Kreis Pinneberg. Urabstimmung der Angestellten im Omnibusverband Nord (OVN): Sie wollen den Arbeitskampf. Das kommt ab Dienstag auf Fahrgäste zu.

Busnutzer im Norden müssen sich auf harte Zeiten einstellen: Bereits ab diesem Dienstag, 5. November, droht ein unbefristeter landesweiter Streik der Busfahrer privater Unternehmen, unter anderem bei der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP). Bei einer Urabstimmung der Beschäftigten im Omnibusverband Nord (OVN) hat sich eine überwältigende Mehrheit der Busfahrer für den Arbeitskampf ausgesprochen.

Laut Gewerkschaft Ver.di sind somit unbefristete Streiks ab Dienstag auch im Kreis Pinneberg sowie dem Hamburger Umland und auch im Nahverkehr der Hansestadt möglich. Sie sollen zuvor nicht angekündigt werden: „Damit dürfte auch dem letzten der Arbeitgeber klar sein, dass alle Versuche, die Beschäftigten in den Busunternehmen als Sparinstrument zu missbrauchen, krachend gescheitert sind“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Sascha Bähring am Montag während einer Pressekonferenz in Kiel.

HVV: Dauerstreik in Hamburg und Umland möglich - 98,63 Prozent der Busfahrer votieren dafür

In der Urabstimmung hatten sich 98,63 Prozent der Beschäftigten für unbefristete Streiks ausgesprochen. „Das ist mehr als eindeutig“, sagte Bähring. Nach Gewerkschaftsangaben sind damit ab sofort zeitlich wie räumlich unbefristete Streiks möglich – auch aus dem laufenden Verkehr hinaus.

Ver.di-Sprecher Frank Schischefsky sprach auf Abendblatt-Anfrage von einem historischen Abstimmungsergebnis. „Mir ist kein Fall einer derart hohen Zustimmung bekannt. Das zeigt, wie sauer unsere Mitglieder sind.“ 1900 Busfahrer seien zur Abstimmung aufgerufen gewesen. Schischefsky: „Das Ergebnis ist ein mehr als deutliches Signal.“

Zum privaten Bussektor gehören die Kreise im Land und auch die Autokraft. Nur die vier großen kreisfreien Städte sind ausgenommen. Im OVN sind rund 80 private Omnibusunternehmen mit etwa 1.700 Bussen zusammengeschlossen, darunter auch die Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP) mit 160 Mitarbeitern und 60 Bussen.

Verkehr Pinneberg: KViP fährt auf 23 eigenen Linien im Kreis

Die KViP fährt direkt auf 23 Linien im Kreis, den Stadtbusverkehr in Elmshorn mitgerechnet. Außerdem bedient das Unternehmen Fahrten auf mehreren Linien der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), die bei einem Arbeitskampf ebenfalls ersatzlos ausfallen. Die VHH selber ist nicht betroffen, dort gilt ein Haustarifvertrag.

Hintergrund ist ein geplatzter Tarifvertrag für die Beschäftigten privater Busunternehmen. Ende September hatte der Omnibusverband den Tarifabschluss für die Beschäftigten widerrufen und dies unter anderem mit der Streichliste der schwarz-grünen Landesregierung begründet, die auch den Nahverkehr betrifft.

Im Anschluss begann eine sogenannte Erklärungsfrist. Sie wird beispielsweise benötigt, falls die Gewerkschaft ihre Mitglieder über die mögliche Annahme des Tarifkompromisses befragt. Am letzten Tag dieser Erklärungsfrist hatten die Arbeitgeber ihre Zustimmung zurückgezogen. Seitdem waren keine neuen Verhandlungen mehr gefolgt.

Neuer Tarifvertrag wäre rückwirkend zum 1. Juli in Kraft getreten

Ver.di hatte nach dem Rückzug der Arbeitgeber bereits sechs ganztägige Warnstreiks im Oktober organisiert. Streiktage waren der 10., 11., 14., 15., 16. und 17. Oktober. Die KViP war davon vier Tage lang betroffen – und zwar am 10. und 11. sowie am 15. und 16 Oktober.

Der neue Tarifvertrag hätte rückwirkend zum 1. Juli 2024 in Kraft treten und Gültigkeit bis zum 30. Juni 2026 haben sollen. Zunächst hätten zwölf Leermonate gegolten, dann wären zum 1. Juli 2025 und 1. Februar 2026 Lohnerhöhungen von jeweils 137,50 Euro gefolgt. Auch eine Inflationsausgleichsprämie, zahlbar noch 2024, in Höhe von 850 Euro gehörte zu der Einigung.

Nach Ankündigung der Urabstimmung: Kein Kontakt zwischen Ver.di und OVN

Nach dem letzten Streiktag im Oktober hatte Ver.di angekündigt, in die Urabstimmung zu ziehen und das Ergebnis am 4. November bekanntgeben zu wollen. „Eine Kontaktaufnahme seitens der Arbeitgeberseite ist in der Zeit nicht erfolgt“, betont Schischefsky. Erst am heutigen Montag habe der Arbeitgeber sich gemeldet und verkündet, wieder mit der Gewerkschaft reden zu wollen.

Ver.di sieht den erzielten Abschluss als „Minimalstandard“, es sei deutlich Luft nach oben. „Wir haben Kollegen, die ihr ganzes Berufsleben in Wechseldiensten, an Wochenenden und nachts gefahren sind. Und die müssen nun am Ende ihres Berufslebens Bürgergerld beantragen, weil die Entgeltpunkte nicht ausreichend sind“, so der Ver.di-Sprecher.

Für die OVN-Beschäftigten bestehe dringender Nachholbedarf. „Wir kämpfen auch dafür, dass es überhaupt noch einen ÖPNV in Schleswig-Holstein gibt, so deutlich muss man das sagen“, betont Schischefsky. Schon jetzt würden gerade im ländlichen Bereich viele Fahrten ausfallen, weil es nicht mehr genügend Busfahrer gibt. Angesichts der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen fehle es an Nachwuchs.

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„Die Leute setzen sich lieber im Supermarkt an die Kasse als hinters Lenkrad eines Busses“, so der Ver.di-Sprecher weiter. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müsse eine faire Bezahlung der Busfahrer Einzug halten, sonst implodiere das System.

„Unser Ziel ist es, möglichst viel Druck auf die Unternehmen auszuüben“, so Schischefsky weiter. Leider sei es unumgänglich, dass darunter die Fahrgäste leiden müssten. Um nicht ausrechenbar zu werden, würden Streikmaßnahmen nicht mehr vorher kommuniziert. Auch würden keine Notdienstvereinbarungen mehr mit der Arbeitgeberseite abgeschlossen, etwa für Schulbusverkehre.

Notdienste etwa für Schülerverkehre seien missbraucht worden

„Diese Notdienste sind von den Arbeitgebern missbraucht worden“, so der Ver.di-Sprecher. Er empfiehlt den Fahrgästen, sich auf einen heißen Spätherbst einzustellen. In welcher Form, ab wann und wo gestreikt wird, dies wolle die Tarifkommission am Montagabend entscheiden.

Sie wird auch ein Votum abgeben, ob und wenn ja, zu welchen Bedingungen noch Gespräche mit der Arbeitgeberseite folgen sollen. „Wir wollen neue Streikmethoden ausprobieren“, kündigt der Ver.di-Sprecher an. Vorstellbar sei etwa, einzelne Linien von Unternehmen zu bestreiken. Auch sei denkbar, zu einem bestimmten Tageszeitpunkt alle Fahrzeuge auf die Betriebshöfe zurückzurufen und den Verkehr einzustellen.

Dauer-Streik möglich: Gewerkschaft will die Busunternehmen treffen

Schischefsky: „Wir wollen die Unternehmen treffen. Unser Ziel ist es außerdem, den Arbeitskampf möglichst schnell zu einem guten Ende im Sinne unserer Beschäftigten zu führen.“