Kreis Pinneberg. Welche Kritik sich Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht auf Biohof in Kölln-Reisiek anhören musste.

Grüne Politik trifft moderne Landwirtschaft. Auf dem Bio-Hof von Valentina und Andrè Rostock in Kölln-Reisiek kam es am Freitagmittag zu einem munteren Austausch zwischen Kreis- und Landespolitikern, darunter Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht, und neun Landwirten aus der Region mit dem Kreisbauernvorsitzenden Georg Kleinwort. Von Milchviehwirtschaft über Gemüse- bis Obstanbau waren alle Genres vertreten.

Mehr Anerkennung, weniger Bürokratie, bessere Preise

Bei einem Imbiss mit seinen Bio-Produkten, die Rostock an einer großen Tafel im Gewächshaus auftischte, forderten die Bauern mehr Anerkennung für ihre Arbeit, weniger Bürokratie, höhere Preise für ihre Produkte und einheitliche Regeln beim Pflanzenschutz. Minister Albrecht gestand zu, dass die Behörden „mehr Augenmaß bei der Kontrolle“ von Verordnungen walten lassen sollten. „Wir müssen falsche Bürokratie abbauen“, sagte der Minister und forderte von Bundespolitik und Handel, „dass regionale Produkte sichtbarer“ in den Läden werden müssten.

So viele Kollegen auf einmal hätten seinen Fünf-Hektar-Biohof noch nie besucht, sagte Gastgeber Rostock. „Das ist so, als wenn zehn Schwiegermütter auf einmal zu Besuch kämen“, sagte der Landwirt und erntete Lacher. 600 landwirtschaftliche Betriebe vertritt der Kreisbauernverband insgesamt.

„Bürokratie hält die Betriebe auf“

Dabei sei vielen Landwirten nicht zum Lachen zumute, sagte Thomas Schröder, der in Quickborn einen Hof mit 100 Kühen betreibt. „Immer mehr Betriebe brechen Stück für Stück weg. Das ist erschreckend“, sagte Schröder. Auch er investiere inzwischen mehr in Immobilien als in den Betrieb. Die vielen Kontrollen der gesetzlichen Auflagen machten den Bauern das Überleben schwerer, sagte Kreisbauernvorsitzender Kleinwort. „Die Bürokratie hält die Betriebe auf. Die haben keine Lust mehr.“

Deutschland müsse aufpassen, dass der Anteil von rund 80 Prozent der Lebensmittel aus hiesiger Produktion nicht noch weiter sinke. Die Überregulierung beim Natur- und Artenschutz, die Krähen und Raubwild schone, habe zum vermehrten Vorkommen von Marderhunden geführt, sodass es kaum noch Bodenbrüter gebe.

Lebensmittel für die Menschen in der Region

Ein anderes Beispiel für „das Bürokratie-Monster“ gab Landwirt Harm Johansen aus Tornesch. Er habe hohe Hürden überwinden müssen, um einen nicht mehr gebrauchten Rinderstall in ein Wohnprojekt für Behinderte umbauen zu können. Die Kreisbehörden würden ganz strikt auf Einhaltung der Vorschriften pochen. „Aber die Prozesse müssen schneller werden“, forderte Johannsen. „Wir produzieren ja hier gesunde Lebensmittel für die Menschen, die hier leben“, so der Landwirt.

Hiesige Landwirte würden sich um Tierwohl und ökologische Standards kümmern, würden dann aber in den Supermärkten gegenüber den billigeren Konkurrenzprodukten aus dem Ausland benachteiligt, kritisierte Landwirt Christopf Kierst, der 180 Milchkühe in Brande-Hörnerkirchen hält. „Unsere Lebensmittel werden da meist nur als Alibi-Produkte gehandelt.“

Minister hat Verständnis für die Klagen der Bauern

Minister Jan Philipp Albrecht (2.v.l.), Eka von Kalben und Jens Herrndorf mit den Landwirten Georg Kleinwort (l.) und André Rostock (r.)
Minister Jan Philipp Albrecht (2.v.l.), Eka von Kalben und Jens Herrndorf mit den Landwirten Georg Kleinwort (l.) und André Rostock (r.) © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die Macht der Lebensmittelkonzerne, die die Preise für Fleisch, Gemüse oder Milch drückten, werde immer größer, klagte Kleinwort, der in der Haseldorfer Marsch Obst anbaut. Hier müsse endlich das Kartellgesetz greifen, forderte er. „Wir sind weit weg davon, auf Augenhöhe mit den Handelskonzernen zu verhandeln.“ Zum Glück würden die meisten Obstbauern, die noch 350 Hektar Land in der Haseldorfer Marsch bewirtschafteten, ihre Äpfel selbst vermarkten können. „Sonst würde es uns schon längst nicht mehr geben“

Minister Albrecht zeigte Verständnis für die meisten Klagen. Allerdings wisse er als ehemaliger Europaabgeordneter nur zu genau, wie schwer es sei, bestimmte Vorschriften wie zum Beispiel die Grünland-Verordnung auf EU-Ebene wieder abzuschaffen, wenn sie erst einmal Gesetzeskraft erlangt hätten.

„Schüler wissen oft nicht, wo die Milch herkommt“

„Wir müssen die bürokratischen Auflagen neu austarieren“, sagte der grüne Landwirtschaftsminister. Da dürfe es nicht gleich zu harten Strafen kommen, wenn der Knickabstand von einem Meter nicht eingehalten wurde. Und vor allem sollten die EU-weiten Standards zum Tierwohl nicht ständig weiter aufgeweicht werden, indem hierzulande viel billigere Produkte aus Übersee angeboten werden könnten, die diese Mindeststandards überhaupt nicht erfüllten, so der Minister.

Auch das Image und die Aufklärung über die moderne Landwirtschaft in der Bevölkerung bedürften dringend einer Überarbeitung, forderte Landwirt Schröder. Jüngst habe er erst weder eine Schulklasse besucht, bei der in den Schulbüchern ein verklärtes Bild der Landwirtschaft aus den 1950er- bis 80er-Jahren gemalt werde. Von Melkautomaten hätten die noch nie etwas gehört. „Die Schüler wissen oft nicht, wo die Milch herkommt.“