Helgoland. Von einst sieben Backstuben auf der Insel ist nur noch eine übrig. Doch nun macht auch die letzte Bäckerin des Eilands Schluss.
Der Ofen ist aus. Und damit war‘s das wohl mit frischen Brötchen auf der Nordseeinsel Helgoland. Touristen wie Einheimische dürften jedenfalls gleichermaßen getroffen von der Nachricht sein, dass auf Deutschlands einziger Hochseeinsel die Inselbäckerei zum Jahresende schließen wird. Es ist die letzte verbliebene Backstube des Eilands. Und nicht nur die Inselverwaltung fragt sich: Und nun? Was tun?
Bürgermeister Torsten Pollmann ist zumindest nicht unvorbereitet und hofft auf ein ähnlich gutes Ende wie für die Inselapotheke. Dort hatte Anika Schwarzmann, gebürtige Süddeutsche und Apothekerin aus Leidenschaft, im letzten Moment den Notruf von der Insel erhört. Sie wird im Frühjahr gemeinsam mit ihrer Familie nach Helgoland kommen und die Apotheke übernehmen.
Bäckerei Helgoland: 1969 übernahm Wilfried Meier das Geschäft seiner Eltern
Auch bei der Backstube könnte sich Geschichte wiederholen: Vor etwa 15 Jahren stand die Insel-Bäckerei schon mal vor einem ähnlich traurigen Aus. Damals hieß der Bäcker noch Wilfried Meier. Die Kunst des Brotbackens lag ihm im Blut und die Erinnerung an den Duft aus vielen Backstuben war stark: Als der kleine Wilfried 1932 auf Helgoland geboren wurde, gab es noch sieben Backstuben auf der Insel. Wenig später zerstörte der Krieg das quirlige Inselleben - und mit ihm die Bäckereitradition Helgolands.
1959 gehörten Henny und Bäckermeister Wilhelm Meier, die Eltern von Wilfried, zu den Ersten, die wieder neue Geschäfte auf Helgoland gründeten. Wilfried selbst verschlug es damals auf eine ostfriesische Insel. Er arbeitete auf Norderney, natürlich ebenfalls als Bäcker. Ein Kollege brachte die Idee von Helgoland mit, künftig auf der Insel anzuheuern. Es bedurfte vieler Schnäpse und unruhiger Nächte, um den gebürtigen Helgoländer wieder auf Kurs mitten in die Nordsee zu bringen.
Nordseeinsel: Vorgänger fand erst mit 79 Jahren einen Nachfolger - Holger Hamann
Im Mai 1969 begann das Abenteuer Selbstständigkeit für Wilfried Meier. Er investierte in die Technik der Backstube und die zwei Verkaufsfilialen im Ober- und Unterland. In den 70er-Jahren krempelte er die Inselbäckerei kräftig um und revolutionierte das Backen. Sein Rezept damals laut einem Bericht der „tageszeitung“: „Gutes Mehl nehmen, dem Teig Ruhe geben.“ Meier lagerte die Brötchen über Nacht kühl, verlangsamte dadurch die Gärung und sorgte damit dafür, dass der Geschmack des Teigs sich weiter entfalten konnte.
Die Kühlanlage war die nächste große Investition, die bewältigt werden musste. Gebacken wird in einer Backstube im Gewerbegebiet am Hafen. Eine gute Logistik ist das A und O für die Bäckerei. Denn die Waren kommen nur, wenn die Schiffe auch fahren. Also muss stets genügend Hefe und Mehl auf der Insel lagern.
Helgolands Bürgermeister überredet die Inselbäckerin, bis Jahresende weiterzumachen
Das Geschäft und Meiers Rezepte übernahm 2011 dann Holger Hamann, der „Europäer“, wie ihn die Helgoländer nannten, weil er sich so international gab. Er managte auf dem Festland mehr oder weniger erfolgreich einige Unternehmen und kam nur als Lenker des Betriebs auf die Insel. Hamann hatte keine Erfahrung mit dem Handwerk.
Wilfried Meier lehnte anfangs den Verkauf an Hamann ab. Schließlich einigten sich die Männer aber doch auf eine Übergabe. Meier bot sogar noch für ein Jahr seine Beraterdienste an. Doch konnte er das wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten nicht mehr erfüllen. Wilfried Meier starb 2013.
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Hamanns Fernlenkung der Bäckerei scheiterte nach wenigen Jahren ebenfalls. Schließlich übernahm die Konditorin Marita Beitz aus Itzehoe, die schon 2005 unter Wilfried Meier begonnen hatte. Doch jetzt, nach zehn Jahren als alleinige Inselbäckerin, kann und mag sie nicht mehr, wollte eigentlich auch schon vor dem Jahresende schließen. Bürgermeister Pollmann und andere überzeugten sie schließlich, wenigstens bis Ende 2024 zu verlängern.
Einen Kommentar gibt es von der möglicherweise letzten Inselbäckerin zu ihrem Ausstieg nicht. Unzählige Anrufe und Mails blieben bisher unbeantwortet. Fakt ist aber: So langsam gehen die Lichter in der Backstube aus. Bürgermeister Pollmann, Bürgervorsteher Gunter Nagel und ihre Mitstreiter hoffen nun, das Ruder in letzter Sekunde noch herumzureißen zu können. Der Ausgang dieses Unterfangens ist aber ungewiss.