Ahrensburg. Zahl der Turniere geht stark zurück. Kreispferdesportverband meldet Rückgang bei Nennzahlen. Eine Suche nach den Gründen.

Aus dem Landschaftsbild von Stormarn sind sie nicht wegzudenken: Pferde. Wer im Kreis unterwegs ist, begegnet Reitern am Wegesrand, kommt immer wieder an Reiterhöfen vorbei, sieht Pferde auf den Koppeln grasen. Auf dem Land scheint der Trend zum Reitsport ungebrochen. Doch der Schein trügt. Der Reiternachwuchs verbringt immer weniger Zeit mit den Tieren, das Streben nach Turniererfolgen ist bei der jüngeren Generation nicht mehr ausgeprägt. Diese und weitere Faktoren stürzen die gesamte Sparte in eine Krise, deren Auswirkungen auch im Kreispferdesportverband Stormarn (KPSV) spürbar sind.

Martin Studt richtet auf dem Gelände seines Reitstalls im Ahrensburger Ortsteil Ahrensfelde am Sonnabend, 6. Juli, das Springturnier der Kreismeisterschaften aus. 15 Schulpferde hat er in seinem Reitstall, zehn weitere Pferde kommen hinzu. Der Reitstall ist Mitglied im KPSV, dem immerhin viertgrößten Sportfachverband in Stormarn. Studt macht sich Sorgen um die Zukunft des Reitsports. „Die Wettbewerbe werden immer weniger“, sagt er. Nina Stiller, Sprecherin des KPSV, nennt konkrete Zahlen. Sie sagt: „Betrachtet man den Zeitraum der letzten zehn Jahre, ist die Zahl der Turniere in Stormarn von 15 auf sieben oder acht zurückgegangen. Das ist schon eine besorgniserregende Entwicklung.“ Und in den verbliebenen Turnieren gebe es nicht einmal volle Starterfelder, weil die Nennungen ebenfalls abnähmen. Das führt zu finanziellen Einbußen und irrwitzigen Situationen wie der, dass aufgrund mangelnder Konkurrenz „jemand schon platziert war, wenn er das Ziel nur gesehen hat“, so Studt.

Reitturniere in Stormarn drastisch gesunken und kaum noch Vereinsleben

Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung begünstigt. Stiller: „Zu dieser Zeit gab es wie bei allen Veranstaltungen einen starken Einbruch. Danach hat das nur sehr lau wieder Fahrt aufgenommen.“ Bislang sei es nicht gelungen, den Stand von vor der Pandemie zu erreichen. „Das liegt natürlich auch daran, dass man für eine solche Veranstaltung viele Helfer braucht.“ Es werde jedoch immer schwieriger, Menschen für die ehrenamtliche Tätigkeit zu begeistern, stellt sie fest.

Manchmal führen völlig andere Umstände dazu, dass ein Wettbewerb nicht stattfinden kann. Wenn beipielsweise der Caterer abspringt oder erst gar keiner bereit ist, die Verpflegung zu übernehmen. Auch das ist laut Stiller schon vorgekommen. „Die Caterer begründen das damit, dass sie kein Personal finden“, erläutert sie. Es sei zudem sehr schwierig geworden, Sponsoren zu finden. Nicht nur Stifter für die Pokale, auch Geldgeber würden gebraucht. „Nicht damit der Veranstalter sich die Taschen vollmachen kann, sondern damit die Kosten überhaupt gedeckt werden“, stellt sie klar.

Reiten ist nur eines von vielen Freizeitangeboten für die heutige Jugend

Während der Veranstaltungen hält sich ein Tierarzt für den Notfall abrufbereit. Die Kosten für eine Behandlung haben sich ohnehin schon vervielfacht. Beim Springturnier muss ein Rettungswagen mit Sanitätern vor Ort sein. „Aufgrund der ganzen Teuerungsraten kostet es jetzt 800 statt 450 Euro, einen Krankenwagen hinzustellen“, sagt Studt. Die Meldestelle bekommt Geld, der Parcourbauer muss ebenso finanziert werden wie der Richter. Der KPSV unterstützt zusätzlich finanziell und beim Erstellen von Pressetexten.

„Eigentlich gibt es auch Geld zu gewinnen, wenn auch keine großen Reichtümer“, so die Verbandssprecherin. Doch inzwischen würden die sogenannten Gewinngelder kaum noch ausgezahlt. „Es fing damit an, dass nur noch die halbe Summe ausgezahlt wurde“, berichtet Studt. „Jetzt steht oft in den Bedingungen, dass gar nichts mehr ausgezahlt wird, damit die Teilnehmer sich darauf einstellen.“ Das mag für den ein oder anderen den Anreiz zum Mitmachen schmälern, ist nach Ansicht von Stiller aber keine hinreichende Erklärung für schrumpfende Teilnehmerzahlen. Für Studt ist es eines von vielen Beispielen für das Downgrading, das schon seit Längerem stattfinde. „Das kann nicht so weitergehen“, sagt der Reitstallbesitzer.

Image des Pferdesports ist durch Skandale der jüngsten Zeit beschädigt

Harald Cornelissen bildet als Trainer Dressurreiter aus und ist aktiver Richter für die Disziplinen Dressur und Springen bei Wettbewerben. Er vermisst bei vielen Reitern den Ansporn zu sportlichen Leistungen. Die spannende Frage sei: „Wo ist die Motivation geblieben, die noch vor zehn Jahren die Leute zu den Turnieren getrieben hat? Was machen die Menschen jetzt statt zu reiten, statt aufs Turnier zu fahren?“

Ein Auslöser für das mangelnde Interesse könnte das Image des Sports sein, das durch die jüngsten Skandale im internationalen Spitzensport gelitten hat. „Die überwiegende Masse der Reiter distanzieren sich von den schwarzen Schafen“, betont Stiller und verweist auf die Kampagne #doitride der Pferdesportgemeinschaft, die das Wohl des Pferdes über alle anderen Interessen stellt. Cornelissen vermutet, dass das große Freizeitangebot ein weiterer Faktor ist. „Durch Internet und Computerspiele hat sich das Angebot wahnsinnig verbreitert. Dadurch flacht die Verteilungskurve für den Reitsport ab“, glaubt er.

Reitschüler sind nicht mehr in der Lage, Beziehung zum Pferd aufzubauen

Mit Folgen für den Reitbetrieb. Martin Studt: „Wir trainieren in unserer Reitschule auch diejenigen, die ohne eigenes Pferd reiten lernen wollen.“ Früher hätten diese Schüler ganze Tage auf dem Hof zugebracht, hätten sich auch außerhalb des Unterrichts mit den Tieren beschäftigt. „Die Kinder haben sogar sechs Wochen Ferien auf dem Hof verbracht“, erinnert sich Stiller. Heutzutage läuft das laut Studt vor allem so ab, dass die Kinder erst kurz vor Beginn des Unterrichts gebracht werden. „Und fünf Minuten, bevor die Stunde vorbei ist, warten die Eltern schon mit laufendem Motor.“

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„Das rege Vereinsleben von einst gibt es in dieser Form aus meiner Sicht nicht mehr. Der Reitsport ist jetzt mehr organisiert in einzelnen Ausbildungsstellen“, sagt Trainer Cornelissen. Studt sieht das kritisch: „Das klappt beim Reitsport aber nicht so richtig. Denn bei dieser Sportart hat man zwei Athleten: den Reiter und das Pferd. Wenn ich erfolgreich reiten will, brauche ich ein anderes Verhältnis zu meinem Sportpartner als zu einem Sportgerät.“ Es fehle die Zeit, eine Beziehung zum Tier aufzubauen und sein Vertrauen zu gewinnen. Zudem nehme die Gesamtfitness der Reitschüler ab. „Viele Kinder sind motorisch eingeschränkt“, so Studt. Der Verband versucht mit Angeboten wie Fitnesstests und individuellen Trainingsplänen gegenzusteuern.

Kreispferdesportverband Stormarn
Martin Studt möchte eine überdachte Reithalle mit Fotovoltaikanlage auf dem Reitplatz (im Hintergrund) errichten. Doch laut Studt lehnt die Behörde das ab. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

Reitstallbetreiber fühlt sich beim Bau einer Reithalle von der Stadt ausgebremst

Auch Studt überlegt sich, wie er das Angebot so attraktiv gestalten kann, dass es mehr Menschen erreicht. So hat er das Musikerduo Tomtara organisiert, das während der Pause beim Springreiten die Gäste unterhalten soll. Bei einem anderen Projekt fühlt er sich hingegen von der Stadt Ahrensburg ausgebremst. Er möchte auf dem Reitplatz eine überdachte Reithalle mit Photovoltaikanlage errichten. Doch die Behörde erschwere ihm die Umsetzung durch die vielen bürokratischen Vorgaben. Studt hingegen würde sich von der Behörde „dieselbe Wertschätzung wie für andere Sportanlagen im Breitensport“ wünschen.

Studt, Stiller und Cornelissen können dem Wandel aber auch etwas Gutes abgewinnen: Zum einen werde sich viel besser um die Tiere gekümmert, zum anderen sei der Unterricht günstiger geworden. Stiller sagt: „Reitsport bietet so viel Potenzial für Kinder. Sie können für ein Lebewesen Verantwortung übernehmen und im Austausch mit ihm soziale Kompetenz erlernen.“ Von einer Verbindung, in der das Partnerschaftliche mehr gelebt werde, profitierten sowohl Reiter als auch Pferd. Durch den Pferdesport kämen Menschen zusammen, es entstünden Netzwerke und Freundschaften. Wie die der drei, die bereits länger als 40 Jahre andauert. Diese Erlebnisse sind es, die Studt nachfolgenden Generationen ermöglichen will. Sein Ziel: „Ich möchte die Leidenschaft für den Pferdesport an die jungen Leute weitergeben.“