Kreis Pinneberg. „Wette 100 Euro auf Scholz“ – Was ein Kieler Politik-Professor über die Stärke des SPD-Kanzlerkandidaten sagt.
Das Pinneberger Kanzler-Orakel hat wieder gesprochen: Der Bundestagswahlkreis mit der Nummer 007 geht an den früheren Fraktionsvorsitzenden der SPD im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Ralf Stegner. Es ist das erste Mal seit der Bundestagswahl 2002, dass ein Sozialdemokrat sein Mandat dort direkt gewonnen hat. Der bisherige CDU-Bundestagsabgeordnete Michael von Abercron ist aufgrund seines aussichtslosen zehnten Platzes auf der Landesliste sogar ganz raus aus dem Parlament.
Kanzler-Orakel: Warum Statistiker bei der Wahl auf Pinneberg schauen
Der Gesetzmäßigkeit zufolge, die im Wahlkreis 007 nun schon 68 Jahre gilt, müsste der nächste Bundeskanzler Olaf Scholz heißen. Der seit 1953 hat in Pinneberg immer derjenige Bundestagskandidat das Direktmandat geholt, dessen Partei später Kanzler oder Kanzlerin stellte. Das ist einmalig in ganz Deutschland.
Noch aber ist der SPD-Spitzenkandidat Scholz nicht Kanzler. Auch CDU-Mann Armin Laschet arbeitet daran, ein Bündnis zu schmieden, um die künftige Bundesregierung anzuführen. Insofern lautet die spannende Frage: Behält das Kanzler-Orakel auch 2021 recht, oder reißt die kuriose Serie ab? Das Abendblatt hat den Kieler Politik-Professor Christian Martin um seine Einschätzung gebeten.
„Wenn ich wetten sollte, würde ich sagen: Ja, das Orakel behält recht“, sagt Martin, schränkt dann aber ein: „100 Euro würde ich wetten, dass Olaf Scholz Kanzler wird, aber keine 10.000.“ Die Älteren unter uns erinnern sich: Das Kanzleramt muss nicht zwangsläufig der Politiker oder die Politikerin aus der Partei mit den meisten Stimmen bekommen. Willy Brandt (1969) und Helmut Schmidt (1976 und 1980) haben es mit Unterstützung der FDP auch anders mitbekommen.
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Prognose: Neuer Kanzler noch vor Weihnachten
Trotzdem: Für Olaf Scholz’ Kanzlerschaft (und damit die Treffsicherheit des Pinneberger Kanzler-Orakels) spricht aus Martins Sicht gerade der Umstand, dass die SPD bei der Bundestagswahl stärkste Partei geworden ist. „Es steht zwar nirgendwo geschrieben, aber es ist Gepflogenheit, dass die stärkste Partei zuerst um eine Regierungsbildung verhandelt“, sagt Martin. „Das heißt aber nicht, dass nicht am Ende doch ein anderer Kanzler werden kann.“
Ein weiteres Argument für Scholz: Er habe mehrere Optionen für eine Koalition, mit der er mögliche Partner unter Druck setzen kann, Armin Laschets CDU habe mit dem sogenannten Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP nur eine.
Gegen das Orakel spreche, dass die CDU gern regiere. „Die CDU ist immer glücklich, wenn sie den Kanzler stellen kann. Aus dieser Position heraus kann sie den Grünen mehr bieten.“ Professor Martin nennt es „das Paradox der Schwäche“. Hinzu komme, dass der Grüne Robert Habeck, „der wieder ganz vorn mit im Zug sitzt“, schon gesagt habe, sich mit der FDP zusammensetzen zu wollen. Habeck, der die Jamaika-Koalition in Kiel mit ausgehandelt hat.
Noch vor Weihnachten, so Martins Prognose, werde es einen neuen Kanzler geben.