "Ich will mich verstärkt sozialen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen stellen", sagte er.

Dafür wolle er, der auch in Hamburg ein Haus besitzt, mit seiner Frau Natalie und den drei Kindern nach Kiew ziehen. Vielleicht kann er irgendwann mit seinem Bruder an der Spitze der Ukraine stehen. Das wäre eine kleine Entschädigung für den verpaßten Lebenstraum.