Pinneberg. Corona hat Effekt von Bewegungsmangel bei Grundschülern verstärkt, Langzeitschäden drohen. VfL Pinneberg beginnt Reha-Sport für Kids

Corona macht unsere Kinder krank. Nicht durch die Virus­infektion selbst, sondern in hohem und anscheinend beständig steigendem Maß als „Kollateralschaden“. Zu der Ansicht gelangen nicht nur Heidi Hammerschmitt-Klatt, Fitness-Koordinatorin im VfL Pinneberg, und VfL-Rehatrainerin Katrin Ramcke. Doch der größte Pinneberger Breitensportverein möchte nun eine Vorreiterrolle dabei einnehmen, Kinder im höheren Grundschulalter bis hin zu elf Jahren zurück auf den rechten Weg, sprich in Bewegung zu bringen.

Der Kursus Reha-Kids soll – vorerst montags von 16 bis 16.45 Uhr – Kinder in einer besonders wichtigen Phase ihres Heranwachsens soweit fördern, dass sie nicht mit vermeidbaren Problemen in ihre weiterführende Schulzeit starten. „Wir haben jetzt mit Katrin Ramcke eine Rehasport-Übungsleiterin, die während ihrer Ausbildung schon wusste, sie wolle unbedingt etwas mit Kindern machen“, sagte Heidi Hammerschmitt-Klatt.

Ein Jahr ohne Bewegung zieht Einschränkungen nach sich

„Schon durch langes Sitzen in der Grundschule und zusätzlich durch Corona haben Kinder massiven Bewegungs­mangel, der bereits Auswirkungen zeigt“, ergänzte Hammerschmitt-Klatt. „Es ist unglaublich, was Lehrer berichten: Das Energie­level der Kinder sei enorm runtergegangen, sie hätten keine Kondition mehr. Dabei machen Kinder in der Zeit von vierter auf fünfte Klasse einen großen Schub.“ Dann seien sie eigentlich noch große Grundschulkinder, dann wiederum kleine Kinder auf der neuen Schule. „Damit haben sie psychisch schon genug zu tun. Gleichzeitig zeigen sich nach vier Jahren Grundschule erste Haltungsfehler. Und an dem Punkt wollen wir beim VfL ansetzen, damit Kinder gestärkt mit einer guten Konstitution in diese nächste Belastungsstufe kommen, denn Sitz- und Konzentrationsphasen werden dann noch länger. Das kann man mit der richtigen Bewegung unterstützen, wenn man diese denn bekommt.“

Studien belegen steigende Zahl von Kindern mit Kopf- und/oder Rückenschmerzen

Dass diese Beobachtungen keine Momentaufnahme, sondern ein längerfristiger Prozess sind, zeigen wissenschaftliche Untersuchungen. „Wir haben in der Ausbildung viele Studien kennengelernt, die besagen, dass bereits jedes zweite Kind an Kopf- und oder Rückenschmerzen leidet, was vorrangig auf
Bewegungsmangel zurückzuführen sei“, sagt Katrin Ramcke. „Die Digitalisierung finden die Kinder toll, spielen viel am Handy. Wenn sie da übermäßig viel das Daumengrundgelenk benutzen oder durch Anspannung im Nacken eng werden, dann nehmen sie Haltungen ein, oft mit Stauchungen der Halswirbelsäule, die potenziell Langzeitschäden bedingen. Denen kann man zu diesem Zeitpunkt aber auch noch gut entgegenwirken.“

Krankenkassen übernehmen bei Verordnung 50 Reha-Einheiten

Ein Ausgleichssport würde ja genügen. „Und da gibt es nicht selten das Problem, dass sich Familien den Sport für ihr Kind nicht leisten können; oder aber dass Eltern Sport nicht begleiten können. Dann werden Kinder halt lieber mit etwas Ablenkung ,geparkt‘“, so Hammerschmitt-Klatt. „Aber das Kostenproblem ist zu lösen, Reha-Sportmaßnahmen für Kinder mit erkennbaren Problemen durch Bewegungsmangel oder Fehlbelastung werden bei ärztlicher Verordnung von den Kassen unterstützt. Für Ärzte ist die Verordnung budgetneu­tral; 50 Übungseinheiten über eine Dauer von bis zu 18 Monaten und Folgeverordnungen sind möglich.“

Kinder sollen den Trainingsinhalt auch in ihren Alltag übernehmen

Ziel einer solchen Langzeitverordnung von Bewegung ist neben dem therapeutischen Effekt zudem, Kinder vielleicht doch für den Vereinssport zu gewinnen. Aber auch das Leben zu Hause soll sich ändern: „Mein Ziel ist, dass ich mein Wissen, meine Ideen so den Kindern vermitteln kann, dass sie das auch zu Hause benutzen“, sagt Katrin Ramcke. „Und wenn es nur spielerische Lockerungsübungen für Handydaumen oder Computernacken sind, und vieles mehr.“

Ein Vorteil angesichts eines drohenden erneuten Lockdowns: Reha- und medizinisch verordneter Sport ist voraussichtlich auch dann weiterhin in Kleingruppen möglich. Da in diesem Bereich die Angebote von Vereinen in ständiger Entwicklung sind, sollten interessierte Eltern regelmäßig überprüfen, ob auch bei für sie relevanten Vereinen und Sportschulen ein zertifiziertes und durch die Kassen gefördertes Reha-Training für Kinder gibt.