Heist. Seit Januar kämpfen die beiden, 95 und 96 Jahre alt, mit einer Telefonstörung im Kreis Pinneberg. Erst jetzt reagiert der Anbieter.
Ruf doch mal an! Dieser Slogan gehörte zu den bekanntesten Werbesprüchen der Telekom Anfang der 90er-Jahre. Willi und Johanna Mertens würden gern mal bei ihren Söhnen oder Enkeln anrufen. Nur leider ist ihr Anschluss in Heist gestört, und das seit fast einem halben Jahr. Warum tut sich da nichts?
Es war am 4. Januar dieses Jahres, als die beiden Senioren bemerkten, dass ihr Telefon nicht mehr richtig funktionierte. Anrufe kommen seitdem zwar noch durch. Doch während des Gesprächs rauscht es so, als wenn jemand beim Telefonieren unter der großen Regenbrause in der Dusche steht. Anrufe hinaus funktionieren gar nicht.
Der gestörte Anschluss rauscht wie ein Anruf unter der Dusche
Eine 1500-Aderleitung des alten Kupferkabels sei wohl bei den starken Regenfällen um die Jahreswende defekt geworden, erfuhr Wolfgang Mertens. Der 66 Jahre alte Sohn des Paares nahm sich des Problems an, um die Störung zu melden. Denn seine Eltern, beide weit über 90, konnten den Schaden nicht anzeigen, da sie sich mit Computern, Mails und Handys nicht gut auskennen. Gleichzeitig besteht die Telekom auf eine Schadensmeldung via Internet.
„Wir planen, auf dem Mars zu siedeln, vergessen aber, respektvoll und angemessen mit unseren alten Menschen umzugehen“, klagt Wolfgang Mertens über den schlechten Service bei der Telekom und anderen Dienstleistern. Die Schreiben an seinen 95 Jahre alten Vater, der offiziell der Kunde bei der Telekom ist, empfindet Mertens als „Frechheit“. Sie seien zumeist unpersönlich und getan habe sich bislang gar nichts.
Sorgen macht sich der Sohn vor allem, wenn im Notfall nicht schnell genug Rettungsdienste alarmiert werden können. „Das haben meine Eltern in der Vergangenheit schon das eine oder andere Mal gebraucht“, erzählt der Sohn. Zurzeit laufen alle Terminabsprachen mit Ärzten und Familie über Wolfgang Mertens.
Sohn reicht nach folgenlosen Störungsmeldungen Vorstandsbeschwerde ein
Nur mit Mühe kann sich Mertens in den Auseinandersetzungen mit den Telekom-Mitarbeitern, die ihn abwechselnd aus München, Leipzig und anderen Call-Centern anrufen, zurückhalten. „Die können ja nichts dafür, dass sich nichts bewegt.“ Und trotzdem muss er den Kopf schütteln, wenn ein zuvor per Mail versprochener Rückruf erst einen Monat später erfolgt. Mittlerweile liegen zwei Vorstandsbeschwerden vor.
Das Medienzentrum der Telekom reagierte auf E-Mail-Anfrage des Hamburger Abendblattes allerdings prompt innerhalb eines Tages. „Die Ursache für die Störung ist ein beschädigtes Kabel unter der Erde. Leider war die Suche nach der Fehlerstelle sehr schwierig. Die Stelle wurde aber gefunden“, schreibt eine Sprecherin des Unternehmens.
Telekom-Sprecherin: „Das beschädigte Kabel wird jetzt freigegraben“
Um den Schaden zu beheben, seien umfangreiche Tiefbauarbeiten erforderlich. Die dafür notwendigen Ressourcen wie Personal, Material, Genehmigungen (Verkehrsrechtliche Anordnung) sowie schweres Gerät habe die Telekom „bereits koordiniert“. „Das beschädigte Kabel wird jetzt freigegraben“, verspricht die Unternehmenssprecherin. „Anschließend starten wir sofort mit der Montage, damit alle betroffenen Kunden schnellstmöglich wieder Telefon und Internet nutzen können.“
Damit sich die Betroffenen, Mertens haben wohl nicht den einzigen gestörten Anschluss, nicht zu früh freuen, schränkt die Telekom-Sprecherin ein: Leider könne es aus „unvorhersehbaren Ereignissen immer mal wieder zu Verzögerungen“ kommen.
Bürgermeister bietet Glasfaseranschluss als Ersatz an
Bürgermeister Jürgen Neumann weiß von den Problemen der Familie Mertens. Er selbst hat angeboten, dass die Familie einen Glasfaseranschluss bei der lokalen Breitband GmbH bucht. Doch das wollen die Eheleute nicht. Sie sind ja eigentlich zufrieden mit dem, was sie an Fernseher und Telefonie haben – wenn es denn funktioniert.
Als Ersatz habe die Telekom eine Weiterleitung der Gespräche auf ein Handy angeboten. Da die Eheleute jedoch nicht mehr so gut hören, ist das für sie keine Alternative. Sie wollen einfach nur ganz normal über ihre eigene Anlage telefonieren.
Telekom erstattet die Grundgebühren, aber nicht den Pauschaltarif
Weitgehend problemlos hat die Telekom die Grundgebühren für den gestörten Anschluss erstattet. Doch das reicht aus Sicht von Familie Mertens nicht aus. Denn der über einen weiteren Telefon-Anbieter gebuchte Pauschaltarif (Flatrate) werde zurzeit für null Leistung ausgegeben.
Der Flatrate-Anbieter verweist wiederum darauf, dass er für den Fehler im technischen Netz nicht verantwortlich sei. Man werde alles komplett verrechnen, sobald der Fehler behoben sei, hieß es von Seiten der Finanzbuchhaltung bei der Telekom. Wann das ist, bleibt vorerst noch offen.
„Leider kann es immer mal wieder zu Verzögerungen kommen“
Denn wie heißt es so schön in der Stellungnahme aus dem Pressezentrum der Telekom AG: „Leider kann es aus unvorhersehbaren Ereignissen immer mal wieder zu Verzögerungen kommen.“ Kümmerer Wolfgang Mertens kommentiert süffisant: „In der DDR hätte ich in dieser Zeit den bestellten Trabi bekommen und ihn sogar schon weiterverkauft.“
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„We are connected“ wirbt die Telekom heute für ihr weltweites Datennetz. Nur in Heist scheint es eine Lücke zu geben. Nein, stimmt auch nicht: Vor anderthalb Jahren warteten in Hetlingen mehrere Senioren monatelang auf den neuen Anschluss. Vorigen Monat berichtete das Abendblatt aus Nettelnburg über eine Störung – und immer trifft es Senioren, die einfach nur ihre alten Anschlüsse behalten wollen, um mit ihrer persönlichen, kleinen Welt verbunden zu bleiben.