Kreis Pinneberg. Experten legen bei Infoveranstaltung neue Verkehrszahlen vor. Kritiker argumentieren hingegen, es gebe andere Lösungen.
Der geplante sechsspurige Ausbau der A23 von Tornesch bis Eidelstedt, der bis 2030/35 realisiert werden soll, ist nach Einschätzung von Experten dringend notwendig. Zwei Verkehrsplaner, die jetzt im Auftrag der Autobahngesellschaft Deges ihre neuesten Berechnungen zu den Verkehrszahlen im Rellinger Hof vorgestellt haben, unterstützen diese Einschätzung.
Demnach wäre die sechsspurig ausgebaute A23 im Bereich Pinneberg-Mitte-Süd und Halstenbek-Krupunder – Eidelstedt mit bis zu 4900 Fahrzeugen pro Stunde morgens und abends im Berufsverkehr schon zu rund 90 Prozent ausgelastet. Die Gegner des Ausbaus argumentieren, wenn stattdessen auf den öffentlichen Schienenverkehr gesetzt werden würde, sodass genügend Pendler in die Bahn umsteigen könnten, wären die zusätzlichen Fahrstreifen auf der A23 überflüssig.
A23: Politiker und Bürger haben bereits zahlreiche Vorschläge unterbreitet
Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) hatte bereits im vorigen Jahr zu mehreren Planungswerkstätten für den etwa 30 Kilometer langen A23-Abschnitt Tornesch – Eidelstedt eingeladen. Bürgermeister, Kommunalpolitiker, Anwohner, Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen konnten dabei ihre Vorschläge einbringen.
Das betraf die Streckenführung, den Lärmschutz, die Radverkehrsplanung entlang der Autobahn und vor allem auch die Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen der Zufahrts- und innerörtlichen Straßen, wenn die A23 verbreitert werde. Da wurden Autobahndeckel in Rellingen gefordert, wie es sie jetzt auf der A7 in Hamburg gibt. Breitere Brücken sollten den abfließenden Verkehr besser aufnehmen und den Radverkehr mit neuen Verbindungen verbessern helfen. Auch breitere Rampen-Auf- und Abfahrten wurden dabei diskutiert.
A23: Fertigstellung der A20 und A26 könnte Entlastung bringen
Diese zum Teil recht konkreten Vorschläge seien jetzt noch nicht berücksichtigt, erklärte Deges-Projektleiter Benedikt Zierke. Das würde im nächsten Schritt geschehen. „Wir sind jetzt noch nicht einmal in der konkreten Vorplanung“, sagte er. Die werde nächstes Jahr mit ersten Bohrungen an der Autobahn beginnen, und 2025 solle dann das formale Planfeststellungsverfahren für die A 23 eingeleitet werden, erläuterte der Deges-Chefplaner. Dann würden auch mögliche Mobilitätskonzepte für den Rad- und Fußverkehr und der Kreuzungsbau in die konkreten Planungen einfließen. Jetzt gehe es um die zu erwartende Verkehrsdichte, die ja vor allem den Ausbau der A 23 begründen soll, und die Ausschreibung der ersten Verkehrsanlagen und benötigten Bauwerke.
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Und so stellte Christoph Schulze, Verkehrsplaner der PTV-Group aus Karlsruhe, seine Verkehrsprognose für die A 23 im Jahr 2030 vor. Demnach würde der Verkehr ohne den sechsstreifigen Ausbau auf der A 23 im Vergleich zu heute sogar um fünf bis zehn Prozent abnehmen. Weil einige Autofahrer und Pendler die dann vorhandenen alternativen Strecken über die A 20 mit Elbtunnel bei Glückstadt und die A 26 in Richtung Hamburg nehmen würden, deren Fertigstellung er unterstellte. Mit dem Ausbau seien es aber mit 80.000 bis 100.000 Fahrzeugen am Tag im südlichen Abschnitt zwischen Pinneberg und Hamburg bis zu zehn Prozent mehr Verkehrsdichte, erklärte Schulze. Dabei habe er die Bevölkerungsentwicklung, die vorhandenen Verkehrsräume und auch die politische Vorgabe Hamburgs berücksichtigt, dass der Pkw-Anteil künftig nur noch ein Fünftel aller Verkehrsmittel ausmachen soll.
A23: 50.000 Fahrzeuge am Tag Richtung Hamburg
Konkret bedeute dies, dass zwischen Pinneberg-Mitte und Halstenbek/Krupunder rund 50.000 Fahrzeuge am Tag in Richtung Hamburg führen und zwischen 44.000 und 47.000 Fahrzeuge am Tag in die andere Richtung unterwegs wären. Der Schwerlastverkehr macht dabei zwischen vier und sieben Prozent aus. In Spitzenzeiten, morgens zwischen 6 und 9 Uhr, wären das bis zu 4900 Fahrzeuge je Stunde Richtung Hamburg und nachmittags zwischen 15 und 17 Uhr bis zu 4600 Fahrzeuge je Stunde in Richtung Heide.
Professor Justin Geistefeldt, der seit 2010 an der Uni Bochum einen Lehrstuhl für Verkehrswesen innehat und wie Schulze bereits am sechs- bis achtspurigen Ausbau der A 7 beteiligt war, ordnete mit seinen Berechnungen das prognostizierte Verkehrsaufkommen auf die Auslastung ein. Demnach würde die fix und fertig ausgebaute A 23 in Spitzenzeiten im südlichen Abschnitt mit bis zu 92 Prozent ihrer Kapazität belastet sein. Dies entspräche einer Schulnote von ausreichend, sagte Geistefeldt. Sein Fazit: „Zur Bewältigung des prognostizierten Verkehrsaufkommens ist der Ausbau der A 23 erforderlich.“
Müsste die A 23 dann nicht gleich achtspurig ausgebaut werden, warf ein Kritiker ironisch ein. Worauf Geistefeldt ernsthaft antwortete: „Der sechsspurige Ausbau ist noch auf der sicheren Seite.“ Mit Staus bei Unfällen oder Starkregen sei aber zu rechnen. Auch die Wirtschaftlichkeit des Ausbaus sei gegeben. Die Deges geht zurzeit von Baukosten von rund 210 Millionen Euro für die A 23 aus. Der prognostizierte Nutzen würde die Kosten aber um das 2,6-fache übertreffen.
A23: Drittes und viertes Gleis wurden bei den Planungen nicht berücksichtigt
Für Jochen Hilbert vom BUND ist die A-23-Planung in völliger Schieflage. Statt den Straßenverkehr weiter auszubauen, sollte lieber der Schienenverkehr systematisch ausgebaut werden. Das seit vielen Jahren geforderte dritte und vierte Fernbahngleis zwischen Pinneberg und Elmshorn ist von der Deges tatsächlich nicht berücksichtigt worden, weil es nicht im Bundesverkehrswegeplan steht, räumte Schulze auf Nachfrage ein.
Für Hilbert sollte zudem die Vision eines Pendlerzuges von Uetersen nach Barmbek weiterverfolgt werden, mit dem bis zu 12.000 Pendler am Tag auf die Schiene gebracht werden könnten, wenn der alle zehn Minuten fahren würde, sagte er und berief sich dabei auf einen Experten. Das Verkehrsministerium hat in seinem Schienenverkehrsplan für einen stündlichen Zug 1200 Fahrgäste am Tag errechnet.
Hilbert: „Die Bahn ist völlig unterfinanziert. Wir brauchen eine andere Mobilitätsgesellschaft.“ Wenn Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll, dürften keine neuen Autobahnen mehr gebaut werden. Der gerade von Schwarz-Grün verabschiedete Koalitionsvertrag in Kiel sehe vor, dass der Anteil des Öffentlichen Nahverkehrs auf 25 Prozent aller Verkehre in etwa verdoppelt werden soll. Ähnlich sieht es die Bürgerinitiative 23, die „einen sofortigen Stopp der Ausbaupläne zur Erweiterung der A 23“ fordert. Für Rellingens Bürgermeister Marc Trampe sollte der A-23-Ausbau auf jeden Fall eine Verbesserung des innerörtlichen Verkehrs mit sich bringen.