Elmshorn/Flensburg. Heranwachsender wollte mit Lkw viele Menschen töten, hat sich immer stärker radikalisiert. Staatsanwaltschaft nennt erste Hintergründe.

Nachdem ein Schüler aus Elmshorn im Kreis Pinneberg wegen akuten Terrorverdachts festgenommen worden ist, hat die zuständige Staatsanwaltschaft in Flensburg am Dienstag weitere Details veröffentlicht. Wie berichtet, wurde der 17 Jahre alte Heranwachsende bereits am 6. November in der elterlichen Wohnung festgenommen. Unter anderem soll er aus seinem Kinderzimmer heraus einen Terroranschlag geplant haben.

Demnach hat der Teenager, der seit dem 7. November in der Jugendhaftanstalt Schleswig einsitzt, sich zuletzt immer stärker radikalisiert, folgte einer islamistisch-extremistischen Einstellung. Offenbar wollte er einen Lkw nutzen, um so viele Menschen wie möglich zu töten.

Terror aus dem Kinderzimmer: Ermittler überwachen acht Monate die Kommunikation

Den Angaben nach befand sich der Heranwachsende seit März im Visier der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein. Zuvor soll es einen Hinweis eines amerikanischen Geheimdienstes an das Bundeskriminalamt gegeben haben, letztlich übernahmen die Kollegen in Schleswig-Holstein die Ermittlungen.

Mehr als sechs Monate lang sollen sie die Kommunikation des Jugendlichen, der in Deutschland geboren ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, mitverfolgt haben. Die Internetseiten, die er besuchte, die Chats, die Gespräche, die er führte – alles lasen oder hörten die Ermittler mit.

Dabei wurde immer deutlicher, dass sich der Elmshorner immer stärker mit radikalen Ansichten identifizierte. Und laut Angaben von Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt mündete „die islamistisch extremistische Einstellung des Beschuldigten in hinreichend konkreten Anschlagsplänen“.

Radikalisierter Elmshorner lebt mit Mutter und Geschwistern zusammen

Daraufhin schlugen Polizeikräfte bereits am 6. November zu. Ein Großaufgebot fuhr vor dem kleinen Mehrparteien-Haus in einer Mehrfamilienhaussiedlung am Rande Elmshorns vor, wo der 17-Jährige mit seiner Familie lebt. Die Eltern des Jungen stammen aus der Türkei, der Vater soll Mitte Oktober verstorben sein. Die Mutter spricht offenbar nur sehr wenig Deutsch, es soll noch weitere Geschwister geben.

Offenbar sollte in dem Anschlagszenario, das der Jugendliche in seinem Kinderzimmer mit seinen ausländischen Chatpartnern ausarbeitete, ein Lkw als Mordwaffe dienen. Ein solches Szenario war bereits im Dezember 2016 in Berlin angewandt worden, als der islamistische Terrorist Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz 13 Menschen tötete, mehr als 70 zum Teil schwer verletzte.

Anschlag auf Weihnachtsmarkt? So weit waren die Pläne des Schülers wohl nicht

Laut Bericht der Bild-Zeitung sollte ein Weihnachtsmarkt Ziel des Anschlags sein. Das bestreitet jedoch Oberstaatsanwalt Winterfeldt. Nach seinen Worten war lediglich die Rede von einer „größeren Menschenmenge“, die der Teenager ins Visier nehmen wollte. Dafür sollte der 17-Jährige offenbar einen Klein-Lkw der Transporter-Klasse stehlen und diesen dann in eine Ansammlung von Personen steuern. Genauer waren die Anschlagspläne wohl noch nicht fortgeschritten.

Daher bleibt zunächst auch unklar, ob der Jugendliche den Anschlag in seiner Heimatstadt Elmshorn ausführen wollte. Den dortigen Weihnachtsmarkt, der Lichtermarkt heißt und am 25. November eröffnet wird, hätte er wohl ohnehin nicht ins Visier nehmen können. Dort werden seit dem Anschlag von Berlin die Zugänge durch mit Wasser gefüllte Big Packs gesichert. Allerdings gäbe es diverse andere mögliche Ziele in der Stadt, wo ein derartiger Anschlag viele Personen treffen könnte.

Nach Anschlagsplan: Amtsgericht erlässt Haftbefehl gegen Jugendlichen

Bei dem Deutschtürken soll es um einen radikalisierten Einzeltäter handeln, er hatte in seinem direkten Umfeld offenbar keine Unterstützer. An der Identifikation der Personen, mit denen er sich via Chats austauschte, arbeiten die Ermittler noch. „Wir sind da dran“, bestätigt der Oberstaatsanwalt. Dabei befänden sich auch „Personen aus dem Ausland“ im Visier der Ermittler. Derer habhaft zu werden, könne sich jedoch schwierig gestalten. Näheres zu möglichen Komplizen will Winterfeldt nicht mitteilen.

Am 7. November hat das für schwerere Staatsschutzdelikte zuständige Amtsgericht Flensburg gegen den Elmshorner einen Haftbefehl erlassen. Ihm wird die Planung einer schweren staatsgefährdenden Straftat und die Verabredung zu einem Verbrechen, genauer gesagt zum Mord, vorgeworfen. Er selber soll sich laut Abendblatt-Informationen nicht zu den Vorwürfen eingelassen haben.

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Der Elmshorner sitzt seit knapp einer Woche in der Jugendhaftanstalt in Schleswig. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Flensburg, die landesweit für Staatsschutzdelikte mit erheblicher Tragweite zuständig ist, und dem Landeskriminalamt Schleswig-Holstein dauern an. Laut Staatsanwaltschaft wird gegen den Heranwachsenden das Jugendstrafrecht angewandt.

Nach der Festnahme des Elmshorners hat Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) klargestellt, dass ein Weihnachtsmarkt laut aktuellem Ermittlungsstand nicht das Ziel des Teenagers war. „Wir haben keine Erkenntnisse, dass es sich um einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt handelt“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag in Kiel. „Das will ich ganz deutlich sagen.“

Innenministerin stellt klar: Kein Anschlag auf Weihnachtsmarkt geplant

Im konkreten Fall hätten die Ermittlungsbehörden einen Hinweis bekommen, hätten den 17-Jährigen aber auch selbst beobachtet, sagte Sütterlin-Waack. „Wir sind gelegentlich abhängig von ausländischen Diensten.“ Sie fügte hinzu: „Wir würden uns freuen, wenn unsere Ermittlungsbehörden noch weitere Befugnisse bekommen würden, auch im Zusammenhang mit Ermittlungen in derlei Straftaten.“

Der Pinneberger SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner hat zu dem Fall ebenfalls Stellung bezogen. „Es ist gut, dass es gelungen ist, den Verdächtigen in Elmshorn festzunehmen, bevor etwaige Anschlagspläne zur Umsetzung kommen konnten.“

Ralf Stegner (SPD): Kommunen tun alles, um auf mögliche Gefahrenlagen vorbereitet zu sein

Und weiter: „Wir wissen natürlich, dass es auch in Schleswig-Holstein zu solchen Szenarien kommen kann. Und es gilt selbstredend, die Ermittlungen abzuwarten. Trotzdem ist es bedrückend, konkret zu sehen, dass ein Attentat auf unsere friedliche Gesellschaft quasi vor der eigenen Haustür geplant werden kann.“ Er selbst habe „keinen Zweifel, dass in Elmshorn und überall bei uns im Norden Kommunen und Behörden alles tun, um auch auf mögliche Gefahrenlagen vorbereitet zu sein.“