Kreis Pinneberg. Lieferprobleme der Autohändler bei Neuwagen sorgen dafür, dass Gebrauchte begehrt sind. Das sind die Folgen.

„Wir haben schwierige Zeiten“, sagt Zibari Azad. „Die Situation ist kompliziert“, steht für Olaf Ruttkowski fest. Beide handeln im Kreis Pinneberg mit Gebrauchtwagen, doch derzeit sind kaum Geschäfte zu machen. Es mangelt an Fahrzeugen, die verkauft werden könnten. Unter der Marktlage leiden aber auch die Kunden. Die Preise für gebrauchte Fahrzeuge sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen.

Gebrauchtwagen: Preise für gebrauchte Fahrzeuge steigen

Corona wirkt sich auch auf die Gebrauchtwagen-Branche aus. Die Autohäuser mit Markenbindung nehmen Fahrzeuge in Zahlungen, wollen allerdings nur die Autos des eigenen Herstellers gebraucht weiterverkaufen. „Es sollen keine Markenfremden Fahrzeuge auf dem Hof stehen“, sagt Olaf Ruttkowski von Neumann Mobile in Rellingen. „Es wird kein Mercedes von einem Porsche-Händler angeboten“, nennt er ein Beispiel.

Die markenfremden Fahrzeuge werden deswegen an Gebrauchtwagenhändler weiterverkauft. Neumann Mobile kauft ausschließlich Autos aus Inzahlungnahmen. Der Betrieb hat feste Geschäftsbeziehungen zu fünf Autohäusern in Hamburg und dem Kreis Pinneberg.

Doch das Geschäft der großen Autohäuser läuft derzeit mau. Als Folge der Pandemie verkaufen sie deutlich weniger Autos. Besonders der deutschen Autoindustrie machen die Zulieferer Probleme. „Es sind die Chips, die fehlen“, sagt Ruttkowski. Zudem sind die Lieferketten bis zum Zerreißen gespannt. Wenn also weniger Neuwagen verkauft werden können, gibt es auch weniger Inzahlungnahmen. Der Bestand von Neumann Mobile ist deswegen deutlich geschrumpft.

Gebrauchtwagen: Immer weniger Autos verfügbar

„Wir haben sonst mehr als 500 Fahrzeuge im Bestand“, sagt Yusuf Topkan vom Autohaus Yaans in Pinneberg, dem Branchenprimus im Kreis. Derzeit sind es allerdings nur 370. Das gesunkene Angebot hat sich auch auf die Preise ausgewirkt. „Ein Auto, das wir früher für 12.000 Euro verkauft habe, geht jetzt für 13.000 oder 14.000 Euro weg“, sagt der Verkaufsleiter. Im Oktober des vergangenen Jahres hat diese Entwicklung begonnen. Die marktwirtschaftlichen Mechanismen von Angebot und Nachfrage funktionieren auf dem Gebrauchtwagenmarkt.

Ein geändertes Verhalten macht Topkan auch bei den Interessenten wahr. Früher sind die Kunden mit der ganzen Familie gekommen, um das Angebot zu begutachten. Heute kommen sie allein oder zu zweit. Zudem kommen weniger potenzielle Käufer. Und es können weniger Kundengespräche geführt werden. Die Abstandsregeln in dem Verkaufsraum müssen eingehalten werden.

Gebrauchtwagen: Junge Pärchen kommen trotz Corona

„Der Sonnabend ist für uns der wichtigste Verkaufstag. Früher sind 20 bis 30 Kaufverträge an einem Sonnabend unterschrieben worden. Heute sind es zehn bis 15 Verträge“, sagt Topkan. Auf eine Käufergruppe scheint sich Corona allerdings nicht ausgewirkt zu haben. Junge Pärchen kommen nach wie vor, um sich gemeinsam ein Auto auszusuchen.

„Es ist ruhig geworden“, beschreibt auch Zibari Azad von Hermann Automobile in Pinneberg die Situation. „Wir bekommen keinen Nachschub.“ Er kauft von Autohäusern und Privatpersonen. Die Inzahlungnahmen der Autohäuser machen bei ihm 80 Prozent des Geschäftsvolumens aus.

Anfangs hat er noch beobachtet, dass koreanische Neuwagen gut verkauft werden konnten. Die Hersteller hatten einen hohen Bestand. Außerdem produzieren sie häufig ihre Chips selber, sind also nicht auf Lieferanten angewiesen wie die deutschen Autohersteller. Doch nun ist der Bestand an Neuwagen bei den Anbietern abgeschmolzen und auch in Korea leidet die Autoindustrie unter Lieferengpässen.

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Gebrauchtwagen: Angebot der Hersteller eingeschränkt

Allerdings gibt es auch Profiteure der misslichen Lage in der Automobilbranche. Die Werkstätten haben gut zu tun, weiß Azad zu berichten. Die Fahrer lassen ihre Autos lieber reparieren. Einige Autofahrer verschieben den Wagenkauf auf später, sagt der Händler.

Hoffnung ist für die Gebrauchtwagenhändler nicht in Sicht. So bald wird sich die Situation in der Automobilbranche nicht ändern, so Topkan von Yaans. Aus Gesprächen mit den großen Autoherstellern weiß er, dass dort nicht mit einer Besserung der Lage in diesem Jahr gerechnet wird.

Ein Indiz ist für ihn das erst auf den zweiten Blick sichtbare eingeschränkte Angebot mancher Hersteller. „Beim Online-konfigurieren eines Autos kommt es vor, dass Sonderzubehör nicht hinzugefügt werden kann. Den Hersteller stehen die Teile einfach nicht zur Verfügung“, erklärt der Verkaufsleiter.