Der Erfolg gegen Fußball-Zwerg Liechtenstein war fest eingeplant, aber keinesfalls berauschend. Das sahen auch die Fans so und quittierten die Leistung mit Pfiffen. Besonders Angreifer Mario Gomez litt unter den Unmutsbekundungen, Bundestrainer Löw will aber weiterhin an ihm festhalten.
Pflicht erfüllt, aber Joachim Löw will mehr. Der Bundestrainer hakte das lockere Aufwärmprogramm gegen Liechtenstein ganz fix ab und richtete direkt nach dem unspektakulären 4:0 alle Konzentration auf die ernsthafte WM-Qualifikations-Prüfung am Mittwoch. "Es war ein guter Auftakt für das Spiel in Wales", sagte Löw nach der "erfüllten Pflichtaufgabe" im Leipziger Zentralstadion. Nach einer kurzen Nacht mit der Umstellung auf die Sommerzeit hetzte der Chefcoach zumindest die Reservisten am Sonntagvormittag gleich wieder über den Trainingsplatz. Schließlich muss der Tabellenführer der Gruppe 4 im Fernduell mit Verfolger Russland in Cardiff unbedingt nachlegen. "Wir werden auch dort auf drei Punkte spielen. Es ist ein wichtiges Spiel auf dem Weg zur WM", erklärte Löw am Sonntag.
Die Spieler wollen die Forderung ihres Chefs beherzigen. "Wir haben den ersten Schritt gemacht, gegen Wales soll der zweite folgen", sagte Lukas Podolski. "Die schwere Aufgabe wartet in Wales", betonte auch Michael Ballack. Eine Herkulesaufgabe erwartet aber keiner im Team, wie Bastian Schweinsteiger erkennen ließ: "Wir freuen uns auf Wales. Da werden wir wohl ein bisschen mehr gefordert."
Sonderlich anstrengen musste sich der Vize-Europameister bei der leidlich gelungenen Wiedergutmachung für die letzten Heimpleiten gegen England (1:2) und Norwegen (0:1) jedenfalls nicht. Am Ende waren die Fans auch mit vier Toren versöhnt - Pfiffe gab es dieses Mal allein für den im Nationaltrikot seit 643 Spielminuten torlosen Stuttgarter Mario Gomez. "Es ist ein bisschen verhext", stöhnte der 23-Jährige, dem die Pfiffe "weh" taten und der mit den Fußball- Göttern haderte: "Ich weiß nicht, ob ich irgendwas angestellt habe."
Zwei Blitz-Doppelpacks zu Beginn beider Spielhälften durch Ballack (4.) und Marcell Jansen (9.) sowie Schweinsteiger (48.) und Podolski (50.) waren die Höhepunkte in einer Partie, in der die deutsche Elf körperlich, läuferisch und spielerisch nicht gefordert wurde. "Wir haben unseren Job gut gemacht", kommentierte Thomas Hitzlsperger. Das verschenkte Torfestival relativierte der Stuttgarter: "Wir haben im Hinspiel sechs Tore gemacht, jetzt vier. Zehn Tore macht auch nicht jede Mannschaft. Insgesamt war das ordentlich."
Das fand auch Löw, der phasenweise "Kombinationsfreude" sah, die wieder größere Laufbereitschaft lobte und sich vor allem über die richtige Einstellung zu Spielbeginn freute. "Das war mir wichtig, denn man muss den Widerstand des Gegners brechen", sagte der Bundestrainer. Nach neun Minuten war die Partie entschieden - der Rest nicht mehr als eine lockere Trainingseinheit. Man habe die richtigen Lehren aus den letzten Niederlagen gezogen, bilanzierte Löw nüchtern. Gäste-Coach Bidu Zaugg feierte die Niederlage dagegen wie einen Sieg: "Ich muss meiner Mannschaft ein Kompliment machen. Wir können mit diesem 4:0 leben."
In Wales, das nach der ernüchternden 0:2-Heimpleite am Samstag gegen Finnland in der WM-Qualifikation mit dem Rücken zur Wand steht, werde ein anderer Wind wehen, warnte Löw dennoch nach seinem 25. Länderspielsieg als Bundestrainer: "Sie werden sicherlich versuchen, gegen uns eine Reaktion zu zeigen. Wenn die Waliser überhaupt noch eine Chance haben wollen, müssen sie eigentlich gegen uns gewinnen."
Groß umbauen wird Löw seine Elf nicht - auch Torlos-Gomez lässt er nicht fallen. "Ich habe das Gefühl, dass der Knoten bei ihm platzt." Verärgert hatten den Bundestrainer die Pfiffe gegen Gomez, auch wenn Löw das moderat ausdrückte: "Mario bräuchte eigentlich in so einer Phase die Unterstützung vom Publikum." Löw hofft bei seinem Sorgenkind auf den Klose-Effekt. Der Bayern-Stürmer traf beim 6:0 in Liechtenstein vor einem halben Jahr auch nicht, steckte tief in der Krise und landete nur vier Tage später beim 3:3 in Finnland mit drei Treffern einen Befreiungsschlag. "Du machst in Wales dein Tor", sagte Löw zu Gomez, der das Vertrauen unbedingt rechtfertigen will: "Ich werde in Wales wieder mein Bestes geben. Wenn's reicht zu gewinnen, bin ich glücklich. Wenn ich noch ein Tor dazu machen kann, bin ich umso glücklicher", sagte der Angreifer am Sonntag im ZDF.
Am Montagabend fliegt die Nationalelf nach Cardiff. An Bord der Chartermaschine wird Rene Adler fehlen. Wegen seiner Ellbogen- Verletzung reiste der Leverkusener am Sonntag aus Leipzig ab. Löw hatte schon vorher festgelegt, dass der gegen Liechtenstein beschäftigungslose Robert Enke auch gegen Wales das Tor hüten wird. Fit meldete sich Piotr Trochowski, angeschlagen ist Marko Marin, der bei seinem Kurzeinsatz gegen Liechtenstein eine Knie-Prellung erlitt.