Elmshorn. Nach einem Reitunfall werden der Schwimmerin in Elmshorn optimale Bedingungen geboten. Welche Pläne sie hat - und womit sie hadert.
Schwimm-Weltcup in Aberdeen, Schottland. Das klingt als Herausforderung großartig für eine Leistungssportlerin und könnte für so manche Athletin Saisonhöhepunkt sein. Für Tanja Scholz sollte es jetzt Anfang Februar ein erstes Aufwärmen für die Paralympics 2024 in Paris werden. Es blieb nur beim Schnuppern von Wettkampfatmosphäre. „Der vierstündige Zwischenstopp in Amsterdam war einfach zu viel“, sagte Tanja Scholz. „Durch die Rückenschmerzen war die Spastik in den Beinen dann so hoch, dass ich beim Schwimmen nach unten gezogen wurde.“
Die seit einem Reitunfall im Juni 2020 querschnittsgelähmte Schwimmerin aus Elmshorn behält dennoch ihre großes Ziel vor Augen: die Paralympischen Spiele 2024 in Frankreichs Hauptstadt. Und als insgesamt fünffache Weltmeisterin im Para-Schwimmen der Jahre 2022 und 2023 ist es nicht übertrieben zu sagen, dass sich die dreifache Mutter auf der „Mission Gold“ befindet. Ein Weg, auf dem die 39-Jährige nun auch von der Stadt Elmshorn durch ihre Stadtwerke unterstützt wird.
Paralympics 2024: Mittlerweile braucht Tanja Scholz nur noch fünf Minuten bis zum Training
Bei einem Besuch bei Tanja Scholz während des Trainings Tage zuvor im Badepark Elmshorn wird deutlich, wie groß diese Hilfe ist. „Es ist eine so unglaubliche Erleichterung für mich, dass ich meine Trainingseinheiten nun hier in der Traglufthalle auf der 50-Meter-Bahn absolvieren kann; hierher fahre ich nur knapp fünf Minuten“, sagt Tanja Scholz.
Scholz wird von Ehemann Björn zu ihren Schwimmeinheiten gebracht und auch vor Ort betreut. „Im Vergleich zum Training in Elmshorn waren wir vorher nach Neumünster immer eine Stunde jeweils hin und zurück unterwegs. Nach Itzehoe sind es 30 Minuten; dort ist es wegen der 25-Meter-Bahn fürs Sprinttraining ideal. “
Die gesparte Zeit ist für Tanja Scholz der wichtigste Gewinn durch das Training in Elmshorn
Freude und Dankbarkeit schwingen in der Stimme von Tanja Scholz mit, wenn sie über die Verbesserung ihrer Trainingsbedingungen spricht. „Denn Zeit ist das Wertvollste, das man mir schenken kann“, sagt die angehende Olympiastarterin. „Und das ist jetzt unglaublich viel Zeit, die uns als Familie nun mehr zur Verfügung steht.“
Möglich machen diese Veränderung die Stadtwerke Elmshorn als Betreiber des Badeparks – dies in Person von Stadtwerkechef Sören Schuhknecht und Badebetriebsleiter Jürgen Gerweler. „Wir sind beide sehr froh, dass wir der Familie Scholz so die eine oder andere Sorge abnehmen können“, sagt Jürgen Gerweler, der Tanja Scholz mindestens vier Trainingszeiten pro Woche freigeschaufelt hat.
Stadtwerkechef Sören Schuhknecht stößt die Schaffung optimaler Trainingsbedingungen an
„Herr Schuhknecht ist Initiator dieser neuen Trainingsbedingungen für Tanja Scholz“, betont der Badebetriebsleiter. „Nach der Sportlerehrung 2023 haben die beiden besprochen, wie Tanjas Bedürfnisse für ein Leistungstraining aussehen. Danach haben Herr Schuhknecht und ich nach Möglichkeiten gesucht, in den Lücken des Belegungsplans Trainingsfläche zu schaffen, damit Tanja nicht mehr in Schleswig-Holstein nach Alternativen suchen muss.“
Ein voller Erfolg. „Allein bei der Wetterlage im Winter ist das schon eine Erleichterung für Tanja“, weiß Gerweler. Und die Nutznießerin dieser neuen Trainingsbedingungen ergänzt: „Für unser gesamtes Familienleben ist dies eine enorme Entlastung“, sagt Tanja Scholz, deren Mann Björn seine Arbeitsstelle auf 80 Prozent reduziert hat, um beim Training unterstützend für sie da sein zu können.
Ehemann Björn Scholz ist die große Stütze an der Seite der künftigen Paralympics-Starterin
Doch noch viel wichtiger ist die seelische Unterstützung, die ihr Mann an ihrer Seite liefert. Denn gerade erst Ende letzten Jahres musste Tanja Scholz einen herben Rückschlag hinnehmen; eine bis dahin gehegte Hoffnung ist da – zumindest vorerst – geplatzt.
„Wir hatten gedacht, dass ich vielleicht endlich die Magensonde loswerden könnte, die noch bei mir gelegt ist“, berichtet sie. „Aber leider fällt mir das Schlucken weiterhin noch zu schwer, um in den Phasen, in denen ich schnell Energie und Kraft tanken muss, dies durch Essen oder Trinken zu schaffen. Da gibt es dann halt auch weiterhin einen hochkalorischen Drink über die Sonde.“
Schluckbeschwerden: Eine Magensonde versorgt Tanja Scholz auf direktem Weg mit Energie
Ein „geheimes Hindernis“ auf dem Weg zum sportlichen Erfolg, das bislang kaum jemand kannte – auch aus ihrem engeren Umfeld nicht. „Ich habe das nicht gesagt, weil ich immer noch ein Problem damit habe, mich zu zeigen“, sagt die seit dreieinhalb Jahren querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrerin.
Die Erklärung ist nachvollziehbar: „Ein bisschen schief im Rollstuhl zu sein und dann noch mit der eingeschränkten Hand: nach 36 Jahren ,normal‘ sein nun den Körper anders anzunehmen, das fällt mir persönlich megaschwer“, sagt die Schwimmweltmeisterin. „Und dann kommt auch noch hinzu, dass du nicht mehr richtig essen kannst, dass deine Mahlzeit aus dem Rucksack per Schlauch zu dir kommt. Da hatte ich einfach das Gefühl, dass nun noch mehr geguckt wird.“
Die paralympischen Spiele in Paris finden vom 28. August bis 8. September statt
Aber die Kämpferin Tanja Scholz hat sich nun auch mit diesem Umstand arrangiert. Das Leben und das Training gehen weiter. Letzteres nun wieder mit zunehmendem Einsatz, das große Ziel Paris 2024 ist vom 28. August bis 8. September ist ja praktisch schon in Sichtweite.
„Nach der WM im vergangenen August in Manchester haben die Bundestrainer und ich aber beschlossen, erst einmal eine längere Pause einzulegen; ich war schon sehr erschöpft“, erinnert sich Scholz an die Titelkämpfe, die ihr drei Weltmeisterinnentitel und drei weitere Silbermedaillen eingebracht haben. „Jetzt seit Dezember geht es wieder los und die Vorbereitung auf Paris ist gestartet.“
Am 20. Februar kommt Co-Bundestrainer Michael Pechtl nur für Tanja Scholz nach Elmshorn
Hierfür hat die 39-Jährige von den Bundestrainern Ute Schinkitz und Co-Bundestrainer Michael Pechtl ihre Übungspläne erhalten, die sie konsequent im Badepark abarbeitet. „Das ist für mich im Grunde genommen ja wie zu Hause zu sein; in dem Becken bin ich ja praktisch groß geworden“, sagte die seit ihrer Kindheit aktive Schwimmerin. „In der heißen Vorbereitungsphase werde ich dann sogar zweimal täglich dort sein.“
Doch Tanja Scholz ist nicht allein auf Eigenarbeit angewiesen. Vom 20. bis 23. Februar gibt es „hohen Besuch“, dann werden Michael Pechtl und Vanessa Göldner, die Physiotherapeutin der Paraschwimmer, Elmshorn und dem Badepark einen längeren Besuch abstatten. „Das wird ein intensives Trainingslager, da ist es toll, dass wir eine Physiotherapeutin dabei haben“, sagt Tanja Scholz.
Die fünffache Weltmeisterin steht nicht gern im Rampenlicht
Doch kaum zu glauben: Der nun schon fünffachen Weltmeisterin ist dieser Aufwand um ihre Person ein wenig unangenehm. „Michi und Vanessa kommen nur für mich nach Elmshorn. Daran muss ich mich wirklich noch gewöhnen“, bekennt die Elmshornerin. „Ich steht nicht gern im Mittelpunkt; deswegen gehe ich auch nicht so gern auf Siegerehrungen oder andere Veranstaltungen, wo es um mich geht. Ich finde halt, es ist auch im Schwimmen ein Teamsport. Ohne Michi, Vanessa oder meinen Mann würde das alles doch gar nicht gehen.“
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Doch um ein wenig mehr an Rampenlicht, so der Plan, soll Tanja Scholz in nächster Zukunft gleich mehrmals nicht herumkommen. Noch vor Paris stehen Ende April in Madeira die Europameisterschaften im Para-Schwimmen an. Und wenn alles glattläuft, ist sie dann ab Ende August fit für die Paralympics.
Für Paris plant Tanja Scholz derzeit mit Starts über fünf Distanzen
Sollte es dann aber wirklich bei den vorgesehenen Starts über 50, 100 und 200 Meter Kraul, 150 Meter Lagen und 50 Meter Rücken bleiben; hoffen wirklich alle, dann auch Tanja Scholz, dass es möglichst oft „First Place, Gold Medal – Tanja Scholz, Germany!“, heißen möge. Und dann dürften sich auch die Stadtwerke Elmshorn ein klein wenig als Sieger fühlen.