Wolfsburgs Stürmer steht im Schaufenster, die Superstars Ronaldo und Robben ernten nur Häme und Rooney ist noch im Ruhestand.

Berlin. Mit ihren Toren lässt es sich herrlich jubeln, ausgelassene Chancen sorgen für Frust und Entsetzen. Eins, zwei, drei, was zählt, sind Tore – die Stürmer sind das zentrale sportliche Thema dieser EM. Sie werden hochgejubelt oder verteufelt, zwischen diesen Extremen gibt es scheinbar nichts. An die Spitze der Torjägerliste haben sich mit Mario Gomez, dem Russen Alan Dsagojew und dem Kroaten Mario Mandzukic drei Stürmer geschossen, die in dieser Position nicht unbedingt erwartet worden waren. Auch über Cristiano Ronaldo oder Arjen Robben wird gesprochen – aber über sie nur mit Häme.

Es kann einer wie Gomez sogar zu den besten Schützen des Turniers gehören und dann trotz seines 1:0-Siegtreffers beim deutschen Auftakt gegen Portugal danach „Druck ohne Ende“ zu verspüren. „Das waren 300 Kilogramm auf den Schultern“, sagte Gomez. Doch nachdem er gefühlt „drei Tage nur auf die Fresse“ bekommen habe, entledigte Gomez sich aller Kritik durch eine weitere Matchwinner-Rolle in Form von zwei weiteren Tore beim 2:1 gegen die Niederlande eindrucksvoll und vollumfänglich – vorerst. Der Rest bleibt Berufsrisiko.

Zwei Tore gegen die Kritik waren einen Tag nach Gomez auch für Fernando Torres das Mittel zum Zweck. Er traf doppelt beim 4:0 gegen Irland und gab damit seine ganz persönliche Antwort auf die aktuelle Streitfrage im spanischen Fußball, ob es denn auch ohne klassischen Stürmer auf dem Feld geht. Es geht – aber mit einem so treffsicheren Torres geht es noch viel leichter.

„Shewagol“ macht die Ukrainer glücklich

Nachdem er gegen Italien im Spiel zuvor noch nur als liederlicher Chancentod auffällig geworden war, war für Torres seine Galavorstellung nun eine Genugtuung. „Natürlich habe ich das genossen“, sagte er. Lakonisch fiel dagegen der Kommentar seines Trainers Vicente del Bosque aus: „Ich habe Torres gebracht, damit er das macht, was er getan hat. Ich bin glücklich.“

+++ Gomez und Schweinsteiger: Erfolgs-WG für den Titel +++

Nicht nur seinen Trainer, sondern 45 Millionen Ukrainer hat Andrej Schewtschenko glücklich gemacht. Ein ganzes Land feiert „Shewagol“, den alten Mann, der mit seinen zwei Toren beim 2:1-Auftaktsieg für Jubel und Euphorie zwischen Lwiw und Donezk gesorgt hat.

Mindestens ebenso wie über Schewtschenko staunt Europa über einen gewissen Mario Mandzukic, der wie Gomez und der Russe Alan Dsagojew schon dreimal getroffen hat. Sein Trainer in Wolfsburg, Felix Magath, hatte Mandzukic vor Turnierbeginn ins Schaufenster gestellt und für verkäuflich erklärt. Es ist anzunehmen, dass Magath spätestens nach der Rückkehr aus seinem Urlaub reichlich Interesse europäischer Topklubs an Mandzukic vorfinden wird.

Ronaldo gefährdet Portugals Erfolg

Dagegen führt der vermeintlich größte Name unter den 368 für das Turnier gemeldeten Spielern, Cristiano Ronaldo, die Liste der bisherigen Enttäuschungen in der Abteilung Attacke an. Nach einem schon ungewöhnlich blassen Auftritt gegen Deutschland gefährdete der teuerste Fußballer der Welt regelrecht den portugiesischen Sieg gegen Dänemark. Zwei sogenannte Hundertprozentige vergab er da in der zweiten Halbzeit, und nach dem zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich für Dänemark war es der vergleichsweise namenlose Silvestre Varela, der Portugals Chancen aufs Viertelfinale intakt hielt. „Wir haben mehr gelitten, als nötig gewesen ist“, sagte Trainer Paulo Bento - mehr als nur ein Seitenhieb auf Ronaldo, dessen Standing in der portugiesischen Delegation ohnehin nicht das beste ist.

Niederlande und Italien mit Angriffssorgen

Die Niederlande waren mit dem Luxusproblem angetreten, den Torschützenkönig der Premier League (van Persie) dem der deutschen Bundesliga (Huntelaar) vorziehen zu müssen. Zwar traf van Persie gegen Deutschland, beim 1:2 war sein Tor aber nicht genug. Nach zwei Spielen ist – neben der Defensive – auch die Offensive ein unerwartet großes Problem von Oranje. Huntelaar blieb bei zwei Teileinsätzen weitgehend unauffällig und vor allem ohne Tor.

Genauso Italien: Der viermalige Weltmeister fürchtet ein weiteres Aus nach der Vorrunde bei einem großen Turnier – auch und vor allem, weil Mario Balotelli und Antonio Cassano bislang torlos sind und nur Oldie Antonio di Natale aus dem Spiel heraus traf.

Nur ein großer Stürmer hat sich aller Beachtung bislang entziehen können. Englands Wayne Rooney war in den ersten beiden Gruppenspielen gesperrt. Ab dem letzten Gruppenspiel darf auch der Torjäger von Manchester United eingreifen. Er sollte darauf vorbereitet sein, sofort zum Thema bei dieser EM zu werden.