Der Ex-Meister zieht sich wegen Verschuldung mit sofortiger Wirkung zurück. Die Spiele fallen aus der Wertung. Niendorf ist der große Verlierer.
Elmshorn. Dienstagabend, 19 Uhr, Clubheim des FC Elmshorn an der Wilhelmstraße. Der Meister und Pokalfinalist des Jahres 2013 schreibt Amateurfußballgeschichte. Seine letzte Episode in der Oberliga Hamburg. Ein dramatischer Schluss mit Knalleffekt. Die Elmshorner Spieler lauschen, was ihnen ihr Präsident Michael Homburg verkündet. Dann realisieren sie: Ihr Team ist ab jetzt Geschichte! Homburg hat ihnen mitgeteilt, ihre Erste Mannschaft sofort aus der Oberliga Hamburg zurückzuziehen. Sie können den Verein verlassen oder zur zweiten Mannschaft in die Landesliga wechseln. Er begründet den Schritt mit finanziellen Problemen des Vereins. Besonders die jungen Spieler sind geschockt. „Einige haben wortlos den Raum verlassen, andere haben geschimpft“, sagt Trainer Florian Gossow. „So werde ich nicht aufhören“, sagt der alte Haudegen Jürgen Tunjic.
Halstenbeks Vorsprung schrumpft, Niendorf ist der große Verlierer
Ein mittlerer fünfstelliger Betrag soll im Etat fehlen. So richtig verantwortlich für den atemberaubenden Absturz ist – natürlich – keiner. Homburg spricht von „Altlasten“, Ex-Präsident Helge Melzer sagt, sein Abschied 2014 sei seit 2012 bekannt und der „Einblick in die Buchhaltung“ jederzeit gewährt gewesen. Ex-Sportdirektor Bert Ehm kritisiert die Entlassungen von ihm und Ex-Trainer Bernhard Schwarz nach nur fünf Spieltagen. In der Folge seien „zu viele teure Spieler gekauft und zu viele Trainer verschlissen worden“.
Noch nie zog sich ein Club in Hamburgs höchster Spielklasse während der Saison zurück. Ein negativer Höhepunkt mit Folgen. Alle 19 Spiele, an denen Elmshorn beteiligt war, fallen nach den Bestimmungen des Hamburger Fußball-Verbandes (HFV) aus der Wertung. Größter Verlierer dieser Konsequenz ist der seit langer Zeit seriös wirtschaftende Niendorfer TSV. Er spielte bereits zweimal gegen Elmshorn und holte als einziger Club sechs Punkte.
„Ich bin sauer. Wir haben die Arschkarte gezogen“, sagt Niendorfs Manager Carsten Wittiber. Auch in Halstenbek ist man nicht erfreut. Der Vorsprung des Oberliga-Spitzenreiters auf den ersten Verfolger Pinneberg schrumpft von drei Zählern auf einen Punkt. „Ärgerlich. Man kann vieles am Grünen Tisch bekommen, Pinneberg bekommt es nun“, sagt Halstenbeks Präsident Hans Jürgen Stammer. Elmshorn habe sich „zu sehr an gewisse Geldgeber geklammert“. Der Fall hat Potenzial, weitere Kreise zu ziehen als nur tabellarische Veränderungen hervorzurufen. Seit Langem fordern diverse Verantwortliche ein Lizenzierungsverfahren für die Oberliga Hamburg.
So, wie es in der Oberliga Niedersachsen bereits praktiziert wird. Elmshorns Ex-Trainer Gossow: „Der Willkür von einigen profilierungssüchtigen Leuten, die mit der Haltung `Nach mir die Sintflut` wilde Sau spielen und den dicken Max machen, muss Einhalt geboten werden. Die Vereine dürfen sich nicht von einem Geldgeber abhängig machen. Mein Vorschlag wäre: Pro 100 Euro Investition in einen Spieler werden zehn Prozent an soziale Projekte abgeführt.“ Gossow erinnerte an Olaf Ohrt, Geldgeber des VfL 93, nach dessen Rückzug der Verein vor der Saison trotz des Aufstiegs in die Oberliga in die Kreisklasse abstürzte.
Doch wie könnte ein Lizensierungsverfahren für die fünfte Liga helfen? An dieser Frage arbeitet der vom DFB eingesetzte Ausschuss für Fußballentwicklung. In dem siebenköpfigen Gremium sitzt Victorias Ex-Manager Ronald Lotz. Er ist Anhänger des Lizensierungsverfahrens. „Eigentlich ist es ganz einfach: Jeder Verein muss seine Zuschauer- und Sponsoringeinnahmen sowie seine Ausgaben belegen. So geschieht es ja auch in der Regionalliga“, sagt Lotz. Ferner sei er dafür, dass die Oberligavereine vor Saisonbeginn eine Kaution hinterlegen müssen, falls sie in finanzielle Nöte geraten. Das Geld würde dann den Spielbetrieb sichern. Eine weitere interessante Idee: Qualitätsanforderungen für Verantwortliche wie Trainer, damit die Vereine sich nicht einfach auf die Verlockungen eines starken Mannes einlassen können. „Wir arbeiten an Lösungen“, sagt Lotz. „Und befinden uns auch im Dialog mit dem HFV, der sich sehr offen gezeigt hat.“
Dessen Pressesprecher Carsten Byernetzki weist auf „das Lizensierungsverfahren in abgespeckter Form“ hin, welches zur neuen Saison eingeführt werde. Der HFV-Spielausschuss befasse sich damit. „Wenn wir das offizielle Schreiben des Rückzugs der Elmshorner erhalten, wird das ein bitterer Tag für Hamburgs Fußballsport sein“, so Byernetzki. Wenigstens das werden sie beim Ex-Oberligisten FC Elmshorn ganz genauso sehen.