Ahrensburg. Jahrelanger Konflikt gipfelt im Rücktritt vier engagierter Funktionäre. Auch die Zukunft von Verbandschef Michael Süpke ist offen.
Auf dem Fußballplatz sorgen Schiedsrichter für einen geregelten Ablauf, für Ordnung und für Fairness. Hinter den Kulissen ist unter Stormarns Unparteiischen aber ein wilder Streit entbrannt, der den gesamten Kreisfußballverband (KFV) erschüttert.
KSA-Vorsitzender erklärt seinen sofortigen Rücktritt
Eskaliert ist die Lage an diesem Montagabend. In einer Rundmail an alle Vereine verkündete Julian Weigert, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses (KSA), seinen sofortigen Rücktritt. Auch sein Stellvertreter David Kraußer, zugleich zweiter Vorsitzender im KFV, gab alle Ämter ab. Aus dem KSA zogen sich zudem Lehrwart Konrad Zesch und Beisitzer Mirco Böck zurück – das ist fast das gesamte Stormarner Schiedsrichter-Gremium.
Jetzt ist sogar die Zukunft von Stormarns Fußballchef fraglich. Der KFV-Vorsitzende Michael Süpke hält sich offen, ob er am 30. April erneut kandidieren wird. Um diesen Fall zu verstehen, muss man viele Jahre zurückblicken. Mindestens seit 2015 entfacht sich in dem damals personell ganz anders besetzten KSA immer wieder ein Streit an einem Mann, der in Stormarn und auf Landesebene als Schiedsrichter, Schiedsrichter-Beobachter und Funktionär tätig war. Weil Vorwürfe kursieren, die sich nicht belegen lassen, wird an dieser Stelle nicht der volle Name genannt.
Schiedsrichter wiederholt zur Loyalität aufgefordert
Die Rede ist von A.R, einem Fußballer der alten Schule. Auf Stormarns Sportplätzen kennt ihn jeder. Seine Kompetenz etwa als Beobachter ist unbestritten. Sein Auftreten kommt dagegen nicht bei jedem gut an. A.R. macht keinen Hehl aus seiner Meinung. Wenn ihm etwas nicht passt, dann sagt er das.
Dem Abendblatt liegen lange E-Mail-Wechsel vor. Dort wird A.R. regelmäßig von unterschiedlichen Funktionären und Ex-Funktionären des KSA und KFV dazu aufgefordert, sich loyaler zu verhalten. Im Februar 2018 spricht der KSA wegen wiederholter Verfehlungen einen Verweis gegen A.R. aus. Der damalige KFV-Chef Jörg Lembke, heute Bürgermeister von Bad Oldesloe, betrachtet den Verweis als angemessen, hebt ihn aber wieder auf und schaltet den Gewaltpräventionsbeauftragten ein, um die Differenzen auszuräumen.
Nach nur drei Monaten Zusammenarbeit ist Schluss
Julian Weigert holt 2019 mit seinem Amtsantritt als KSA-Chef A.R. in das Gremium. Man will zusammenarbeiten. Der Burgfrieden währt nur kurz. Nach drei Monaten entbindet Weigert A.R. von allen Aufgaben. Begründung: Letzterer soll Weigert als Vorsitzenden nicht akzeptiert und auf Sportplätzen Stimmung gegen ihn gemacht haben. Verbandsintern erfährt Weigert Zustimmung. Es gibt aber auch Schiedsrichter-Kollegen, die sein Vorgehen als überzogen empfinden.
2020 versucht man erneut, an einem Strang zu ziehen. Nach einer KSA-Sitzung, bei der das in dieser Woche zurückgetretene Quartett sowie Süpke und A.R. anwesend sind, wird im Protokoll festgehalten: „Insbesondere wird nur noch direkt miteinander kommuniziert. Interna werden vertraulich behandelt; Insiderwissen darf nicht missbraucht und weitergegeben werden. Entscheidungen, die man persönlich gegebenenfalls nicht gutheißt, jedoch von der Mehrheit beschlossen werden, werden nach außen integer vertreten. Hier ist politisches Auftreten gefragt.“ In diesen Punkten habe sich der KSA einstimmig festgelegt.
Nach Suspendierung legt Alt-Schieri Beschwerde ein
Es dauert etwa einen Monat, da berichtet ein anderer Schiedsrichter von „KSA-feindlichen Äußerungen“ durch A.R. Dieser bestreitet die Vorwürfe. Doch das Tischtuch ist nun endgültig zerschnitten. Immer wieder kommt es zu weiteren Konflikten. Im August 2021 dann der Knall: A.R. wird durch Lehrwart Zesch von der Schiedsrichterliste gestrichen und darf keine Spiele mehr pfeifen. Anhand zahlreicher Verfehlungen ergebe sich der Gesamteindruck einer charakterlichen Nichteignung, heißt es in der Begründung. A.R. legt über einen Rechtsanwalt Beschwerde ein. Der Fall wird schließlich an den übergeordneten Schleswig-Holsteinischen Fußball-Verband (SHFV) weitergereicht.
Damit endet der Streit jedoch keineswegs. Es beginnt vielmehr das nächste Kapitel. Denn der SHFV lässt mit seiner Entscheidung auf sich warten. In Stormarn wird man ungeduldig, weil der Kreistag mit seinen Wahlen näher rückt. Und für den Fall, dass der SHFV das Verhalten von A.R. toleriere, wolle man das Ehrenamt nicht weiter ausüben, heißt es von den beteiligten Funktionären. Zugespitzt formuliert: A.R. oder wir.
Landesverband braucht sieben Monate für Entscheidung
Sieben Monate passiert nichts, abgesehen davon, dass in Stormarn der Unmut über den Dachverband wächst. Dann endlich die Entscheidung vom SHFV: A.R. darf wieder pfeifen. Die Streichung von der Schiedsrichterliste sei formell rechtswidrig gewesen. Weil A.R. zum Zeitpunkt des Beschlusses als Schiedsrichter-Beobachter des SHFV eingesetzt war, hätte eine solche Entscheidung nur der SHFV fällen können – nicht aber der KSA in Stormarn. Auf die inhaltlichen Vorwürfe gegen A.R. geht der SHFV nicht ein.
Weigert, Kraußer, Zesch und Böck ziehen sofort ihre Konsequenzen. In der E-Mail mit der Rücktritts-Verkündung kritisiert der bisherige KSA-Vorsitzende Weigert den SHFV: „210 Tage, um einen aus unserer Sicht fraglichen Verfahrensfehler aufzuzeigen. Eine weitere Verfolgung der Unsportlichkeiten scheint nicht angestrebt zu sein, sodass die vorliegenden Unsportlichkeiten durch den SHFV legitimiert wurden.“ Man fühle sich im Stich gelassen. „Solch ein Verhalten hat nichts mit Wertschätzung des Ehrenamtes zu tun und ist beschämend für den SHFV. Dieser Sachverhalt hat uns müde gemacht. Wir waren ein Team aus jungen Ehrenamtlern, die langfristig interessiert waren, den Fußball beziehungsweise das Schiedsrichterwesen in Stormarn zu fördern. Der Spaß am Ehrenamt geriet immer weiter in den Hintergrund und Bauchschmerzen, die ins Privatleben mitgetragen wurden, dominierten unseren (Fußball-)Alltag.“
KFV-Vorsitzender hält sich erneute Kandidatur offen
A.R. möchte sich gegenüber der Presse nicht äußern. Hört man sich in Stormarns Fußballlandschaft um, gehen die Bewertungen über diesen Eklat auseinander. Als Teil eines Gremiums habe man sich nun mal stets loyal zu verhalten, sagen die einen. Zur Arbeit beim KSA und KFV gehöre, andere Meinungen zuzulassen, meinen die anderen. Die Schuld an dem Streit trage nicht eine Partei allein, finden viele.
KFV-Chef Süpke reagierte bestürzt auf die jüngste Entwicklung: „Das ist ein trauriger Tag für den Kreisfußballverband Stormarn und das Schiedsrichterwesen.“ Zu seiner eigenen Zukunft sagte er dem Abendblatt: „Ich habe Spaß an der Tätigkeit. Aber ich muss überlegen, ob ich noch Repräsentant und Sprachrohr aller 41 Stormarner Vereine sein kann, wenn der SHFV ein solches Verhalten akzeptiert und duldet.“
Während Süpke sich offenhält, ob er noch einmal antritt, hat sich ein Kandidat für den KSA-Vorsitz offenbar bereits gefunden: A.R.