Quickborn/Hetlingen. Eine Quickbornerin hat ihr drittes Töchterchen an der Hetlinger Schanze entbunden. Wie sie die Geburt in der Natur erlebt hat.

  • Vivianne Schell hat sich den Geburtsort für ihre Tochter genau ausgeguckt
  • Der leibliche Vater war nach der Scheidung „ausgeladen“
  • Die erste Tochter kam im Krankenhaus zur Welt

Sommer, Sonne, Elbstrand – bessere Verhältnisse hätte sich Vivianne Schell für die „Traumgeburt“ ihres dritten Töchterchens nicht wünschen können. Bei 25 Grad warmen, kuscheligen Temperaturen hat die 34 Jahre junge Quickbornerin am Nachmittag direkt an der Elbe an der Hetlinger Schanze die kleine Rosalie entbunden.

Nach ihrer zweiten Tochter Josephine vor anderthalb Jahren war es nun quasi ihre zweite „Hausgeburt“ – nur diesmal eben in der freien Natur. Begleitet bei diesen aufregenden zweieinhalb Stunden hinter dem Deich in Hetlingen haben sie nur ihre Hebamme, zwei Freunde und natürlich die beiden Töchter Romy Soraya (3) und Josephine (1), die sie unter ähnlichen Umständen Anfang vorigen Jahres in ihrer Quickborner Wohnung bekommen hat.

Traumgeburt an Elbe: Der leibliche Vater war nach der Scheidung „ausgeladen“

Sie habe sich das vorher genau so überlegt und geplant, erzählt die junge Mutter wenige Tage danach und strahlt übers ganze Gesicht. Der leibliche Vater war nicht dabei. Den habe sie „ausgeladen“, sagt Vivianne Schell. „Wir sind seit einigen Monaten geschieden.“

Der Geburtsort sollte draußen im Freien sein. „Ich bin ein naturverbundener Mensch“, sagt die gebürtige Quickbornerin. Zunächst hätte sie dafür einen Ort südlich der Elbe angedacht. Dann aber habe sie doch lieber den Strand nördlich der Elbe ausgewählt, weil der näher dran und so wunderschön sei, wie die dreifache Mutter schwärmt.

Geburtsort Hetlinger Schanze an der Elbe ausgeguckt

Mehrfach sei sie in den vergangenen Wochen an der Hetlinger Schanze gewesen und habe sich den Geburtsort für Rosalie da ganz genau ausgeguckt. „Dieser Ort sollte es sein. Ich habe mich da so wohl und zu Hause gefühlt“, sagt Vivianne Schell.

Vivianne Schell mit ihrer kleinen Rosalie zu Hause in Quickborn. Mutter und Kind geht es sichtlich gut. Die Strapazen der Geburt ein paar Tage zuvor sind ihnen kaum noch anzusehen.
Vivianne Schell mit ihrer kleinen Rosalie zu Hause in Quickborn. Mutter und Kind geht es sichtlich gut. Die Strapazen der Geburt ein paar Tage zuvor sind ihnen kaum noch anzusehen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Bereits am Vorabend des Stichtages ist sie mit ihren Kindern dorthin gefahren, um sich innerlich darauf vorzubereiten. Zu dritt hätten sie in ihrem kleinen Bus übernachtet, und die ersten Unterleibsschmerzen kündigen die bevorstehende Geburt ihres dritten Töchterchens an.

Sie habe das ruhig und „tiefenentspannt“, wie sie sagt, zur Kenntnis genommen und mit Atemübungen überspielt. Darauf einlassen wollte sie sich erst am nächsten Morgen, wenn sie die Kinder versorgt und sie selbst noch gefrühstückt hätte.

Quickbornerin gebärt ihre dritte Tochter am Elbstrand – „nach eigenem Drehbuch“

Und genau so kam es. „Ich habe mein eigenes Drehbuch gehabt und eins zu eins umgesetzt. Ich wusste, heute ist der Tag. Und so war es. Ganz ohne Stress“, sagt sie. Schon die neun Monate Schwangerschaft seien völlig problemlos verlaufen.

Ihre herbeigerufenen Freunde Merle Junike und Ralf-Peter Lenz brachten am nächsten Morgen etwas zu essen vorbei. Und dann ging es auch fast schon los. Sie fühlte, wie sich der Muttermund öffnete, und konnte die Fruchtblase ertasten.

Naturgeburt an Hetlinger Schanze: Rosalie kommt gesund zur Welt

Zeit, die Hebamme zu rufen, die kurz darauf eintraf und ihr riet, die Fruchtblase zum Platzen zu bringen, um den Prozess zu beschleunigen. Und kurz darauf erblickte schon die 50 Zentimeter kleine und sieben Pfund schwere Rosalie zum ersten Mal das Licht der Welt. Mutter und Kind waren wohlauf und kerngesund, wie die Hebamme sofort mit der ersten Untersuchung feststellte.    

Und sie war überglücklich, wie Vivianne Schell betont. „Ich habe in Liebe und Zuversicht und vollster Urkraft meine Tochter geboren, ohne mich auf einen Geburtsort zu versteifen“, erklärt sie. „Die Verbindung zu meinem Baby und dessen Wohlergehen stehen für mich an erster Stelle, und bei einer Unstimmigkeit wäre ich auch in Liebe ins Krankenhaus gegangen.“

Erste Tochter der Quickbornerin kam im Krankenhaus auf die Welt

So wie bei ihrer ersten Tochter Romy Soraya vor drei Jahren. Die sollte auch schon als Hausgeburt zur Welt kommen. Doch dann habe sie gespürt, dass irgendetwas nicht stimmte. „Ich war nicht synchron mit meinem Körper.“ Und so habe sie auf ihn und die Anzeichen gehört und sei damals doch lieber auf die Geburtsstation ins Krankenhaus gegangen, erinnert sich Vivianne Schell.

Sie waren neben der Hebamme bei der Geburt dabei und unterstützten die werdende Mutter mit ihren jetzt drei Töchtern Romy Soraya, Josephine und Rosalie: die guten Freunde Merle Junike und Ralf-Peter Lenz mit Hund Bibo.
Sie waren neben der Hebamme bei der Geburt dabei und unterstützten die werdende Mutter mit ihren jetzt drei Töchtern Romy Soraya, Josephine und Rosalie: die guten Freunde Merle Junike und Ralf-Peter Lenz mit Hund Bibo. © Burkhard Fuchs | Schell

Doch das sei dieses Mal nicht nötig gewesen, betont sie. Sie habe sich jederzeit gut und entspannt gefühlt, versichert sie. „Mir ist wichtig, dass Ihre Leser verstehen, wie wir Frauen und letztendlich ja jeder Mensch selbstbestimmt Entscheidungen treffen darf“, sagt sie. „Ich habe die Schwangerschaft mit Liebe erlebt und daraus die Zuversicht und das Urvertrauen gewonnen, dass alles so gut läuft, wie ich mir das vorgestellt habe.“

Geburt an Elbe mit Kurs „Sanfte Geburt“ vorbereitet

Sie habe auch diesmal wie bereits vor ihrer Hausgeburt im vorigen Jahr Kraft und Erkenntnis in dem Geburtsvorbereitungskurs „Sanfte Geburt“ des erfahrenen Schweizer Geburtshelfers und Naturheilpraktikers Urs Camenzind geholt. Den könne sie allen werdenden Müttern nur „von Herzen empfehlen, da sie darin lernen, wie sie in ihre Kraft kommen und sie durch hingebungsvolle Manifestation ihre ganz persönliche Traumgeburt erleben können.“

Sie weiß, dass viele Menschen Schmerzen mit Verletzungen verbinden und so eine bewusste oder auch unbewusste Angst davor entwickeln könnten. „Ich habe diesen kraftvollen Akt des Körpers mit tiefem Respekt gewürdigt und immer positiv bewertet“, erklärt Vivianne Schell ihre Einstellung und ihr Empfinden.

Hausgeburt: Frauen wollen Geburt in Ruhe erleben

„Den Wellen der Wehen habe ich mich hingegeben, denn sie bringen mir mein Baby immer näher und öffnen ihm das Tor zur neuen Welt“, beschreibt sie ihren „persönlicher Glaubenssatz“ dabei: „Mein Körper ist perfekt für die Geburt geschaffen!“

Diese Haltung sei einer der Hauptgründe, warum sich werdende Mütter für eine Hausgeburt entscheiden, sagt Ümit Yagmurcu, Oberärztin in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Regio Klinikum Pinneberg auf Abendblatt-Nachfrage. „Viele Frauen entscheiden sich für eine Hausgeburt, um in ihrem vertrauten Umfeld zu sein und die Geburt in Ruhe zu erleben. Der gewohnte Raum kann die Angst vor der Geburt reduzieren.“

Regio Klinikum Pinneberg: Oberärztin sieht auch Risiken bei Hausgeburten

Allerdings gebe es durchaus Risiken, sagt die Oberärztin. „Das Hauptrisiko liegt in der medizinischen Versorgung bei Komplikationen.“ Falls es zu Problemen kommen sollte, sei die sofortige medizinische Unterstützung zu Hause nicht gewährleistet. „Bei ungünstigem Geburtsverlauf muss die Schwangere schnellstmöglich in eine Klinik gebracht werden“, so die Ärztin. Außerdem könnten bei Hausgeburten oft keine schnell wirkenden Schmerzmittel eingesetzt werden.

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Aus ärztlicher Sicht gebe es verschiedene Faktoren und gesundheitliche Risiken, die eindeutig gegen eine Hausgeburt sprächen, so die Oberärztin Ümit Yagmurcu, weiter. Dazu gehörten bestimmte Erkrankungen der Schwangeren wie Diabetes, Gerinnungsstörungen, Bluthochdruck, Adipositas, Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung), das sogenannte HELLP-Syndrom, Fehllage der Plazenta, vorzeitige Wehen, frühere Geburtskomplikationen oder auch die Erwartung von Mehrlingen, die eine Hausgeburt zu riskant machen könnten.

Jede zehnte Hausgeburt muss während Entbindung in Klinik

Statistisch gesehen würde aber nur jede zehnte Hausgeburt während der Entbindung in eine Klinik gebracht werden, weil unvorhergesehene Komplikationen wie Geburtsstillstand, starke Blutungen oder Sauerstoffmangel des Kindes aufträten, berichtet die Pinneberger Oberärztin. Sie rät schwangeren Frauen, dass ihre außerklinische Geburtshilfe in der Nähe einer Klinik sein sollte, um im Notfall eine rasche Verlegung zu ermöglichen. Ümit Yagmurcu sagt aber auch: „Die meisten ungewollten Hausgeburten verlaufen normal ohne Komplikationen.“

In den Regio Kliniken sind 2023 insgesamt 1096 kleine Pinneberger zur Welt gekommen. 343 dieser Mütter haben mit einer PDA – also einer lokal begrenzten Betäubung – entbunden, darin sind die natürlichen Geburten mit PDA sowie die Kaiserschnitte, die mit einer PDA durchgeführt werden konnten, enthalten. Wie viele Hausgeburten es gab, ist nicht bekannt.