Trittau. Rhönradturnerin Karina Peisker (22) gewinnt in Sønderborg überraschend die Titel im Mehrkampf und in der Musikkür.

Von den eigenen Emotionen längst übermannt verließ Karina Peisker zielstrebig das Siegerpodest. In der Spätphase einer langen und erfolgreichen Sportlerkarriere hatte die 22 Jahre alte Rhönradturnerin vom TSV Trittau bei den im dänischen Sønderborg ausgetragenen Weltmeisterschaften überraschend zweimal Gold und einmal die Bronzemedaille gewonnen.

Bronze sicherte sich die 22-Jährige im Spiraleturnen

m Laufe des allgemeinen Glückwunschtrubels vergaß die neue Weltmeisterin im Mehrkampf und in der Musikkür nicht, wem sie den triumphalen Erfolg mit zu verdanken hatte. Überglücklich fiel Peisker ihrer Trainerin Sandra Trepte in die Arme. Anschließend hängte sie ihr feierlich goldenes Edelmetall um den Hals. „Es ist eine tolle Geste vom Internationalen Rhönradturn-Verband, dass sie jedem Athleten bei der Siegerehrung im Mehrkampf eine zweite Medaille als Anerkennung für die Leistung des Trainers überreichen“, sagt Peisker. „Es war ein unglaublich schöner Moment, Sandra auf diese Art noch einmal Danke zu sagen.“ Eine dritte Medaille sicherte sich die 22-Jährige mit Rang drei im Spiraleturnen – neben der Musikkür und dem Sprung die dritte zu absolvierende Disziplin.

Vereinskollege Nikolai Ruschmeyer wurde bei seinem WM-Debüt Siebter

Auch im Mehrkampf der Männer übertraf ein Athlet vom TSV Trittau alle in ihn gesteckten Erwartungen. Als WM-Debütant belohnte sich Nikolai Ruschmeyer am Ende eines hochklassigen Wettbewerbs mit dem siebten Platz.

Als ausgebildete Diplom-Sportmentaltrainerin sieht Trepte die entscheidende Grundlage des Erfolges bei Wettkämpfen auf Weltklasseniveau im psychischen Bereich. „Mit dem enorm hohen Druck und Stress umzugehen und auf den Punkt die beste Leistung abzurufen, funktioniert nicht ohne die entsprechend mentale Stärke“, sagt die in Hamfelde aufgewachsene angehende Medizinerin.

Peisker wirkte wenige Woche vor den Wettkämpfen noch verunsichert

Wenige Wochen vor der Weltmeisterschaft schien ein Titelgewinn für Peisker in weiter Ferne. Der 22-Jährigen bereitete die Musikkür große Probleme. Nach jedem noch so kleinen Patzer agierte sie unsicher, suchte in Gedanken nach einem Plan B, C, oder D. „Diese Pläne existierten aber nicht,“, sagt Trepte. „Karina fing an zu improvisieren. Von da an lief vieles schief.“

Nun geschah etwas, womit Trepte nicht gerechnet hatte. Um an Sicherheit zu gewinnen, schlug Peisker vor, zwei Übergänge zwischen zwei zu turnenden Elementen anders zu gestalten – ohne dabei an Schwierigkeitsgrad einzubüßen. „Dieses Thema hatte ich zuvor bereits ein paar Mal angesprochen“, sagt Trepte und lacht. „Klar war aber, der Impuls muss von Karina selber kommen.“

Athletin war auf den Punkt topfit – auch mental

Dass die Entscheidung die richtige war, offenbarte sich in Dänemark beim Qualifikations-Wettkampf um einen der begehrten sechs Startplätze für das Musikkür-Finale. Peisker lieferte ihre bis dahin stärkste Leistung ab. „Die Wertung lag um ganze drei Punkte höher als noch Anfang des Jahres bei den beiden Qualifikationsturnieren für die Weltmeisterschaft“, sagt Trepte. „Ein Turner verbessert sich normalerweise im Zehntelbereich. Für Karina war es ein nahezu perfekter und damit perfekter Wettkampf.“ Die Worte der Trainerin sind quasi die Basis des mentalen Trainings. Trepte: „Ein Athlet muss zu einhundert Prozent verinnerlichen, dass es den perfekten Wettkampf für ihn nicht geben kann. Es kann für ihn nur der nahezu perfekte sein. Und damit wäre der nahezu perfekte eben der perfekte.“

Hätte ein Sportler das vom Grundsatz her verstanden, würden ihn kleine Missgeschicke unter höchster Anspannung nicht mehr aus der Bahn werfen. „Die Gedanken bleiben nicht an dem kleinen Missgeschick von eben hängen, sie fokussieren sich schnell auf die nächste zu turnende Aufgabe“, sagt die Trainerin.

Trainerin: Wenn die Gedanken positiv bleiben, hält man Druck und Stress besser stand

Da wäre noch die Sache mit dem Sicherheitskoffer, den man nur ein-, aber nicht auspacken kann. „Wenn ein Athlet ein Element einmal sicher und seinen Ansprüchen genügend turnt, packt er den Vorgang gedanklich in seinen Sicherheitskoffer“, sagt Trepte. „Vor und während eines Wettkampfes führt sich der Athlet den angesammelten Inhalt immer wieder vor Augen. Die Gedanken bleiben dadurch positiv, dem Druck und Stress hält er besser stand. Bei Karina hat das hervorragend funktioniert.“

Die Doppel-Weltmeisterin will nun erst einmal etwas kürzer treten

Auch wenn Peisker nach drei Titelerfolgen 2018 bei der Jugendweltmeisterschaft und dem diesjährigen Doppelerfolg bei den Erwachsenen nun erst einmal kürzer treten möchte, hat sie noch ein großes Ziel vor Augen. Sie sagt: „Nach einer nötigen Regeneration werde ich noch einmal alles in die Waagschale werfen, um kommendes Jahr mit der deutschen Mannschaft beim World-Team-Cup zu starten.“

Die erste WM-Teilnahme hat Ruschmeyer hochmotiviert. „Nico ist ein Wettkampftyp, der unter Druck immer noch eine Schippe drauf legt“, sagt Trepte. „Um sein Potenzial voll auszuschöpfen und Verletzungen bei den nächst höheren Schwierigkeitsstufen zu vermeiden, benötigen wir im Training unbedingt eine sogenannte Schnitzelgrube, in der man weich landet. Nur: Die gibt es in Trittau leider nicht.“