Halstenbek/Hamburg. Die Halstenbekerin Anika Nießen (19) startet für den HSV und peilt die EM-Norm von 6,25 Metern an. Seit April wird sie gefördert

Endlich wird der Terminkalender zumindest ein klein wenig leerer. Anika Nießen muss nur noch für wenige Tage Zeit zum Lernen einplanen, danach kann sich die Leichtathletin aus Halstenbek ganz auf ihr Trainingsprogramm beim Hamburger SV konzentrieren und auf ihre persönlichen Höhepunkte der Sommer­saison zusteuern. „Meine schriftlichen Abiturprüfungen in Deutsch und Philosophie habe ich bereits hinter mich gebracht“, sagt die 19 Jahre junge Schülerin an der Hamburger Eliteschule des Sports (Alter Teichweg) mit vernehmbarer Erleichterung. „Jetzt steht nur noch die mündliche Matheprüfung an, dann habe ich voraussichtlich alles fürs Abi hinter mich gebracht.“

Der Wettkampf direkt nach den Abi-Klausuren geht daneben

Wie wichtig es ist, für den Sport den Kopf frei zu haben, hatte Anika Nießen zu Monatsbeginn schmerzlich erfahren müssen. Beim Einladungswettkampf in Wiesbaden lieferte die Weitspringerin lediglich einen gültigen Versuch ab. „Kurz vorher hatte ich meine drei Abiturprüfungen hinter mich gebracht, ich war einfach nur kaputt“, sagt die Schülerin des Sportprofils, die aber beweisen konnte, wie schnell sie regeneriert. „Eine Woche später beim nationalen Sportfest des HSV hab ich dann schon wieder 6,09 Meter geschafft; damit bin ich zu dem Zeitpunkt zufrieden.“

Nicht ganz an diese Weite ist sie nun über Pfingsten bei der Kurpfalz Gala in Weinheim herangesprungen. Immerhin bedeuteten die fünf gültigen Versuche und 5,99 Meter den zweiten Platz hinter Mikaelle Assani (6,36 m, LG Region Karlsruhe). Unterm Strich ein positiver Trend, den Anika Nießen aber unbedingt bis Ende Juni und darüber hinaus ausbauen muss und auch will. „Bis Ende Juni muss ich die 6,25 Meter schaffen, das ist die Qualifikationsnorm, damit ich ungeachtet einer Nominierung für die nächsten internationalen Großereignisse zumindest startberechtigt bin.“

Die U20-EM in Tallinn ist ein verlockendes Ziel

Vom 15. bis 18. Juli locken die U20-Europameisterschaften in Tallinn (Estland). Und auch für die einen Monat später stattfindenden U20-Weltmeisterschaften in Nairobi (Kenia) wären diese 6,25 Meter die Zielmarke, die es zu übertreffen gilt. „Ich muss schon anerkennen, dass es zurzeit einige Athletinnen gibt, die diese Weite beständiger drauf haben. Aber ich arbeite dran, diesen Rückstand aufzuholen.“

Und Arbeit ist es zweifellos, die Anika Nießen seit Monaten und in den kommenden Wochen für dieses Nahziel und kommende Vorhaben investiert hat und weiterhin leisten wird. „Ich habe nur sonntags frei, an jedem anderen Wochentag muss ich Trainingseinheiten absolvieren“, sagt Anika Nießen.

Zum Techniktraining am Dienstag sowie Sprung- oder Koordinationsübungen am Mittwoch kommen montags und freitags Krafttraining, Tempoläufe am Donnerstag und zum Ende der Trainingswoche am Sonnabend Sprint- und Widerstandsläufe hinzu. „Am schlimmsten sind die Tempoläufe, die gewöhnlich über 150 bis 300 Meter gehen; die bringen mich immer an meine Grenze.“

Zwei- bis dreimal pro Woche geht es zum Pysiotherapeuten

Damit sich der so malträtierte Körper wieder erholen kann, stehen auch zwei bis drei wöchentliche Regenerationseinheiten beim Physiotherapeuten am Hamburger Olympiastützpunkt auf dem Programm. „Da mein Terminplan zu meiner Zeit als Vollzeitschülerin erstellt worden ist, liegen meine Behandlungstermine meistens in der Tages­mitte“, merkt Anika Nießen an. „Ich bin dann also an den Tagen dort und auf dem Weg hin und zurück in öffentlichen Verkehrsmitteln drei bis vier Stunden unterwegs und höre dabei Podcasts.“

Seit April wird Anika Nießen im „Team Hamburg“ gefördert

Versüßt wird ihr dieser zeitliche Aufwand durch eine aktuelle Veränderung in ihrer Sportlerkarriere: Seit diesem April ist Anika Nießen Mitglied vom „Team Hamburg“. Die darin aufgenommenen Athletinnen und Athleten erhalten eine monatliche finanzielle Unterstützung der „Stiftung Leistungssport Hamburg“, um einen Teil der durchs Training anfallenden Kosten zu decken. Ein Anstoß, Halstenbek zu verlassen und aus logistischen Gründen nach Hamburg zu ziehen? „Dafür reichen die rund 250 Euro nun doch nicht“, meint die 19-Jährige, „und mehr Geld wird auch kaum zur Verfügung stehen, da ich im Oktober mein Freiwilliges Soziales Jahr im Albertinenkrankenhaus beginne.“

Am 12. Juni steht der nächste Wettkampf an

Doch bis dahin steht erst einmal die Jagd nach der EM- und WM-Norm ganz oben auf der „To-Do-Liste“. Nach drei Wochen Training ist am 12. Juni das internationale Sportfest in Osterode der nächste Leistungstest. „Aber egal, ob es mit der Norm rechtzeitig klappt, die Deutschen Jugendmeisterschaften ab 30. Juli in Rostock dürften vermutlich mein Saisonhöhepunkt werden.“