Ahrensburg. Mehr als 1000 Menschen wollen Grünen-Politikerin auf dem Rathausplatz sehen. Laute Zwischenrufe und Sirenen von Gegendemonstranten.

Schon um 18.15 Uhr ist der Rathausplatz in Ahrensburg gut gefüllt. Als es eine Dreiviertelstunde später losgeht, haben sich mehr als 1000 Menschen auf dem Platz im Stadtzentrum versammelt. Sie alle sind gekommen, um die Politikerin zu sehen, die neben Bundeskanzler Olaf Scholz wie keine andere die Schlagzeilen der vergangenen Wochen in Deutschland dominiert hat: Außenministerin Annalena Baerbock.

Krieg in der Ukraine ist bestimmendes Thema bei Baerbocks Ahrensburg-Besuch

Die 41-Jährige ist am Sonnabend in die Schlossstadt gekommen, um Spitzenkandidatin Monika Heinold und die Direktkandidatin der Grünen im örtlichen Wahlkreis Stormarn-Mitte, Sabine Rautenberg, im Wahlkampfendspurt für die Landtagswahl am kommenden Sonntag zu unterstützen. Doch die Landespolitik gerät schnell in den Hintergrund. Stattdessen dominiert Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine die Veranstaltung. Und Baerbock verurteilt das Vorgehen des russischen Präsidenten erneut mit deutlichen Worten.

Es ist kurz nach 19 Uhr, als die schwarze Limousine der Außenministerin auf dem Rathausplatz vorfährt. An der Nordseite, vor der Haspa-Filiale, ist eine Bühne aufgebaut, ein Umkreis von fünf Metern darum ist abgesperrt. Nur mit Taschenkontrolle kommen Besucher dort hinein. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch. Die Polizei ist mit rund 90 Personen vor Ort, ausgerüstet mit Helmen und Schlagstöcken, die sich in Kleingruppen um den Platz herum postieren. Streifenwagen und Transporter säumen die Manfred-Samusch-Straße.

Hohe Sicherheitsstandards nach Buttersäure-Anschlag in Lübeck

Die Sicherheitsvorkehrungen waren kurz vor Beginn noch einmal erhöht worden. Eine Reaktion auf den Buttersäureanschlag, der für die Absage des eigentlich für den Nachmittag geplanten Auftritts der Außenministerin in Lübeck gesorgt hatte. Unbekannte hatten die stinkende Flüssigkeit auf dem Gelände der Lübecker Freilichtbühne verteilt.

Mehr als 1000 Menschen kamen nach Angaben der Polizei auf den Rathausplatz. Die Sicherheitskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort.
Mehr als 1000 Menschen kamen nach Angaben der Polizei auf den Rathausplatz. Die Sicherheitskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort. © HA | Filip Schwen

Um kurz nach 19 Uhr betritt zuerst ein Überraschungsgast die Bühne: Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank. Die Politikerin, die sich als gebürtige Oldesloerin zu erkennen gibt, ist nach eigener Aussage gerade auf dem Rückweg von einem Familiengrillfest in Bargteheide. Ihre beiden kleinen Töchter sitzen in der ersten Reihe.

Heinold: „Grüne sind Motor der Energiewende in Schleswig-Holstein“

„Ich bin hier, um unserer Kandidatin Monika Heinold die Daumen zu drücken und ihr einen Schub zu geben für diese entscheidenden nächsten Tage“, sagt die Wissenschaftssenatorin. Die Wahl im Saarland habe gezeigt, dass es auf jede Stimme ankomme. Dort fehlten den Grünen Ende März 23 Stimmen für den Einzug in den Landtag. Schleswig-Holstein brauche eine „Power-Frau“ wie Heinold in der Regierung, so Fegebank.

Anschließend kommt Spitzenkandidatin Monika Heinold auf landespolitische Themen zu sprechen. Es geht um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um soziale Gerechtigkeit und natürlich den Klimawandel. „Wir sind das Energiewendeland Nummer eins“, sagt Heinold. Die Grünen seien in den letzten beiden Regierungen „Motor der Energiewende“ gewesen. Dennoch dürfe man nicht aufhören, für den Klimaschutz zu kämpfen. „Wir sind den kommenden Generationen gegenüber verpflichtet, ihnen ein lebenswertes Schleswig-Holstein zu hinterlassen“, so die 63-Jährige, die seit 2012 Finanzministerin ist.

Spitzenkandidatin sieht Landtagswahl als „Richtungsentscheidung“

Mit Blick auf die seit 2017 amtierende Jamaika-Regierung mit CDU und FDP sagt sie: „Diese Koalition ist ungewöhnlich, aber sie funktioniert.“ Doch es gibt auch Kritik. „Wer CDU wählt, wählt eine konservative Partei“, sagt Heinold. Am 8. Mai werde eine Richtungsentscheidung getroffen, „zwischen einer zukunftsgewandten Politik unter Schwarz-Grün oder einer Rolle rückwärts unter Schwarz-Gelb.“

Dann kommt Baerbock auf die Bühne, begleitet von tosendem Applaus. In knielangem roten Kleid und schwarzer Lederjacke wirkt die Politikerin geradezu jugendlich. „Der 8. Mai ist ein Tag, an dem wir wertschätzen sollten, dass wir eine Wahl haben“, sagt die Außenministerin mit Blick auf die Ukraine. Und ist damit gleich beim Thema.

Baerbock verteidigt Lieferung von Waffen an die Ukraine

Zum Schluss posieren Baerbock (r.) und Spitzenkandidatin Monika Heinold für ein Gruppenfoto mit dem Grünen-Ortsverband.
Zum Schluss posieren Baerbock (r.) und Spitzenkandidatin Monika Heinold für ein Gruppenfoto mit dem Grünen-Ortsverband. © HA | Filip Schwen

„In den Tagen seit dem 24. Februar haben wir erlebt, was es bedeutet, nicht in Frieden leben zu können“, sagt sie. Ihr zerreiße es jeden Tag das Herz, dass es nicht gelungen sei, den Krieg zu verhindern. In der Zwischenzeit haben sich im hinteren Bereich des Rathausplatzes etwa 150 Demonstranten versammelt, die Banner hochhalten und den Auftritt der Grünen-Politikerin mit lautstarken Zwischenrufen, Trillerpfeifen und Sirenengeheul stören. Als „Lügnerin“ und „Kriegstreiberin“ beschimpften sie die Außenministerin.

Baerbock verurteilt das Verhalten der Demonstranten scharf. „Die Stärke unserer Demokratie liegt darin, sich gegenseitig zuzuhören“, ruft sie den Menschen zu. Einige könnten aber offenbar nichts anderes, als laut zu sein. Die Entscheidung der Bundesregierung, Waffen zu liefern, verteidigt die Ministerin. „Ja, es war für uns keine einfache Entscheidung“, sagt sie mit Blick auf die pazifistische Tradition ihrer Partei.

„Präsident Putin hat mir eiskalt ins Gesicht gelogen“

Doch es gebe Momente, in denen es notwendig sei, Dogmen über Bord zu werfen und Verantwortung zu übernehmen. „In dem Moment, in dem Präsident Putin den Verhandlungstisch verlassen und mit allem gebrochen hat, was unser Miteinander in Europa ausmacht, ist schweres Kriegsgerät ein Beitrag zum Frieden geworden“, sagt Baerbock.

„Ich war in Moskau und habe erlebt, wie der russische Präsident mir eiskalt ins Gesicht gelogen hat“, so die Ministerin. Wer die Ukraine jetzt nicht unterstütze, stelle sich auf die Seite des Aggressors. „Was würde es bedeuten, wenn wir nichts tun? Würde dann eine Bombe weniger fallen? Nein“, sagt sie.

Viele junge Zuschauer bitten die Ministerin um Selfies und Autogramme

Gegen Ende können die Zuschauer Fragen stellen. Auch hier dominiert das Thema Ukraine. Bevor die Ministerin fährt, macht sie Selfies und gibt Autogramme. Auffällig ist die große Zahl Jugendlicher, die sich um die Ministerin drängt. Gegen 20.30 Uhr, eine halbe Stunde später als geplant, steigt Baerbock wieder in die schwarze Limousine und fährt davon.