Uetersen. Die neuen Anlagen sind fast doppelt so groß wie die alten – und schaffen die vierfache Strommenge. Das gefällt nicht allen Nachbarn.
Höher, schneller, leistungsfähiger: Der Windpark Uetersen soll in den kommenden Jahren in die Höhe schießen. Statt der sechs fast 20 Jahre alten Anlagen sollen vier neue, leistungsstärkere gebaut werden. Die sind dann fast doppelt so hoch wie die alten und messen statt 99 gut 180 Meter. Im Ergebnis soll viermal so viel Strom erzeugt werden wie bisher.
„Insgesamt sollen etwa 48 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr gewonnen werden. Rund 16.000 Haushalte statt der bisherigen 4000 werden mit sauberer Energie versorgt“, sagt Julian Tiencken, Prokurist bei Planet energy, Betreiber und Hauptanteilseigner am Windpark Uetersen. Bisher erzeugt der 2001 in Betrieb genommene Windpark zwölf Millionen Kilowattstunden Strom. Nach der Erneuerung sollen rund 19.000 Tonnen CO2 pro Jahr gespart werden. „Das entspricht etwa den Abgasen eines Autos nach 2287 Umrundungen des Erdballs“, so Tiencken.
Anpassung des Plans wird wohl bis Anfang 2022 dauern
Den Weg frei gemacht für das sogenannte Repowering hatte der Bau- und Verkehrsausschuss vor zehn Monaten. Ende November wurde mehrheitlich für den nächsten Schritt gestimmt: den Aufstellungsbeschluss, um den Bebauungs- und Flächennutzungsplan für das Windpark-Gebiet zwischen Uetersen, Groß Nordende und Neuendeich im Kreis Pinneberg anzupassen. Die Pläne liegen noch bis zum 22. Januar aus. Die Anpassung des Plans wird dann wohl bis Anfang 2022 dauern.
Ein langer Weg, denn bereits im Dezember 2016 hatte die Landesregierung einen ersten Entwurf der Pläne veröffentlicht. Sie wiesen die Flächen des bisherigen Windparks Uetersen für ein Repowering aus und die Flächen für weitere Anlagen in den Gemeinden Groß Nordende und Neuendeich. Die neu gewählte Landesregierung passte allerdings die Kriterien für den Regionalplan an. Unter anderem bedeutete dies größere Abstände zu Wohnhäusern. Es folgte ein Ausbaustopp bis zum 5. Juni 2019, für den Ausnahmegenehmigungen erteilt werden konnten. Der Bürgerwindpark Uetersen gehörte zu diesen Ausnahmen.
20 Millionen Euro wollen die Betreiber des Windparks in die Erneuerung stecken
Etwa 20 Millionen Euro wollen die Betreiber des Windparks in die Erneuerung stecken. Von der Investition soll auch Uetersen profitieren. 30.000 Euro Gewerbesteuern soll der Windpark laut Betreiber ab dem ersten vollen Jahr nach Inbetriebnahme der neuen Anlagen abwerfen – mit steigender Tendenz im Lauf der Betriebszeit. Denn mit den Jahren kann der Betreiber weniger Kosten absetzen. Über die geplante Laufzeit von 20 Jahren kämen so 1,2 Millionen Euro zusammen.
Mehreinnahmen, die mit den alten Anlagen nicht zu erwirtschaften wären. Denn die EEG-Zulagen laufen zum Jahresende 2021 aus. „Ohne das Repowering wird es wegen der aktuell niedrigen Erlöse aus den Strompreisen keine wesentlichen Gewerbesteuereinnahmen mehr geben“, so Tiencken.
„Wir wurden damals bis in den Ratssaal verfolgt!“
Für das Repowering hatten in Uetersen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU gestimmt. „Klimaschutz und Energiewende sind ein Gemeinschaftsprojekt. Und genau das lässt sich hier bestens umsetzen – mit direkter Beteiligung“, sagt Jens Ewald, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Die Grünen hatten mit der SPD 2001 als Mehrheit den Bau der Windkraftanlage durchgesetzt. Der Protest der Anwohner war enorm. „Wir wurden damals bis in den Ratssaal verfolgt“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Ingo Struve. Die SPD hatte sich auch dieses Mal für das Repowering ausgesprochen. „Die Höhe der Anlagen ist ungewohnt. Aber wir können nicht nur davon reden, dass wir den Ausstieg aus der Kohlekraft wollen, wir müssen auch alternative Energiegewinnung zulassen.“
Die CDU-Fraktionsvorsitzende Astrid Zibull wolle sich mit ihrer Partei den Innovationen und neuen Energiemöglichkeiten nicht verschließen. Sie bewertet einzig die Höhe der erneuerbaren Wind-Energieanlagen negativ. „Man muss aber auch mit den dadurch verbundenen Kompromissen leben können“, sagt sie.
Widerstand gegen die Windkraft ist geblieben
Andernorts ist der Widerstand gegen die Windkraft geblieben. Groß Nordendes Bürgermeisterin Ute Ehmke (GuB) etwa beklagt die neue Höhe der Anlagen. Sie befürchte, dass Anwohner unter dem Schattenwurf leiden könnten. Zudem sei der Zeitpunkt der öffentlichen Auslegung irritierend. „Pläne über die Feiertage und während des Corona-Lockdowns auszulegen, macht es schwer, rechtzeitig Stellung zu nehmen.“
Auch in Neuendeich hatte man noch keine Gelegenheit, das Thema politisch zu diskutieren. „Die Meinungen sind gemischt“, sagt Bürgermeister Reinhard Pliquet (SPD). Persönlich findet er die neue Höhe der Anlagen gewaltig. Die Wahl des Ortes sieht er kritisch. „Das ausgewiesene Gebiet stößt überall an die Grenzen der Bebauung.“
Planet-energy-Prokurist Tiencken verweist auf die Vorteile, von denen auch Neuendeich und Groß Nordende profitieren sollen. „In Planung ist die Gründung einer Genossenschaft, an der bevorzugt Anwohner bereits ab 100 Euro Anteile erwerben und an den Gewinnen teilhaben können“, sagt er. Auch einen vergünstigten Stromtarif soll es geben. Zudem sind für die Unterstützung einzelner Projekte in den Nachbargemeinden jährlich bis zu 40.000 Euro geplant.
Oberverwaltungsgericht hatte 2015 die Regionalpläne gekippt
Wie schwierig das Ausweisen von Windkraftflächen ist, zeigt sich auf Landesebene in den neuen Regionalplänen. Darin werden 344 Vorranggebiete für Windenergie mit einer Gesamtfläche von 32.000 Hektar ausgewiesen – etwa zwei Prozent der Landesfläche. Von den 3200 bestehenden Anlagen stehen 2317 innerhalb künftiger Vorranggebiete. Dort ist nicht nur ein Neubau, sondern ein langfristiges Repowering möglich, also das Aufrüsten. Die 977 Anlagen außerhalb der künftigen Vorranggebiete haben Bestandsschutz, müssen mittelfristig aber abgebaut werden.
Die Entscheidung war ein zähes Ringen. Das Oberverwaltungsgericht hatte 2015 die Regionalpläne gekippt. Um einen Wildwuchs zu verhindern, verhängte das Land ein Moratorium für Neubauten. Nur in Ausnahmefällen wurden Anlagen genehmigt – 144 im vergangenen Jahr. Um das landesweite Ausbauziel von zehn Gigawatt bis 2025 zu erreichen, müssen jährlich 500 Megawatt hinzukommen.
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Die Landesplanung bearbeitete in den vergangenen vier Jahren 15.000 Stellungnahmen und fast 1000 Abwägungsentscheidungen. Zwei Drittel davon wurden von der Windkraftnutzung ausgeschlossen, vor allem zum Schutz der Wohnbebauung. Hinter dem Repowering in Uetersen steht die Planet energy GmbH aus Hamburg. Das Unternehmen besitzt etwa zwei Drittel des Windparks.
Das übrige Drittel ist in der Hand von Privatpersonen, den Stadtwerken Uetersen und einem Planungsbüro. Planet energy hat elf Windparks und drei Photovoltaikanlagen errichtet und ist an drei weiteren Windparks beteiligt. Insgesamt hat Planet energy bereits mehr als 140 Millionen Euro investiert und deckt inzwischen den Jahresstrombedarf von rund 51.000 Haushalten.