Kreis Pinneberg. Warum eine Stadt landesweit die höchste Zuwachsrate hat – und welche Rollen ein Joker in der Nordsee und eine neue Strategie spielen.
Der Tourismus spielt auch im Kreis Pinneberg eine immer größere Rolle. Wie die neuesten Daten des Statistischen Landesamtes zeigen, hat sich die Zahl der Buchungen von Hotels und Ferienwohnungen im ersten Halbjahr 2024 kreisweit um 2,8 Prozent auf 342.577 Übernachtungen erhöht. Damit liegt Pinneberg vor den Kreisen Herzogtum-Lauenburg (336.136), Segeberg (330.867), Stormarn (168.86) und Steinburg (72.784).
Im Durchschnitt blieben die 132.000 Gäste genau 2,8 Nächte im bevölkerungsreichsten Kreis des Landes. Die Insel Helgoland ist mit ihren 112.962 Übernachtungen (plus 5,0 Prozent im Vergleich zu 2023) weiterhin das mit Abstand beliebteste Urlaubsziel im Kreis Pinneberg und so etwas wie der Insel-Joker bei der Vermarktung.
Tourismus im Kreis Pinneberg boomt: Warum Urlauber nach Barmstedt und Elmshorn kommen
Auf dem Festland hat die Stadt Elmshorn (53.942 Übernachtungen, plus 4,4 Prozent) längst Quickborn (42.347 Übernachtungen, minus 6,0 Prozent) den Rang abgelaufen. Die größte Steigerung mit 68,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet Barmstedt mit 13.378 Übernachtungen. Womit die kleinste Stadt des Kreises, die auch der einzige offizielle Erholungsort im Kreis Pinneberg ist, beinahe die viermal so große Kreisstadt Pinneberg (17.198 Übernachtungen, minus 7,3 Prozent) eingeholt hat.
„Diese tolle Entwicklung freut uns sehr“, sagt Bürgermeisterin Heike Döpke. „Der Tourismus ist uns wichtig. Wir möchten ihn gerne weiter ausbauen.“ Offenbar zeigten die Schlossinsel und der schöne Rantzauer See „große Strahlkraft nach außen“, freut sich Bürgermeisterin Döpke. „Denn die Leute bleiben offenbar länger hier in unserer schönen Stadt.“
Rekord: Nirgendwo im Kreis bleiben die Touristen länger als in Barmstedt
So hat sich die Aufenthaltsdauer der 3075 Übernachtungsgäste im Vergleich zum Vorjahr von 3,7 auf 4,4 Tage erhöht. Das ist kreisweit spitze und mehr als doppelt so lang wie in allen anderen Städten des Kreises. Selbst auf Helgoland sind es durchschnittlich nur 3,1 Tage je Gast.
„Barmstedt ist eine liebenswerte charmante Kleinstadt“, sagt Saskia Frantz vom Stadtmarketing. „Vom Tages- und Übernachtungstourismus profitieren auch andere Betriebe der Gastronomie- und Freizeitbranche und im Endeffekt alle Bürgerinnen und Bürger.“
Urlaub im Kreis Pinneberg: Hoteliers in Barmstedt und Umland treiben die Entwicklung an
Faik Kukulug, der seit acht Jahren das Hotel Seegarten direkt am Rantzauer See betreibt, bestätigt diese positive Entwicklung. „Wir haben in diesem Jahr eine deutliche Steigerung der Buchungen für unsere 16 Zimmer verzeichnet. Der Sommer war zu 90 Prozent voll.“ Kukulug macht dafür die verstärkte Eigenwerbung, eine neue Homepage, die vielen Stadtfeste und eine gute Mundpropaganda verantwortlich. Es seien auch vier Zimmer hinzugekommen. Viele Durchreisende aus Süddeutschland, Dänemark oder den Niederlanden machten hier gern Zwischenstation, sagt Kukulug.
Auch Alexander Erich vom Hotel Bokel Mühle, die zu dieser Steigerung ebenfalls beigetragen hat, ist „sehr zufrieden“, wie er sagt. „Unsere Gäste schätzen neben den individuellen Zimmern, die zum Teil mit freistehenden Badewannen, eigener Sauna, Dachterrasse und Außenbadewannen ausgestattet sind, den persönlichen Service, den wir als Boutique Hotel mit nur 42 Zimmern anbieten können.“ Zudem böte der Bokeler See „eine einmalige Lage“ mit dem historischen Seepavillon von 1914 und der „hervorragenden regionalen Küche mit saisonalen Spezialitäten“.
Hochzeitstourismus: Viele Paare lassen sich gern am Bokeler See trauen
Die Bokel-Mühle sei besonders bei Heiratswilligen beliebt, erklärt Erich. „Über 60 Brautpaare haben in diesem Jahr ihre Hochzeit bei uns am Bokeler See gefeiert.“ Zudem würde eine zunehmende Zahl an Firmen aus dem Kreis Pinneberg und Hamburg die Bokel-Mühle für Seminare und Team Building-Maßnahmen nutzen. „Mehr als 20 Unternehmen haben uns in diesem Jahr erstmalig gebucht.“
Auch die größte Stadt im Kreis, Elmshorn, werde offenbar immer beliebter für Firmen und Touristen, freut sich Bürgermeister Volker Hatje. „Der Bedarf wächst.“ Das Hotel Skarv mit seinen 81 Zimmern, das erst vor drei Jahren in Bahnhofsnähe eröffnet hat, habe daran großen Anteil. „Wir hätten in Elmshorn sogar noch Bedarf für ein weiteres Drei-Sterne-Hotel“, ist Hatje überzeugt. Er stehe bereits mit einigen Hotelketten in Kontakt, die zu gerne am Nordufer investieren möchten. „Da muss man sich als Stadt bewerben und den Bedarf nachweisen“, erklärt Hatje. „Das braucht aber eine längere Vorlaufzeit.“
Bürgermeister Voerste: Die Stadt Pinneberg könnte noch ein Hotel brauchen
Auch in der Kreisstadt Pinneberg werde trotz oder gerade wegen der rückläufigen Übernachtungszahlen auf den Tourismus wert gelegt, betont Bürgermeister Thomas Voerste. „Das Thema Tourismus ist auch für Pinneberg interessant. Wir profitieren von Tagesgästen aus der Metropolregion – insbesondere wegen unserer zahlreichen Großveranstaltungen und unserer schönen Naherholungsgebiete im Umland.“
Tourismus-Agenturen zählten aber in erster Linie Übernachtungen, weil sich das statistisch sehr viel besser erfassen lasse, so Voerste weiter. „Da sehen wir im Vergleich zu Städten wie Glückstadt und Barmstedt, die einen starken Fokus auf Tourismus legen, immer etwas schwächer aus.“ Auch sei der Bedarf an Beherbergungsbetrieben nicht ausreichend gedeckt, so Voerste weiter. „Das heißt: Wir könnten noch das eine oder andere gute Hotel vertragen. Da wir aber bald zwei Wirtschaftsförderer haben werden, bin ich überzeugt, dass das Thema Tourismus in Pinneberg deutlich Schub entwickeln wird.“
In Quickborn seien die Übernachtungszahlen nach einem enormen Anstieg in 2023 nun wieder auf einem Normalniveau angekommen, sagt Bürgermeister Thomas Beckmann. „Der Durchgangsverkehr auf dem Weg nach Dänemark scheint dabei leicht abzunehmen, während sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Quickborn erhöht. Es kommen also weniger Menschen nach Quickborn, aber diejenigen, die zu uns kommen, bleiben länger – auch, weil es hier richtig viel zu sehen gibt.“
Urlaub am Wasser oder auf dem Rad: Pinneberg verfolgt neue Tourismus-Strategie
Insgesamt will sich der Kreis Pinneberg künftig touristisch noch besser vermarkten, kündigt Kreissprecherin Katja Wohlers an. So soll im Oktober mit der Partner-Agentur Holstein-Tourismus eine neue Webseite vorgestellt werden, die den Kreis Pinneberg in ein schönes Licht stellt. Auch zahlreiche Veröffentlichungen in verschiedenen überregionalen Medien sind geplant. Beworben werden sollen darin vor allem die Nähe zur Elbe und die vielseitigen Möglichkeiten für Wassertouristen im Kreis Pinneberg, erklärt Katja Wohlers.
„Wasser erleben, Naturerlebnis, Kulinarik und regionale Produkte stehen im Vordergrund aller Aktivitäten. Dabei geht es im Wesentlich darum, die Menschen für eine Kurzreise in Holstein zu begeistern.“ Der Trendsport Radfahren, insbesondere das Radfahren am Wasser, zähle dabei zu den in der Strategie definierten „Leitprodukten“.
Tourismus: Vor allem diese Reisenden sollen angesprochen werden
Deshalb setze der Holstein Tourismus alles daran, die Bedingungen für Fahrradtouristen hier zu verbessern und passende Kurzreiseangebote zu entwickeln. Wichtige Voraussetzungen dafür seien eine neue Ausschilderung der Radwege im Kreis Pinneberg, die Betonung des Ochsenweges und des Elberadweges sowie die Verbesserung der Rastplatzsituation in Zusammenarbeit mit den Aktiv-Regionen. Insgesamt solle so auch die Wertschöpfung aus dem Tourismus in der Region gesteigert werden, erklärt die Kreissprecherin.
Dehoga-Kreisvorsitzender Christoph Dettling, der 100 Hotels und Gaststätten im Kreis Pinneberg vertritt, verspricht sich von der Holstein-Tourismus-Initiative auch viel für den Tourismus und die Naherholung im Kreis Pinneberg. „Das kann eine Win-Win-Situation für alle sein“, ist Dettling überzeugt, der selbst das Haselauer Landhaus in zwölfter Generation betreibt. „Dafür brauchen wir auch eine lebendige Gastronomie, die zurzeit wegen der höheren Mehrwertsteuer und den gestiegenen Lebensmittelpreisen zu kämpfen hat.“
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Hotelier Erich wünscht sich zudem, dass Straßenbaumaßnahmen verkürzt und besser abgestimmt werden mögen, „damit nicht Umleitung an Umleitung folgt.“ Zudem wäre eine höhere Innovationsbereitschaft vonnöten, wenn es um alternative Formen des Tourismus geht, wie zum Beispiel Tiny Houses oder Pfahl-Häuser am Bokeler See, fordert Erich. „Wenn wir Umwelt und Klima schützen und CO2 Emissionen senken und gleichzeitig die Jobmöglichkeiten im Kreis Pinneberg stärken möchten, wäre es hilfreich, dass Menschen nicht in andere Landkreise fahren oder gar ins Ausland fliegen müssen, um interessante Konzepte eines naturnahen Tourismus zu erleben.“
Insgesamt ist der Tourismus im Kreis Pinneberg noch sehr ausbaufähig. Landesweit führend sind natürlich die Nord-und Ostsee-Regionen. So zählte der Kreis Nordfriesland im ersten Halbjahr 2024 rund 4,2 Millionen Übernachtungen von etwa 750.000 Gästen und der Kreis Ostholstein 3,8 Millionen Übernachtungen von rund 850.000 Gästen. Diese beiden Kreise stellen fast 60 Prozent aller Übernachtungen in Schleswig-Holstein.