Reinbek. Cathrin Pohl ist die neue Vorsitzende von Forum21. Sie bildet mit Lars Fleckenstein ein Team. Ein Thema ist ihnen besonders wichtig.

Nach 22 Jahren in Reinbeks Lokalpolitik übergeben Heinrich Dierking den Vorsitz und seine Frau Heidrun Tacke den Vorsitz des Frauenbeirates von Forum21 an Cathrin Pohl. Damit verabschiedet sich das streitbare Ehepaar aus Reinbeks Politik. Wie Heinrich Dierking es mit seinem Kreismandat handhaben wird, will er sich in den nächsten Wochen überlegen.

„Es ist jetzt an der Zeit, Jüngeren Platz zu machen“, erklärt Heidrun Tacke (64). „Wir haben Politiker gesehen, die kein Ende finden konnten – das wollen wir besser machen.“ Seit 1993 und 1998 war das Gespann Dierking/Tacke in Reinbek politisch aktiv, zuerst für die SPD. Vor zwei Jahren haben die beiden ihre Mandate bereits den Nachrückern Lars Fleckenstein und Pohl überlassen. „Ich war zuerst im Ortsbeirat, der tatsächlich noch viel entscheiden konnte: Wie die Schule oder die Kita aussehen sollte, oder sich die BeGe Neuschönningstedt entwickeln sollte“, erinnert sich Heinrich Dierking (70).

Forum21 hat aktuell 35 Mitglieder, darunter 17 Frauen

Die starren Regularien und Hierarchien der SPD aber missfielen dem Paar ebenso wie einigen anderen damaligen Parteimitgliedern. „Wir wollten mehr Bürgernähe“, erklärt Dierking. Von einigen Genossen fühlten sich die beiden blockiert, regelrecht gemobbt. 2000 kam es zum Bruch: Zwölf Mitglieder spalteten sich von der SPD Reinbek ab und gründeten die Wählergemeinschaft Forum21, darunter vier Stadtverordnete. Damals ging es hoch her. Der Landesvorsitzende sollte den Bundesvorsitzenden einschalten, weil sie ihre Mandate behalten wollten.

Doch Forum21 setzte sich durch. „Seitdem haben wir die Freiheit, uns selbst zu organisieren“, sagt er. Vielen Reinbekern habe es gefallen, dass ihnen Lokalpolitiker viel erklären, etwa auf den politischen Spaziergängen oder Radtouren. Heute hat Forum21 35 Mitglieder, darunter 17 Frauen und einen großen Kreis an Sympathisanten.

„Ich habe mich oft als Kampfschwein nach vorn gestellt“

Viele Politik-Themen haben aber für Frust gesorgt, weil die Verwaltung viele Beschlüsse langsam oder gar nicht umgesetzt habe, berichtet Tacke. Und ihr Mann erzählt: „Ich habe mich entschlossen, mich herauszuhalten, sonst schreibe ich sofort eine Stellungnahme oder Anfrage an den Bürgermeister.“ Betroffen sei etwa die Sportstättenplanung, seit vier Jahren beschlossen. Der Bebauungsplan stehe noch nicht, jetzt erst würden Verkehr und Lärm gemessen. 13 Bushaltestellen sollten bis Ende 2022 barrierefrei sein. Aber 13 Bushaltestellen sollten bis Ende 2022 barrierefrei sein. Aber erst eine sei realisiert. „Am Geld kann es nicht scheitern“, stellt sie fest. „Wir hatten bisher eine Million Euro Überschuss pro Jahr.“

Cathrin Pohl ist neue Vorsitzende von Forum21, Lars Fleckenstein ist neuer Schatzmeister.
Cathrin Pohl ist neue Vorsitzende von Forum21, Lars Fleckenstein ist neuer Schatzmeister. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Trotz Frust hört man die Leidenschaft heraus, mit der sie sich für Reinbek eingesetzt haben. „Wenn man den Ehrgeiz hat, etwas voranzubringen, muss man durchhalten“, erklärt die 64-Jährige. Der streitbare Geist ist beiden nicht verloren gegangen: „Das ist typisch Reinbek, in anderen Kommunen klappt es besser“, bemängelt Dierking. „Dem Bürgermeister fehlt es an der Strategie, das zu organisieren und zudem vergessen viele Politiker offenbar, warum sie gewählt worden sind: Es ist ihre kommunalpolitische Aufgabe, die Interessen der Bürger zu vertreten. Ich habe mich oft als Kampfschwein nach vorn gestellt. Dann mache ich mich eben zur Hassfigur, das gehört dazu.“

Stadtverordnete entscheiden jedes Jahr über 40 Millionen Euro

Mit ihrem Herzblut haben sie Erfolge erzielt: Das Stadtleitbild, das leider in der Überarbeitung steckengeblieben sei; der Gemeindefeuerwehrplan, und auch der Armutsbericht gehe ursprünglich auf einen Forum21-Antrag zurück. Auch den Frauenbeirat von Forum21, der Frauen ermutigen soll, politisch aktiv zu werden, zählt Dierking zu den Erfolgen: Unter dem Vorsitz von Heidrun Tacke gab es 70 politische Frauen-Stammtische, bei denen sie über aktuelle Themen informiert habe, Einrichtungen, Vereine und Verbände besucht wurden.

„Unser Credo: Wir wollen die Bürger ermuntern, sich in die kommunale Selbstverwaltung einzubringen“, bekräftigt er. Der Vorteil von Schleswig-Holsteins kommunaler Verfassung sei, dass die Selbstverwaltung großes Gewicht habe. „Die Kommunen entscheiden selbst, ob sie eine Schule mehr oder weniger oder mehr Kultur brauchen. Die Stadtverordneten entscheiden jedes Jahr über 40 Millionen Euro – anders als in Hamburg, wo der Senat alles steuert.“

Neue Mitglieder zu gewinnen, ist das Thema der Zukunft

Tacke betont: „Wir sind nicht unpolitisch geworden, nur weil wir aufgehört haben.“ Sie blieben Mitglieder von Forum21. „Aber wir mischen uns nicht ein. Die Neuen müssen ihren Weg selbst finden.“ Das Team Cathrin Pohl (48) und Lars Fleckenstein (43) ist dabei, Antworten zu finden: „Was wollen die Mitglieder, sind unsere Formate noch zeitgemäß? Und: Wie gewinnen wir neue, junge Mitglieder?“ – aktuell sind die Industriekauffrau und der Lübecker Schulleiter die jüngsten.

Die neue Vorsitzende war 2015 beim Glinder Bürgerentscheid gegen die Schulfusion von Gymnasium und Gemeinschaftsschule Sönke-Nissen aktiv. „Da dachte ich mir, als Kommunalpolitikerin müsste man doch noch mehr bewegen können.“ Der Schatzmeister ist durch seinen Vater Günter Fleckenstein, Gründungsmitglied von Forum21, familiär vorbelastet: „Da merkt man, dass Kommunalpolitik wichtig ist.“

Neue Mitglieder zu gewinnen, sei ihr Thema der Zukunft. Während der Pandemie versuchen sie, Anhänger und Mitglieder per Newsletter auf dem Laufenden zu halten, verzichten bisher auf Auftritte in den Sozialen Medien. „Denn dafür bräuchten wir einen Freiwilligen, der sie regelmäßig pflegt“, sagt er. Interessierte erfahren mehr unter www.forum21-reinbek.de.