Reinbek. Frank Regener spielt leidenschaftlich gern das schottische Instrument und soll damit auch schon Wölfe vertrieben haben.

Das Publikum hat Frank Regener in den vergangenen zwei Jahren gefehlt: Der leidenschaftliche Dudelsackspieler wurde während der Pandemie gerade einmal für drei Trauerfeiern gebucht. „Zum Glück muss ich nicht davon leben“, sagt der Chef eines Reinbeker PC-Services. „Da haben die Profi-Musiker und -Künstler mein volles Mitgefühl.“ Jetzt ist der 60-Jährige dabei, seine Kondition wieder aufzubauen. Er übt sehr gern in der Feldmark zwischen Ohe und Silk, um auch wieder auf Feiern für Hochzeiten oder runde Geburtstage für Stimmung zu sorgen.

Ihm kommen hier nur lächelnde Spaziergänger entgegen: „Schön gespielt“, heißt es dann, Radfahrer zeigen „Daumen hoch“. Die Schönningstedterin Ingrid Aermes bittet ihn, etwas für sie zu spielen: „Wir waren in Schottland und ich liebe diese Musik so“, erzählt sie. Frank Regener kommt der Bitte gern nach, auch wenn dies dem Hund von Ingrid Aermes nicht geheuer ist. Das kennt Frank Regener schon: „Wenn mir jemand mit Hund oder Pferd entgegenkommt, höre ich sofort auf zu spielen.“ Diese seien entweder vollkommen entspannt oder komplett verängstigt. „Eine Passantin hat mir einmal erzählt, dass zwei Wölfe hier vor mir geflohen seien“, berichtet er. Auch der zuständige Jäger und die Landwirte der Umgebung kennen ihn bereits.

Dudelsack so laut wie ein startendes Flugzeug

Ob „Highland Cathedral“, „Amazing Grace“ oder „Flower of Scotland“ – die Melodie, die so einer Bagpipe, also strenggenommen der Sackpfeife, entweicht, kann 120 Dezibel erreichen. „So viel wie ein startendes Flugzeug“, erläutert Frank Regener gut gelaunt. In Innenräumen trägt er beim Spielen stets Ohrstöpsel. Und seine Frau und seine Kinder, die sich nie so für sein Instrument erwärmen konnten, sind dankbar, wenn er zum Üben in die Feldmark geht. Etwa dreimal die Woche zieht es ihn dorthin – nur bei trockenem, schönen Wetter und nicht immer im Kilt.

Auch interessant

Auch interessant

Bei seinen Auftritten gehört die traditionelle Kluft selbstverständlich dazu: Sein Kilt, dessen Muster zu keinem Clan gehört. Denn ansonsten hätte seine ehemalige Band die „German Flatland Pipers“, den entsprechenden Clan um Einwilligung bitten müssen. Die Kiltnadel mit Wappen, die Flashes (Strumpfhalter) an den Kiltsocken, das Messer an der rechten Wade und die traditionell geschnürten Schuhe machen das Bild perfekt. Um den Bauch trägt er den Sporran früher als Schutz, heute eher als Herrenhandtasche, dazu Weste, Hemd und Krawatte, auf dem Kopf den Glengarry, das Schiffchen.

Angefangen hat seine musikalische Karriere 2009 aus einer Schnapslaune heraus. Fasziniert habe ihn die Dudelsackmusik zwar schon als Kind, doch er sei nicht besonders musikalisch gewesen. „Als meine Tochter begann, Blockflötenunterricht zu nehmen, habe ich ein bisschen mitgespielt“, berichtet er. Als diese dann zur Gitarre wechselte, fragte seine Frau, ob er nun auch dieses Instrument spielen wolle. Seine Antwort: „Eher lerne ich Dudelsack!“ Damals ahnte er noch nicht, was er alles an Schmerzen und Geduldsproben auf sich nehmen sollte.

Dudelsackspieler brauchen drei- bis viermal mehr Luft als zum Trompetespielen

Dann begann er mit dem Übungschanter, der einer Blockflöte ähnelt. „Zuerst spielt man nur Tonleitern rauf und runter und übt die Verzierungsnoten“, erinnert er sich. Denn bis man den Dauerton erzeugen könne, indem man den Sack mit Luft aufbläst und mit dem rechten Arm aus den Drones, den drei Bordunpfeifen, herausdrücken kann, dauert es. „Man braucht drei- bis viermal mehr Luft als zum Trompetespielen“, erklärt der 60-Jährige. Die Melodie entstehe aus dem Spiel auf dem Chanter, der Melodiepfeife. Alles erfordere viel Koordination. Auch in den Lippen brauche man Kraft, um das Mundstück zu halten.

Am Ansatz der Drones stecken die Reeds, kleine Bambusplättchen, die durch die Luft zum Schwingen gebracht werden, ähnlich dem Blatt einer Klarinette. Das Holz der Pfeifen ist aus 60 Jahre abgelagertem Schwarzholz aus Afrika, der Sack mittlerweile aus Goretex, nicht mehr aus Schafsleder. „Das stinkt nach Ziegenstall, das will kein Mensch“, erzählt Frank Regener vergnügt. So ein Instrument koste heute schon um 1400 Euro, der Übungschanter, der auch wesentlich leiser sei, etwa 50 Euro.

Das kleine Bambusblatt am Ansatz der Flöte ist das Herzstück.
Das kleine Bambusblatt am Ansatz der Flöte ist das Herzstück. © Unbekannt | Susanne Tamm

Als Autodidakt komme man schnell an seine Grenzen, berichtet der Hobby-Musiker. Er habe schließlich Lehrer bei dem Baul Muluy, einer von vier Hamburger Dudelsackbands, gefunden. Die konnten ihn dann auch beruhigen, dass das normal sei mit dem Muskelkater in den den Lippen oder Fingern oder mit monatelangem Kopfschmerz durch den Unterdruck. Ein- bis eineinhalb Jahre habe es gedauert, bis es „Klick“ gemacht habe, und er eine Melodie spielen konnte. 90 bis 95 Prozent aller Anfänger würde aufgeben. Aber warum hält ein „Piper“ das durch? Frank Regener grinst. „Wir sind wohl alle ein bisschen verrückt“, stellt er fest. „Aber es treibt mich an, dass die Musik die Leute glücklich macht. Das ist so eine Freude.“

Mehr unter Mac-Frank.de