Hamburg. Filiale feiert 15 Monate nach schwerem Unfall Neubeginn. Wie die Mitarbeiter mit dem Geschehen umgehen und was Kunden nun erwartet.
Lange Schlangen aus goldenen, silbernen und weißen Ballons und Sekt für die Kunden am Eingang markierten am frühen Freitagmorgen, 29. November, um 5.36 Uhr den Neubeginn des Bäckereifachgeschäfts der Braaker Mühle in Oldenfelde. Zwar existiert die Dependance des Familienbetriebs aus dem Kreis Stormarn bereits seit 2001. Aber so hat man sie zuvor noch nie gesehen. Nach einer dreimonatigen, erzwungenen Umbauphase erstrahlt der bekannte Laden mit Café nun in neuem Glanz: großzügiger, moderner, gemütlicher.
„Investitionen in diesen Standort waren in diesem Jahr eigentlich gar nicht vorgesehen“, sagt Mühlensprecher Carsten Holst. Doch dann habe es Mitte August des vergangenen Jahres diesen dramatischen Unfall gegeben, der dem Unternehmen nicht nur diverse Schlagzeilen bescherte, sondern es zugleich zum Handeln zwang.
Braaker Mühler: Kleintransporter rast im August 2023 in die Filiale
Am 16. August 2023 war mitten auf der großen Kreuzung vor dem Geschäft ein Kleintransporter mit einem Personenkraftwagen kollidiert. Anschließend schleuderte ein Mercedes-Transporter, der von der Berner Straße aus kommend in Richtung Oldenfelder Stieg unterwegs war, über die Kreuzung und den der Ladenzeile an der Oldenfelder Straße vorgelagerten Parkplatz.
Der 66 Jahre alte Fahrer des Vito soll nach dem Zusammenstoß möglicherweise ohne Bewusstsein gewesen sein, war offenkundig aber nicht mehr in der Lage, sein Fahrzeug zu steuern. Nachdem es auf dem Parkplatz einen dort geparkten Fahrschulwagen gerammt hatte, durchbrach der silberne Tansporter die Schaufesterscheibe der Bäckerei und kam erst an dem Verkaufstresen zum Stehen.
Bäckereiverkäuferin hat sich Unfall tief ins Gedächtnis gegraben
Anke Schmidt haben sich diese dramatischen Augenblicke tief ins Gedächtnis gegraben. Sie stand an diesem Tag mit drei anderen Kollegen hinter dem Tresen. „Von dort aus konnte man das gesamte Geschehen genau verfolgen. Als es auf der Kreuzung krachte und der Kastenwagen ins Schleudern geriet, war ich wie erstarrt. Ich sah, wie das Fahrzeug über den kleinen Parkplatz schoss und dachte, es werde wohl in die benachbarte Fahrschule rasen. Doch dann bohrte es sich plötzlich in unsere Schaufenster“, erinnert sich die 47-Jährige.
Beim Aufprall auf den Tresen wurde sie gegen den Ofen hinter ihr geschleudert und brach sich mehrere Rippen. Fünf Wochen war sie krankgeschrieben. Immer wieder seien ihre Gedanken um den Unfall gekreist. Erst im Laufe der folgenden drei Wochen Urlaub habe sie dann ganz langsam Abstand gewinnen können.
Braaker Mühle: Zwei Kollegen haben Unfalltrauma nicht bewältigt
Dennoch meldete sich Anke Schmidt zwei Monate später zurück an ihrem gewohnten Arbeitsplatz. „Klar gab es Momente, in denen ich gezweifelt habe, ob ich jemals an diesen Ort zurückkehren kann. Doch ich arbeite gern hier. Es herrscht eine tolle Atmosphäre und man kennt viele der Stammkunden, die immer wieder vorbeischauen“, sagt sei. Außerdem habe sie es als Ahrensburgerin ja nicht weit.
„Zwei weitere vom Unfall betroffene Kollegen haben das Trauma leider nicht so gut bewältigt und sind deshalb nicht mehr bei uns“, weiß Mühlen-Geschäftsführer Tim Lessau. Sie seien von dem verschobenen Tresen eingeklemmt worden, trugen dabei Prellungen und Quetschungen davon. Gravierender sei aber sicher die psychische Belastung gewesen.
Verkaufstresen steht nach Umbau an einer anderen Stelle
Von der mag sich unterdessen auch Anke Schmidt bis heute nicht gänzlich freisprechen. „Ich bin froh, dass der Tresen jetzt parallel zum Oldenfelder Stieg steht und ich nicht mehr auf die große Kreuzung schauen muss“, gesteht sie. Sobald sie draußen aber Bremsen kreischen höre, fliehe sie möglichst schnell in den angrenzenden Küchenbereich.
Ansonsten genieße sie ihren neuen Arbeitsplatz jedoch sehr. „Er ist jetzt viel schöner, mit mehr Platz für das Mühlenteam und unsere Kunden“, sagt Schmidt. Keine Spur mehr von dem Provisorium, in dem der Verkauf 15 Monate nach dem Unfall weiterging. Anfangs sogar mit zugigen Bretterwänden und dem Einsatz von Marktwagen auf dem Parkplatz vor dem Laden.
Gastraum ist um 130 auf jetzt 350 Quadratmeter gewachsen
Inzwischen ist das ehemalige Lager in den Gastraum integriert worden, wodurch er von 220 auf 350 Quadratmeter gewachsen ist. Dort wird es nach Abschluss der letzten Arbeiten insgesamt 70 Sitzplätze geben. Verlegt wurde indes nicht nur der Tresen, der von sieben auf zehn Meter Länge gewachsen ist, sondern auch der Haupteingang, der von der Oldenfelder Straße an den Oldenfelder Stieg verlegt worden ist.
Sorgen bereitet der 15-köpfigen Mühlencrew unterdessen die Parkplatzsituation. Hier ist man allerdings seit Monaten keinen Schritt vorangekommen. Nach einer Übereinkunft mit dem Vermieter soll ein rückwärtiger Schuttberg abgetragen werden, um mindestens zehn zusätzliche Stellplätze zu schaffen. Das ist bereits im Mai beim Bauamt beantragt worden. Seitdem ruht jedoch still der See.
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„Wir haben im Zuge des erzwungenen Umbaus 850.000 Euro investiert, von denen die Versicherung aller Voraussicht nach nicht mal 100.000 Euro übernehmen wird, und fünf neue Arbeitsplätze geschaffen“, sagt Tim Lessau. Da könne man eigentlich schon erwarten, dass auch die Bezirksverwaltung mitziehe.
„Mir ist schleierhaft, warum solche Entscheidungsprozesse so lange dauern und Firmen, die etwas bewegen wollen, so im Regen stehen gelassen werden“, moniert der Mühlengeschäftsführer. Und hofft nun darauf, dass sich die unerfreuliche Situation möglichst bald klären werde. Denn erst dann verspreche der Neustart in Oldenfelde, ein wirklicher Erfolg zu werden.