Appen. Kreismeisterschaften im Fahrsport finden nach neun Jahren wieder im Kreis Pinneberg statt. Für wen es am Sonnabend los geht.
Es wird ein Turnier, das in dieser Form selten anzutreffen ist und eine Besonderheit hat. Ein Wettkampf der Pferdekutschen. Für einen Tag wird aus dem Nichts eine Kutschensport-Welt erschaffen. Zehn Hektar brachliegendes Land werden in eine Turnierlandschaft umgestaltet.
Pferdesport Fahrwettbewerb: Die Prüfungsfläche misst 80 x 100 Meter
Mit Spaten, Bändern und einem Metermaßband wird alles nach den Vorgaben des Dachverbands der reiterlichen Organisation (FN) mit Sitz in Warendorf angelegt. Das Prüfungsviereck muss genau 80 x 100 Meter groß sein, der Warming-Up-Platz ebenso. Zehn Hektar Land werden gewalzt, Hasenlöcher gestopft, Maulwurfhügel und Unebenheiten flott für einen Sporttag geglättet. Die anstehende Kreismeisterschaft im Kutschensport findet nach mehr als neun Jahren endlich wieder im Kreis Pinneberg statt; zuvor hatte immer der Nachbarkreis Steinburg den Zuschlag bekommen.
Es soll an nichts fehlen, mehr als 30 Kutschen werden für 17 unterschiedliche Prüfungen am Sonnabend (29. Juli) erwartet. Insgesamt gibt es 107 Nennungen. Das ist eine Mammutaufgabe für das ehrenamtliche Team mit 28 freiwilligen Helfern. Kutschenfahrer benötigen viel Platz. Warum? Die Kutsche wird getrennt von den Vierbeinern vorgefahren, und eine Person allein schafft es nicht, dieses Gefährt zu bewegen. Allein hierfür werden gerne kräftige Männer mitgenommen. Früher wurden reine Kutschenpferde eingesetzt, mittlerweile sind es Sportpferde.
Viel Energie und Zeit sind in die Organisation geflossen
„Unsere Kutschengemeinschaft ist in der Zwischenzeit gewachsen, und wir haben alles an Zeit und Energie in den Sport gesetzt, damit wir endlich wieder eine Kreismeisterschaft haben“, sagt Organisatorin Anja Behrmann (57) aus Appen.
Mit einer Kutsche zu fahren ist in der Tat ein ganz besonderes Gefühl. Anna Frank (26) vom Appener Fohlenhof liebt eigentlich den Dressur- und Springsport; den Kutschensport hat die BWL-Studentin vor drei Jahren entdeckt. Eigentlich war es eine ganz einfache Frage an ihre Lehrerin Anja Behrmann: Kann ich mal mitfahren? Wer zuvor im Sattel saß, ist plötzlich weit weg vom Pferd. „Das ist schon eine ganz andere Perspektive. Es wird mein erstes Turnier. Klar bin ich aufgeregt“, sagt die Studentin.
Das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd muss intensiv sein, hartnäckiges Training hilft. Und es wird für eine Kutschenaufgabe geübt. Als begeisterte Reiterin und nun Mitfahrerin hat Jana Kaland (30) hinten in der Kutsche Platz genommen. Eine geforderte Dressuraufgabe mit Schlangenlinie, Trabverstärkung und eleganten Übergängen wird trainiert. Eike Seiler (66) hat ihren Enkel Thore (5) dabei, wie ein Profi sitzt er neben seiner Oma und schaut genau zu. „Kutsche fahren finde ich super“, sagt der aufgeweckte Nachwuchs.
Ute Ramcke geht mit vier Gespannen und sieben Pferden an den Start
Auch im Nachbarbarstall bei Ute Ramcke aus Waldenau werden alle Kutschen auf Hochglanz gebracht. „Mit vier unterschiedlichen Gespannen und sieben Pferden sind wir bei der Kreismeisterschaft am Start“, sagt die 64-Jährige. Seit 36 Jahren ist Ramcke mit Begeisterung dabei. Von der Freizeitreiterei sprang der Funke zum Kutschensport bei ihr über. Inzwischen ist er für Ramcke Kult.
Beim Fahrturnier in Appen-Etz muss jedes Gespann mit einem Kutschenführer und einer Begleitperson die Vielseitigkeit des Pferdes bei einem unabhängigen Richterteam präsentieren. Danach geht es im zweiten Umlauf um die Geschicklichkeit, alle Kegel sollen nach Möglichkeit auf dem Platz stehen bleiben. Der dritte Abschnitt umfasst einen künstlich hergerichteten Hindernisparcours. „Ich bin gespannt, was der Parcourschef Rainer Schlüter aus Bevern an festen Hindernissen mitbringen wird“, sagt Organisatorin Anja Behrmann.
Kutschpferde müssen in stressigen Situationen die Ruhe bewahren
Allerdings eignet sich nicht jedes Pferd für den Kutschensport. Bestimmte Charaktereigenschaften müssen die Tiere mitbringen. „Neben Vertrauen und Gehorsamkeit des Pferdes muss der Mensch auf dem Kutscherbock in stressigen Situationen mit anderen Verkehrsteilnehmern Ruhe bewahren und den Überblick behalten“, sagt Ute Ramcke. Etwa bei sich nähernden E-Autos, die spät zu hören sind.
Der Kutschensport beginnt morgens um 7 Uhr, mittags starten die Zweispänner, eine Kutschen-Kür mit flotter Musik und eine rasante Sulkyfahrt darf zum Abschluss des Tages nicht fehlen. Die Empfindungen, die Menschen mit einer Kutsche verbinden, sind sehr unterschiedlich.