Der Ukrainer gewinnt in Stuttgart durch technischen K.o. Sein Wunschgegner ist jetzt Nikolay Valuev.

Stuttgart. Es war 1.18 Uhr am Sonntagmorgen, als die Privatfehde zwischen den Schwergewichts-Boxprofis Vitali Klitschko und Juan Carlos Gomez endgültig beendet war. In Saal sechs der Schleyer-Halle nahmen sich beide kräftig in den Arm und setzten damit einen positiven Schlusspunkt hinter ein Aufeinandertreffen, das im Vorfeld durch verbale Tiefschläge und psychologische Grabenkämpfe künstlich aufgeheizt worden war. "Alles, was ich vorher gesagt habe, war nur Show, um den Kampf anzuheizen", gab Gomez, Lebensmotto: "It's showtime!", zu, und Klitschko bezeichnete alles Gesagte als "Schnee von gestern".

Dass die durch gegenseitige Beleidigungen befeuerten Emotionen vor rund 10 000 Zuschauern in der Schleyer-Halle und durchschnittlich 10,88 Millionen bei RTL nicht übergekocht waren, dafür hatte der Kampfverlauf gesorgt, der letztlich keinen Zweifel daran ließ, dass es an dem 37 Jahre alten ukrainischen WBC-Weltmeister, der seinen Titel durch technischen K.o. in Runde neun verteidigte, derzeit kein Vorbeikommen gibt. Doch weil der 35 Jahre alte kubanische Pflichtherausforderer eine Leistung gezeigt hatte, die viele Experten überraschte, konnten beide Lager mit dem selten hochklassigen, aber spannenden und aggressiven Duell zufrieden sein. Rund um den Ring und auch nach dem Kampf blieb es deshalb - bis auf wenige Pöbeleien zwischen Anhängern der Kämpfer - friedlich.

Gomez' Taktik, Klitschkos Führhand durch ständiges Herunterschlagen von dessen linkem Arm zu unterbinden und dann überfallartig in den Mann zu stürzen, um die rechte Schlaghand zu meiden, war vier Runden lang aufgegangen. Doch da ein WM-Kampf im Profiboxen zwölf Runden dauert, wurde die Physis des zehn Zentimeter größeren und 8,5 kg schwereren Champions (202 cm, 113 kg) von Runde zu Runde mehr zum Vorteil. Gomez wurde zusehends müde, so dass Klitschko immer öfter mit der Führhand zum Kopf durchkam und die Rechte nachziehen konnte. In Runde fünf erlitt Gomez einen Cut über dem rechten Auge, das fortan zuschwoll. In der siebten Runde musste er nach einem rechten Haken zu Boden, kam jedoch zurück und verweigerte nach der achten Runde auf Nachfrage von Trainer Orlando Cuellar die Aufgabe, die sein Promoter Ahmet Öner in Erwägung gezogen hatte. Der endgültige Wendepunkt folgte in Runde neun, als sich Gomez bei einem unabsichtlichen Kopfstoß einen weiteren Cut zugezogen hatte. Dem WBC-Reglement entsprechend musste Ringrichter Daniel van de Wiele (Belgien) dem nicht verletzten Klitschko dafür einen Punkt abziehen, was diesen so erboste, dass er Gomez in der nächsten Aktion zu Boden schlug. Davon erholte sich der "Schwarze Panther" nicht mehr und wurde nach weiteren schweren Treffern von van de Wiele nach 1:49 Minuten der neunten Runde aus dem Kampf genommen.

"Ich wusste, dass Juan ein Weltklasseboxer ist. Deshalb bin ich zufrieden, dass ich beweisen konnte, dass ich der stärkste Boxer der Welt bin", sagte Klitschko nach dem Kampf. Gomez, der sich noch im Ring bei seiner Tochter Delia für das nicht eingehaltene Sieg-Versprechen entschuldigt hatte, sagte mit einem Lächeln: "Ich hätte es selbst nicht gedacht. Ich habe mein Bestes gegeben, aber Vitali war noch ein bisschen besser."

Öner kündigte an, dass Gomez bereits in drei Monaten wieder in den Ring steigen soll. Nächstes Objekt der Begierde ist der WBA-WM-Titel, den derzeit mit dem russischen Riesen Nikolay Valuev aus dem Sauerland-Stall und dem für Universum boxenden Usbeken Ruslan Chagaev zwei Sportler halten, die sich im Sommer gegenüberstehen, um den "wahren" WBA-Champion zu ermitteln. "Gomez kann sie beide schlagen", sagte Öner.

Allerdings ist Valuev auch der Mann, den Vitali Klitschko ins Visier genommen hat. Sein einziges Ziel sei es noch, "alle vier WM-Titel in der Familie Klitschko zu vereinen". Der WBA-Gürtel ist der einzige, der noch fehlt (siehe Infokasten). "Den Kampf Klitschko gegen Valuev wollen die Fans weltweit sehen. Ich hoffe, dass er gegen Chagaev gewinnt und dann bis Jahresende gegen mich antritt", so Klitschko, der im Falle eines Chagaev-Sieges aber auch diesen herausfordern würde.

Im Frühherbst wäre zudem auch ein Kampf gegen US-Hoffnung Cristobal Arreola in Los Angeles möglich. Der US-Pay-TV-Sender HBO hat großes Interesse an diesem Duell. Klar ist: Vitali Klitschko will seine wenigen verbleibenden Kämpfe nicht mit lästigen Pflichtherausforderern verbringen: "Ich will keinen Altersrekord brechen. Ich mache nur noch die großen Kämpfe, die die Fans weltweit sehen wollen."

Dazu muss Klitschko jedoch das derzeit vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne anhängige Gerichtsverfahren gegen das WBC gewinnen. Der Verband hatte Anfang des Jahres angeordnet, dass der Sieger aus Klitschko gegen Gomez in seinem nächsten Kampf gegen den Russen Oleg Maskaev anzutreten habe. "Diesen Kampf will kein Mensch auf der ganzen Welt sehen. Maskaev hat gegen Samuel Peter durch K. o. verloren, den Mann, den Vitali im Oktober 2008 in Berlin vorgeführt und ausgeknockt hat. Wir werden uns dagegen wehren und sind zuversichtlich, vorm Cas recht zu bekommen", sagte Klitschko-Manager Bernd Bönte.