Heist. Mehr als 300 Jahre alter Betrieb steht vor einem Führungswechsel im Januar. Wie das in Zeiten von Restaurantpleiten gelingt.
Auf dem Land kämpfen die Dorfgasthöfe ums Überleben. Oft fehlen mutige Nachfolger, die bereit sind, auch körperlich an ihre Grenzen zu gehen. In Neuendeich suchen die Betreiber der legendären Aal-Kate seit mehr als einem Jahr nach kreativen Neu-Startern. Für den mehr als 300 Jahre alten Lindenhof in Heist ist die Zukunft geregelt.
Seit 1986 lenken Henning und Dörte Brügmann das traditionsreiche Lokal, zu dem auch ein kleiner Hotelbetrieb gehört. „Du mogst datt nu!“ Mit diesen Worten hatte Brügmanns Vater dem Jüngsten der drei Söhne den Betrieb in den 80er-Jahren übergeben. Doch so einfach ist das heute nicht mehr zu regeln.
Langjähriger Koch übernimmt die Regie im traditionsreichen Lindenhof in Heist
Deshalb haben sich die Eheleute schon seit Langem damit beschäftigt, wie es weitergehen kann, wenn die beiden Gastronomen aus Überzeugung und Leidenschaft in einen neuen Lebensabschnitt wechseln. Mit dem langjährigen Koch Thomas Haack ist ein Partner gefunden worden, den Henning und Dörte Brügmann kennen und dem sie vertrauen.
Der Übergang soll „möglichst reibungslos“ verlaufen. Haack und Henning Brügmann arbeiten seit fast drei Jahrzehnten zusammen. Deshalb werden die Gäste kaum schmecken, wenn der alte Kapitän in der Küche die Brücke verlässt und der neue künftig alles allein verantwortet.
Am 18. Januar 2025 ist für Dörte und Henning Brügmann Schluss
Am 18. Januar ist es so weit. Familie Brügmann wird dann ein wenig auf Abstand gehen und sich in ihr Ferienhaus an der Nordseeküste zurückziehen. Ab diesem Tag liegt die Verantwortung allein bei Thomas Haack. Ihm zur Seite steht dann für den Service seine Lebenspartnerin Kendra Hachmann.
Der neue Chef vom Lindenhof erinnert sich noch genau an seinen ersten Arbeitstag, denn am 23. April 1995 boxte Axel Schulz gegen George Foreman in Las Vegas um die WM – und verlor umstritten. Haack, der in Anklam geboren und in Ueckermünde Koch gelernt hat, gewann an diesem Tag. „Ich bin wie in einer Familie aufgenommen worden“, erzählt der heute 51-Jährige.
Thomas Haack und Partnerin werden Küche und Service wie gewohnt weiterführen
Grundsätzlich will der Neue mit der von Henning Brügmann geprägten gutbürgerlichen, deutschen Küche alles so weiterführen, wie es die Gäste gewohnt sind. Auch Partnerin Kendra Hachmann ist ein vertrautes Gesicht im Lindenhof. Sie hat seit acht Jahren regelmäßig ausgeholfen. Jetzt gibt die gelernte Reiseverkehrskauffrau ihren lieb gewonnenen Job als Mitarbeiterin im Kirchenbüro Pinneberg-Waldenau auf und steigt voll in den Service ein.
Beide Neulinge auf dem Chefposten wissen um den Wert eines Dorfgasthofs, der nicht nur in Heist der kulturelle Mittelpunkt des Gemeindelebens ist. So soll es auch bleiben mit Familienfeiern und Veranstaltungen auf dem großen Saal oder in den kleineren Clubräumen. Gemeinde und Vereine nutzen gern den Lindenhof.
Erinnerungen an 300 Jahren Geschichte: Als die Sänger die Hebamme begleiteten
So werden ab 18. Januar neue Geschichten geschrieben. Mit einem Schmunzeln erzählt Henning Brügmann, wie er dereinst in den Privaträumen auf die Welt kam, begleitet von vielen Stammgästen. Denn wie gewohnt hatten die Sänger ihren Liederabend im Lindenhof, während oben bei Mutter Brügmann die Wehen einsetzten. Damit die per Telefon alarmierte Hebamme aus Uetersen auch den richtigen Weg fand, hatten sich die Sänger an allen Straßenecken postiert und geleiteten sie so sicher zu ihrer Arbeit.
Das ist eine von vielen Geschichten aus der wunderbar aufbereiteten Chronik des Lindenhofs, dessen Gründung mit 1691 angenommen wird. Ab 1890 gibt es Nachweise, dass der Lindenhof auch als Gastwirtschaft zugelassen war. Als die Schule um 1900 abbrannte, wurden die Kinder in der Gaststube unterrichtet. Noch bis 1969 nutzten Schule und Vereine den Saal für Sportunterricht.
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Wer mit Dörte und Henning Brügmann nun noch ein wenig plaudern will, muss sich sputen. Denn der Countdown bis zum Abschied Mitte Januar läuft. Die Eheleute haben sich auch ganz fest vorgenommen, nicht wie es früher üblich war, als altersweise Gastronomen immer noch mal ins Geschehen einzugreifen. Das müssen die Neulinge nun allein bewältigen.
Wer auf ein Fest für den Generationenwechsel hofft, muss sich noch ein wenig gedulden. Das soll im Sommer bei schönem Wetter gefeiert werden. Auch dafür wird ohne Hektik ganz in Ruhe geplant.