Bilsen. Bürokratie lässt Landwirt Matthias Gülck aus Bilsen verzweifeln. Was er Minister Jan Philipp Albrecht zu sagen hatte.

Matthias Gülck musste seinem Ärger Luft machen: Überregulierung, Verbote, überbordende Bürokratie machen die Landwirtschaft aus seiner Sicht immer unattraktiver. Der Bauer aus Bilsen hatte einen prominenten Zuhörer. Landwirtschafts- und Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Gülck besucht, um vor Ort zu diskutieren, wie sich Insektenschutz und konventionelle Landwirtschaft vereinbaren ließen, wie der Einstieg in die Direktvermarktung funktioniere und woran sich der Erfolg der Naturschutzmaßnahmen des Landes messen lasse. Groß zu Wort kam er angesichts Gülcks Redebedarf allerdings nicht.

Albrecht auf Wahlkampf-Tour durch die Region

Zuvor hatte der Minister das Bio-Restaurant „Zur Erholung“ von Bernd Ratjen in Uetersen und den „Öko-Melkburen“ von Hans Möller in Lentföhrden (Kreis Segeberg) besucht. Im Gepäck ein Zuwendungsbescheid über 450.000 Euro zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft in Schleswig-Holstein. Die Stippvisite bei den Gülcks hatte Bilsens Bürgermeister und CDU-Landtagsabgeordneter Peter Lehnert vermittelt.

Familie Gülck betreibt einen Bauernhof, der noch bis vor einem Jahr auf Milchwirtschaft setzte. „Vor einem Jahr haben wir den Hof von meinen Eltern übernommen und die Kühe verkauft“, sagt Gülck. Zwar stimme der Milchpreis, aber er habe keine Lust mehr auf diese Bürokratie. Jeder Schritt müsse dokumentiert werden, so Gülck. Zudem änderten sich die Bestimmungen jedes Jahr. Das lasse sich ohne Hilfe der Agrar-Beratung Südholstein in Ellerhoop gar nicht mehr bewältigen.

Bauer Gülck zweifelt an Maßnahmen des Landes

Stattdessen setzt der Direktvermarkter auf drei Hühnermobile mit je 240 Hühnern. Die Eier verkaufen die Gülcks in ihrem neu eröffneten Hofladen. Gern hätte er auch Fleisch seiner Mastrinder angeboten, strenge Hygieneauflagen würden die Pläne aber torpedieren.

Von seinen 140 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, auf der er unter anderem Roggen und Silomais anbaut, sind etwa zehn Hektar Blühfläche, eine Maßnahme des Landes zur Förderung des Insektenschutzes. Für fünf Jahre bekam Gülck 650 Euro pro Hektar Blühstreifen als Ausgleich. „Viel Geld“, wie Gülck findet. Um ein Jahr verlängern, möchte er trotzdem auf keinen Fall. Denn mit jedem Jahr vermehrte sich das Beikraut und konkurrierte mit den Blühern. „Die Bienen haben gar nichts davon“, so sein Resümee. Und dafür gebe das Land viel Geld aus.

Bürokratischer Irrsinn für die Landwirte

Bei einer Kontrolle der ökologischen Vorrangfläche – mindestens fünf Prozent der Ackerfläche muss im Umweltinteresse genutzt werden, zum Beispiel durch Erhalt von Hecken oder als Feldrand oder Pufferstreifen – hat Gülck erlebt, was bürokratischer Irrsinn bedeutet.

„Mein Blühstreifen war 21,5 Meter breit. Vorgeschrieben waren 20 Meter“, sagt der Landwirt. Damit aber wurde aus dem Blühstreifen per Definition eine Blühfläche, die wiederum von den Kontrolleuren nicht als ökologische Vorrangfläche gewertet werden durfte. „Ich hätte 3000 bis 4000 Euro weniger an EU-Direktzahlung erhalten, wenn wir nicht noch eine weitere ökologisch belassene Fläche auf dem Grundstück gefunden hätten.“

Strenge Vorgaben für Chemikalien-Einsatz

Kritisch sieht Gülck zudem ein Glyphosat-Verbot, das 2023 kommen soll. Die sich ausbreitende Quecke könne er nur mit dem Unkrautvernichtungsmittel bekämpfen. Gülck glaubt, bei dem Einsatz kämen kaum Insekten zu Schaden, da sich diese nicht auf der Quecke aufhielten.

„Heute wird viel weniger gespritzt als in den vergangenen Jahrzehnten“, sagt Gülck. Die Vorschriften für den Einsatz von Chemikalien seien bereits sehr streng. Dennoch werde die Landwirtschaft per se für das Insektensterben verantwortlich gemacht. „Dabei gibt es viele Faktoren wie die Lichtverschmutzung, Strahlung von Funkmasten oder die Versiegelung von Flächen.“

Albrecht: Hohes Niveau an Lebensmittelsicherheit

Während vor 40 Jahren ein Veterinär für den gesamten Kreis Pinneberg zuständig gewesen sei, seien es heute sieben – bei einem Drittel weniger landwirtschaftlicher Betriebe und Schlachtereien, so Gülck. Und die würden eine Schlachtung noch unterbrechen, sobald sie drei Fliegen im Raum sähen. Zudem dürften lahme Tiere nicht einmal mehr als Hunde- oder Katzenfutter verkauft werden, was Gülck für eine unverhältnismäßige Verschwendung hält.

Der Einsatz öffentlichen Geldes mache immer auch eine Dokumentation und Kontrolle notwendig, gab Minister Albrecht zu bedenken, räumte aber ein, dass man die bürokratischen Hürden nicht zu groß werden lassen dürfe. „Wir haben in Deutschland ein extrem hohes Niveau an Lebensmittelsicherheit. Davon profitieren alle“, so Albrecht. „Nicht die Bauern“, widersprach Gülck. Seine stimme werde er bei der Bundestagswahl auf keinen Fall den Grünen geben. Albrecht nahm es mit einem Lächeln hin.