Der Stuttgarter Stürmer, von den deutschen Fans gnadenlos ausgepfiffen, grübelt: “Ich weiß auch nicht, was ich angestellt habe.“ Er erhält Rückendeckung von Löw und den Spielern.
Leipzig. Als der Schlusspfiff im WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein ertönt war, blieb Deutschlands Stürmer von der traurigen Gestalt, Mario Gomez, regungslos stehen. Der Stuttgarter verharrte im Niemandsland zwischen Strafraum und Anstoßkreis, starrte ungläubig ins Leere und haderte mit sich und dem Fußball-Gott. Wieder nicht getroffen, im 13. Länderspiel in Folge kein Tor erzielt, selbst gegen Liechtenstein, die Nummer 151 im Weltfußball, erneut kein Erfolgserlebnis gehabt. Einfach tragisch. Gomez gab später zu: "Ich bin fest davon ausgegangen, dass ich diesmal treffen werde, und jetzt frage ich mich, was ich angestellt habe, dass es nun doch wieder nicht geklappt hat?"
Was auch immer der 23-jährige "Torjäger a. D." auch versuchte, es ging schief. Im Leipziger Zentralstadion hatte ihm HSV-Profi Marcell Jansen schon nach 16 Sekunden maßgerecht auf den Kopf geflankt, doch Gomez schien noch gar nicht wach. Er ließ den Ball nur von der Stirn abtropfen - Chance vergeben, Ball im Aus. Von nun an ging's bergab: Schoss Gomez, wurden daraus harmlose Roller, versuchte Doppelpässe landeten beim Gegner, lief er sich frei, wurde er übersehen. Der Höhepunkt folgte in der Nachspielzeit der ersten Hälfte: Gomez umspielte nach einem Hitzlsperger-Pass Liechtensteins Torwart Jehle, das Tor leer, das 3:0 schien unvermeidbar, die Ladehemmungen wären zu den Akten gelegt worden, doch dann erfolgte der Abseitspfiff. Unglaublich, denn es lag keine Abseitsstellung vor. Was für ein Pech!
Immerhin: Gomez bereitete das 4:0 von Lukas Podolski mit einer Linksflanke vor. Danach aber weiter nur unglückliche Aktionen. Drei, vier Tore hätte Mario Gomez schießen können, vielleicht sogar müssen, aber es ging nichts. Obwohl in Liechtensteins Abwehr aus Verletzungsgründen gleich drei Amateure (!) mitwirken mussten.
"Ich weiß nicht, woran es liegt, es ist unerklärbar. Sobald ich auf den Platz gehe, ist es wie verhext. Und wenn du nicht die innere Sicherheit hast, wird es schwer", analysierte Gomez seine nun 643 Minuten andauernde Torflaute. Innerlich muss es ihn aber zerreißen, er ist schwer angeschlagen. Vor allem auch deshalb, weil es schon während des Spiels viele, viele Pfiffe gegen ihn gegeben hatte. Gomez ehrlich: "Das tut schon weh. Die Fans wollen mich gut spielen sehen, deswegen verstehe ich die Pfiffe auch. Die sehen mich jede Woche in der Bundesliga gut spielen, nur in der Nationalmannschaft klappt das nicht, aber ich mache das ja nicht mit Absicht." Dann verfiel er, noch im Trikot stehend, ins Grübeln: "Vielleicht brauche ich mehr Gelassenheit ... Aber ich laufe nicht davon. Ich bin ein Kämpfer."
Und der Bundestrainer will ihm dabei helfen. Joachim Löw zum Thema Gomez: "Ich fand es ein wenig unglücklich, einen Spieler, der in der Nationalmannschaft ein bisschen seiner Form hinterherläuft, so auszupfeifen. Ein Spieler mit den Qualitäten, wie sie Mario Gomez hat, der bräuchte in einer solchen Phase auch die Unterstützung der Zuschauer." Löw machte seinem "Patienten" dann Mut: "Wir wissen schon, was Mario kann, welche Qualitäten und Fähigkeiten er hat, er ist jung, wir werden ihn wieder stark machen."
Deswegen läuft Gomez auch am Mittwoch in Cardiff gegen Wales wieder auf. Löw: "Der Knoten wird platzen."
Davon sind auch die Kollegen überzeugt. Die Nationalmannschaft steht geschlossen hinter Gomez. Bastian Schweinsteiger sagte: "Wir sind froh, dass wir einen so guten Spieler im Team haben, Mario ist jung, talentiert, begabt, viele große Vereine wollen ihn haben." Der Hoffenheimer Andreas Beck: "Er muss Geduld haben, dann trifft er auch wieder. Und die Pfiffe steckt er weg, der Mario hat ein dickes Fell, der verkraftet das." Kapitän Michael Ballack gab zu: "Uns tut es auch weh, wenn einer von uns ausgepfiffen wird." Und Thomas Hitzlsperger blickte voraus: "Mario ist alt genug, er wird einen Weg aus dieser Krise finden."