Bad Oldesloe. Ende des Jahres stellt Frau und Beruf die Arbeit ein. Für die Vorsitzende des Trägervereins Marion Gurlit ist klar, wer Schuld hat.
Lange haben die Verantwortlichen und Beteiligten genau diesen Fall gefürchtet, nun ist er traurige Gewissheit: Nach mehr als 26 Jahren stellt die Beratungsstelle Frau und Beruf Stormarn ihre Arbeit ein. Das teilt Marion Gurlit, Vorsitzende des Trägervereins, der Förderverein für Arbeit und Bildung in Stormarn (FABS), mit. Ende des Jahres ist Schluss mit der Beratungsstelle mit Sitz in Bad Oldesloe.
Die Verantwortlichen fürchteten seit Monaten das Aus von Frau und Beruf. Hintergrund ist, dass das Land Schleswig-Holstein die Förderrichtlinien für die Beratungsstellen geändert hat. Finanziert werden die Beratungsstellen durch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds und des Landes Schleswig-Holstein. Zuständig ist das Wirtschaftsministerium. Die Förderperioden sind zeitlich befristet, die aktuelle läuft Ende 2024 aus.
Nach 26 Jahren: Aus für Beratungsstelle Frau und Beruf Stormarn
In Schleswig-Holstein gibt es, aufgeteilt in sieben Beratungsregionen mit sieben verschiedenen Trägern, seit 35 Jahren das Angebot Frau und Beruf. Frauen werden beim beruflichen Wiedereinstieg, bei Aus- oder Weiterbildung und mehr unterstützt. Die Anlaufstelle bietet durch individuelle Beratung, mobile Beratungstage und die Zusammenarbeit mit lokalen Netzwerken eine unabhängige, vertrauliche und kostenfreie Unterstützung von Frauen an, abgestimmt auf den regionalen Arbeitsmarkt.
Ende Juni war den Trägern von Frau und Beruf mitgeteilt worden, dass die Anzahl der Beratungsregionen ab 1. Januar 2025 auf vier reduziert werden soll. Das bedeute für kleine Träger wie Stormarn, so Gurlit damals, dass sie sich nur noch bewerben können, wenn sie sich als Träger für eine große Region bewerben. Das werde, so damals die Befürchtung, dazu führen, dass regionale und kreisbezogene Trägerschaften verloren gehen, womit wiederum der Bezug zum lokalen Arbeitsmarkt verloren gehe. Genau dieser Fall tritt in Stormarn nun ein.
Verantwortlichen suchten das Gespräch mit Land und Abgeordneten
„Wir heißen Förderverein für Arbeit und Bildung in Stormarn, es gibt ihn seit 1989, die Beratungsstelle ist 1998 an den Start gegangen“, so Gurlit im Gespräch mit unserer Redaktion. Die neue Beratungsregion umfasst Lübeck und die Kreise Ostholstein, Herzogtum Lauenburg und Stormarn. „Wir hätten uns bewerben können, aber wir sind ein kleiner Verein, der laut Satzung für Stormarn zuständig ist, außerdem wäre viel Eigenkapital nötig gewesen“, so Gurlit.
Man habe mehrfach das Gespräch mit dem Land und den Landtagsabgeordneten der jeweiligen Regionen gesucht, in einer Debatte im Landtag waren die Beratungsstellen Thema. „Den meisten Menschen im Landtag war nicht bewusst, dass es die Reduzierung der Beratungsregionen geben soll“, so Gurlit. Es sollten aber auch Kooperationen von Trägern möglich sein. Die Vorsitzende schlug dem bisherigen Träger für Lübeck, der nun auch die Trägerschaft für die Region übernimmt, eine Kooperation vor. Das sei ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden.
Marion Gurlit rechnet damit, dass sich der Beratungsumfang deutlich reduzieren wird
Damit ist der Stormarner Trägerverein raus. Die Verträge der beiden Beraterinnen, die aktuell rund 150 Frauen im Jahr beraten, laufen Ende 2024 aus. „Sie gehen dann in die Arbeitslosigkeit“, so Gurlit. Der neue Träger für die Beratungsregion, die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW), habe keine Niederlassung in Bad Oldesloe, sondern beabsichtige, ein Büro im Ahrensburger Gewerbegebiet zu eröffnen. Wann das der Fall sein wird und wie oft dann in Stormarn Beratungen stattfinden, wisse Gurlit nicht. Sie rechne aber damit, dass sich die Zahl der Beratungen deutlich reduzieren wird.
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Die Vorsitzende des bisherigen Trägervereins kann die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums nicht nachvollziehen. Die Region sei wichtig, die Beraterinnen hätten eine große Expertise auf ihrem Gebiet, haben jahrelange Erfahrung und kennen den Kreis Stormarn, die Firmen und den Arbeitsmarkt. Gurlit: „Es geht ganz viel Wissen verloren.“ Ein Argument für die Entscheidung des Landes sei gewesen, dass der Verwaltungsaufwand bei vier statt sieben Beratungsregionen geringer sein würde. Gurlit missfällt auch die Vorgehensweise in der Sache: „Ich habe nicht das Gefühl, dass das Ministerium sich besonders ins Zeug gelegt hat. Es war in den letzten Jahren niemand da, um sich die Beratungsstelle mal anzugucken. Jetzt läuft es darauf hinaus, dass ohne Not gut funktionierende Strukturen zerschlagen werden.“
Gurlit: Beratungsstellen zu Zeiten des Fachkräftemangels wichtiger denn je
Seinerzeit hatte auch der Kreisverband Stormarn des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB mit massiver Kritik auf die Pläne des Wirtschaftsministeriums reagiert. „In einer Zeit des Fachkräftemangels die Hilfen zum beruflichen Einstieg oder Wiedereinstieg von Frauen zu streichen, ist kontraproduktiv. Ein Wirtschaftsminister sollte eigentlich wissen, dass viele Frauen eine ungenutzte Reserve für den Arbeitsmarkt darstellen“, sagte damals Joachim Sauer, Kreisvorsitzender des DGB.
Dieser Einschätzung stimmt Marion Gurlit zu. Die Beratungsstellen seien ein wichtiges Instrument im Arbeitsmarkt und aktuell wichtiger denn je. „Ich finde wirklich bitter, dass gesagt wird: ‚Eigentlich brauchen wir die Frauen auf dem Arbeitsmarkt, wir haben nicht genügend Fachkräfte.‘ Und jetzt wird die Beratungsstelle, die genau dafür steht, mit dem großen Hammer zerhauen.“ Aktuell sei die Beratungsstelle dabei, die letzten Reste zu erledigen. Gurlit: „In der kommenden Woche finden noch Beratungsgespräche statt. Dann wird das Büro ausgeräumt, das Telefon abgemeldet. Und dann ist es vorbei.“