Teamchef Franz Beckenbauer sorgte für Deutschlands dritten WM-Titel. Superstar Diego Maradona weinte.
Rom. Die Fußball-WM Italia 90 erlebte ihren Höhepunkt in der neuerlichen Krönung für "Kaiser" Franz Beckenbauer. Am späten Abend des 8. Juli 1990 stolzierte der 103-malige deutsche Fußball-Nationalspieler gedankenverloren über den Rasen des Stadio Olimpico.
Um ihn herum vollführten Kapitän Lothar Matthäus und seine 21 Mitspieler regelrechte Veitstänze, nur Beckenbauer ließ sich von der allgemeinen Euphorie nicht anstecken, kapselte sich im Mittelkreis fast ein wenig ab und wollte den Augenblick des Triumphes trotz der 73.607 Zuschauer fast für sich allein genießen.
Der 1:0-Finalsieg über Titelverteidiger Argentinien, den Andreas Brehme per Foulelfmeter sicherstellte, bedeutete den dritten WM-Titel für Deutschland nach 1954 und 1974. Beim zuvor letzten Titelgewinn in München 16 Jahre zuvor (2:1 gegen die Niederlande) hatte Beckenbauer noch als Kapitän und Weltstar den WM-Titel erobert und das Duell gegen "König" Johan Cruyff zu seinen Gunsten entschieden.
Jetzt folgte sein zweiter WM-Erfolg - diesmal als Teamchef der deutschen Nationalmannschaft. Nach sechs Jahren als verantwortlicher Coach trat Beckenbauer als Weltmeister-Macher ab, unterstrich einmal mehr seinen Ruf als Sieger-Typ und Lichtgestalt des deutschen Fußballs.
Der Weg nach Italien war für die deutsche Elf dabei fast beschwerlicher als das WM-Turnier selbst. Erst ein Treffer von Thomas Häßler im letzten WM-Qualifikationsspiel im November 1989 in Köln gegen Wales zum 2:1 verschaffte der Beckenbauer-Truppe das Ticket zur Fahrt über den Brenner.
In der Vorrunde erwischte Deutschland, angeführt von einem überragenden Matthäus, in Mailand gegen Jugoslawien beim 4:1 einen WM-Start nach Maß. "Am wichtigsten für den Titel war der gute Auftakt gegen die Jugoslawen", sagte Beckenbauer später rückblickend.
Ein 5:1 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate und ein 1:1 gegen Kolumbien bedeutete den ersten Gruppenrang für das deutsche Team, das zum dritten Mal in Folge ins WM-Finale einziehen sollte. Doch gleich im Achtelfinale wartete auf Deutschland der wohl dickste Brocken: Kein Geringerer als Europameister Niederlande wollte Matthäus und Co. den Weg in die Runde der letzten acht Teams verbauen.
Aber nach einem phantastischen Spiel, in dem die Emotionen auf beiden Seiten hochschlugen, setzte sich Deutschland mit 2:1 durch. Eine Weltklassepartie lieferte vor allem Jürgen Klinsmann. Der unrühmliche Höhepunkt der Begegnung war ein Doppel-Platzverweis für Rudi Völler und den niederländischen Star Frank Rijkaard, der den deutschen Mittelstürmer angespuckt hatte.
Im Viertelfinale mussten sich die deutschen Asse mit der Auswahl der damaligen CSFR auseinander setzen. Trotz des 1:0-Erfolgs durch einen Foulelfmeter von Matthäus tobte "Kaiser Franz" und ließ all' seine Vornehmheit in der Kabine.
Wie schon bei den WM-Turnieren 1982 und 1986 blieb Deutschland allerdings ein weiteres Elfmeterdrama nicht erspart. Im Halbfinale in Turin gegen das Fußball-Mutterland England avancierte der Kölner Torhüter Bodo Illgner zum Helden, als er den Elfmeter von Stuart Pearce mit dem Knie abwehrte. Mit 4:3 setzte sich das Beckenbauer-Team durch und erreichte zum sechsten Mal ein WM-Endspiel.
Der Finalkontrahent Argentinien dagegen mogelte sich als Titelverteidiger mehr schlecht als recht ins WM-Finale. Die Mannschaft um "Enfant terrible" Diego Maradona bot überaus biederen Fußball und verlor unter anderem das Eröffnungsspiel gegen Kameruns "unzähmbare Löwen" 0:1. Im Achtelfinale gaben die Gauchos dann aber dem südamerikanischen Erzrivalen und Titelfavoriten Brasilien in Turin mit 1:0 das Nachsehen.
In Florenz waren die Argentinier im Hitzespiel gegen Jugoslawien erst im Elfmeterschießen mit 3:2 erfolgreich. Schließlich stürzten Maradona und seine Teamkollegen das WM-Gastgeberland Italien in Neapel in ein Tal der Tränen. Erneut hatte der zweimalige Weltmeister im Elfmeterschießen die besseren Nerven. Der Titelverteidiger behielt mit 4:3 die Oberhand. Im Endspiel endete jedoch die Glückssträhne der Argentinier. Maradona weinte nach dem Sieg der Deutschen bittere Tränen.
Zu den Positiverscheinungen der WM zählte fraglos Kamerun. Als erste afrikanische Mannschaft erreichte das Team um den Lambada tanzenden Oldtimer Roger Milla ein WM-Viertelfinale. In der Verlängerung zogen die Engländer den "Löwen" mit 3:2 allerdings die Zähne. Gleichwohl stand Kameruns Erfolg als Zeichen für den Aufstieg des afrikanischen Fußballs in die Weltspitze.