Pinneberg. An der Regio Klinik in Pinneberg und Elmshorn zeigt Kosmetikerin Anke Frahm von DKMS Life, wie sich Therapie-Spuren kaschieren lassen.
Weltweit fünf registrierte Fälle – seltener kann eine Krebsform gar nicht sein. Und Martina Bracht aus Wensin (Kreis Bad Segeberg) ist eine der Patientinnen, die es getroffen hat. Mehr als 20 Jahre lang lebt sie nun schon mit dem Krebs, der den ganzen Körper befallen hat. „Es ging mit der Niere los, dann folgte die Lunge. Jetzt sind auch Bauch- und Zwerchfell befallen“, sagt sie.
Die 63-Jährige sitzt vor einem runden Schminkspiegel und hat eine Tasche mit verschiedenen Pflegeprodukten und Schminkutensilien vor sich stehen. Mit ihr sind noch sechs weitere Frauen zum Kosmetikseminar für Krebspatienten in der Regio-Klinik in Pinneberg erschienen. Eine hat kurzfristig abgesagt.
Beim Kosmetikseminar für Krebspatientinnen geht es um mehr als Schminke
„Es geht darum, einen schönen Nachmittag zu verbringen und sich mit anderen Frauen in ähnlichen Situationen auszutauschen“, sagt Anke Frahm bei der Begrüßung. Sie ist Kosmetikerin und gibt den Seminarteilnehmerinnen in den nächsten anderthalb Stunden Tipps zur Gesichtspflege und zum Schminken. Die können sie gleich vor Ort ausprobieren.
Anke Frahm, die ebenfalls aus Wensin kommt, kann sich gut in die Frauen einfühlen. Ihre erste Krebserkrankung hatte sie, als sie 19 Jahre alt war. Die zweite folgte mit 40 Jahren. Die Krankheit hat ihre Spuren hinterlassen und Herzsuffizienz und Polyneuropathie zur Folge. „Körper und Seele halten viel aus, aber man ist einfach nicht mehr so leistungsfähig“, sagt die 52-Jährige.
Kosmetikerin engagiert sich ehrenamtlich bei DKMS Life
Sie kann nicht mehr arbeiten, möchte aber nicht untätig sein. Jetzt gibt die gelernte Kosmetikerin ihr Wissen und ihre Erfahrung auf onkologischen Stationen weiter – ehrenamtlich über die DKMS Life gemeinnützige Gesellschaft mbH (DKMS = Deutsche Knochenmarkspenderdatei). Zunächst war sie an den Kliniken in Lübeck, Kiel und Glücksstadt. Doch nach Corona fanden viele Seminare für Krebspatientinnen weiterhin online statt.
Seit 2023 ist sie für die Regio Kliniken abwechselnd in Pinneberg und Elmshorn tätig. Dort arbeitet sie eng mit der Psychoonkologin Kristin Löffler zusammen. Löffler hat lange Zeit in der Hamburger Krebsgesellschaft e.V. gearbeitet. Als sie vor sieben Jahren zu den Regio Kliniken wechselt, bringt sie die Idee zu den Kosmetikseminaren für Krebspatientinnen mit. „Pro Seminar sind 50 Euro zu zahlen, die von den Fördervereinen der Kliniken übernommen werden.“ Die Teilnahme ist für die Patientinnen kostenfrei.
Mehr als nur Schminke: Kosmetikseminar für Krebspatientinnen
„Look good, feel better“ – so lautet das Motto von DKMS Life, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Patientinnen zu einem lebensbejahenden Umgang mit den Folgen der Krebserkrankung zu ermutigen. „Für Krebspatientinnen ist Kosmetik viel mehr als nur Make-up“, sagt Frahm. Sie könne Therapie und Lebenshilfe sein. Den Teilnehmerinnen zeigt sie, wie sie mit einfachen Tricks die äußerlichen Folgen der Therapie, wie Hautflecken, Wimpern- oder Augenbrauenverlust, kaschieren kann.
„Schönheit stand bei mir bislang nicht im Vordergrund“, sagt Martina Bracht. Es ist ihr erstes Kosmetikseminar. Dabei hat sie sich nach der ersten Therapie optisch schon sehr verändert. „Meine Haare sind plötzlich ganz hell geworden und meine Haut sehr empfindlich“, erzählt sie. Auch die Wimpern wurden weiß und kurz. „Ich musste mich erst einmal an diese schnelle Farbveränderung gewöhnen. Es hat mich schon getroffen.“
Krebspatientinnen erhalten Tasche mit Kosmetik
Die Frauen packen ihre Kosmetiktasche aus. Neugierig betrachten sie die hochwertigen Produkte, die gespendet wurden und die sie behalten dürfen. Shampoo, Schminkutensilien, Reinigungsmilch, Gesichtscreme und ein buntes Schlauchtuch.
Frahm zeigt den Frauen drei Varianten, wie sie es binden und aufsetzen können. Die Frauen probieren es gleich selbst einmal aus. Einige haben ihr Haar noch oder es ist bereits nachgewachsen, bei anderen ist es durch die Chemo ausgefallen. Das Tuch sieht nicht nur hübsch aus, es schützt auch vor Wind und Sonne.
Teilnehmerin mit Brustkrebs muss mal raus aus dem Alltag
Dann wenden sie sich dem Gesicht zu. „Zunächst reinigen wir Gesicht, Hals und abends auch Dekolleté gründlich, damit die Inhaltsstoffe der Pflege besser eindringen können“, leitet Frahm an. Mit einem feuchten Tuch werden die Reste abgenommen. „Und seien sie dabei gut zu sich. Das hat auch schon einen kleinen Wellnesseffekt.“
Den spürte auch Teilnehmerin Sabine Steinfest aus Bendorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Sie schminkt sich auch im Alltag, nimmt aber doch den einen oder anderem Tipp mit nach Hause. „Ich wollte mal raus aus dem Alltag und andere Leute treffen. Deshalb habe ich mich zum Kosmetikseminar angemeldet“, sagt die 66-Jährige, bei der im April eine besondere Form des Brustkrebses diagnostiziert wurde.
Sabine Steinfest: Krebs wurde zufällig entdeckt
„Es wurden Metastasen gefunden, aber kein Tumor“, sagt Sabine Steinfest, die seit drei Jahren schon krank ist. Durch Zufall wurden beim MRT dann Auffälligkeiten durch Metastasen gefunden, die in der Mammografie nicht erkennbar waren. Das sogenannte CUP-Syndrom (Cancer of Unknown Primary = Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor) macht etwa zwei bis vier Prozent aller Krebserkrankungen aus.
Sabine Steinfest steht eine Amputation bevor. Außerdem bekommt sie Chemotherapie. „Die vertrage ich ganz gut“, sagt sie. Übel sei ihr nicht, und sie könne weiterhin zum Schwimmen gehen. Nur ihre Haut sei gerötet gewesen, was aber durch kortisonhaltige Salbe besser wurde.
Haut nach Chemotherapie besonders empfindlich
„Durch Chemo und Bestrahlung ist die Haut besonders empfindlich“, sagt Seminarleiterin Anke Frahm. Nach einer Creme rät sie zu einer Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor. Es folgt ein Make-up. „Das wird mit einem Schwämmchen, Pinsel oder per Hand und von innen nach außen aufgetragen“, so der Profi.
Concealer unter die Augen und an den Nasenflügeln verbergen Schatten und Rötungen. „Mit einem grünen Stift lassen sich Rötungen neutralisieren, ein gelber Concealer nimmt das Blau. Alles mit Puder fixieren. Wer mag, greift noch zu Rouge. Der wird direkt unter die Wangenknochen gepinselt. Dann folgt der Lidschatten: In der Mitte einen hellen Ton benutzen und mit einem dunkleren Ton einen Akzent setzen.
Kosmetikseminar für Krebspatientinnen: Gesicht bekommt Kontur
Dann folgt die Königsdisziplin: der Umgang mit dem Augenbrauenstift. „Wer keine mehr hat, kann mit einem Augenbrauenstift kleine, feine Striche setzen“, sagt die Kosmetikerin und zeigt, wie die Frauen dazu den Stift zur Orientierung an der Nase entlang führen.
Martina Bracht blickt in den Spiegel. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. „Mein Gesicht hat richtig Kontur bekommen.“ Ihren Optimismus und ihre positive Lebenseinstellung hat sie sich trotz aller Rückfälle bewahrt. „Ich habe das Glück, dass ich immer sehr gute Ärzte gehabt habe, die nicht locker ließen und nachgeforscht haben, wie der internationale Stand in der Krebsforschung ist“, erzählt sie.
Krebspatientinnen tun sich mit Kosmetikseminar etwas Gutes
Immer wieder muss sie operiert werden, hat verschiedene Therapien erhalten. Auch wenn jeder Rückfall erst einmal ein Schock sei, versuche sie sich auf ihre Möglichkeiten zu fokussieren und nicht auf das, was nicht mehr geht. Sie wolle sich nicht ausgeliefert fühlen und freundlich mit sich und anderen umgehen. Mit dem Kosmetikseminar tue sie sich etwas Gutes.
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Im Anschluss bleiben die Frauen noch eine Weile zusammen und tauschen sich über ihre Erfahrungen mit dem Krebs aus. Ihre Bilanz fällt positiv aus, jede nimmt etwas für sich aus der Runde mit, geht bestenfalls gestärkt in den Alltag zurück. Das Seminar hat ihnen ein Stück Lebensfreude zurückgebracht – ein unverzichtbarer Bestandteil im Heilungsprozess.
Termine und Anmeldung sind unter www.lookgoodfeelbetter.de/seminare zu finden oder direkt über die Ansprechpartnerinnen in der Klinik.