Norderstedt. Weil Autohändler Lieferprobleme bei Neuwagen haben, steigen die Preise für Gebrauchte um bis zu 30 Prozent.

Wer jetzt einen Gebrauchtwagen kaufen möchte, muss oft tiefer in die Tasche greifen als geplant. Wer hingegen seinen alten Wagen loswerden will, erzielt mit Glück einen sehr guten Preis. Die Nachfrage für Autos aus zweiter Hand ist stark gestiegen, berichten Gebrauchtwagenhändler im Kreis Segeberg. Das sei auch eine Folge der Corona-Krise und der damit verbundenen Lieferprobleme der Autoindustrie. Wenn Kundinnen und Kunden monatelang auf Neuwagen warten müssen, weichen sie oft lieber auf einen gut erhaltenen Gebrauchten aus.

Preissteigerungen bei Gebrauchten von bis zu 30 Prozent sind möglich

„Wir merken seit zwei bis drei Monaten eine sehr starke Nachfrage. Der Markt boomt gerade extrem“, sagt Lennart Stadtlander, der sein Autohaus gleich neben Autoverwerter Kiesow in Friedrichsgabe betreibt. Das Autohaus habe acht Mitarbeiter und verkaufe pro Jahr um die 600 Fahrzeuge, sagt Stadtlander sagt. „Die Preise für Gebrauchte sind im Vergleich zu Anfang 2020 um 20 bis 30 Prozent gestiegen“, sagt er.

Dominik Nrecaj, Inhaber des Gebrauchtwagenmarktes Car Place an der Oststraße in Norderstedt, spürt die stärkere Nachfrage ebenfalls. Er hat zwei Angestellte und verkauft etwa 130 Autos im Jahr. Derzeit könnte er mehr Autos verkaufen. Denn: „Wir kommen noch an Gebrauchte heran.“ Dass es mittlerweile zu wenige davon auf dem Markt gibt, verzeichnet auch Sohrab Safi, der H&S Automobile in Norderstedt am Langenharmer Weg betreibt und Niederlassungen in Wedel und Hamburg-Fuhlsbüttel hat. Kollegen, die jetzt Ware hätten, gehe es gut. „Ich habe zum Glück genug Ware, da ich langfristig plane. Wir haben immer 20, 30 Autos im Vorlauf.“

Kostete ein Gebrauchter früher 10.000 Euro, sind heute 15.000 Euro drin

Auf dem Hof von Achim Schneiders Firma North Cars an der Segeberger Chaussee in Norderstedt wird es dagegen schon leerer. Normalerweise habe er etwa 45 Autos auf seinem Gelände stehen, derzeit seien es nur 20. „Die Autos sind teurer geworden, auch bei uns. Wir kalkulieren höher.“ Fahrzeuge, die man vor zwei Jahren für 10.000 Euro verkauft habe, könne man heute für 15.000 Euro an den Mann oder an die Frau bringen.

Die hohe Nachfrage nach Gebrauchtwagen hat aber nicht nur mit der Verknappung beim Neuwagenangebot zu tun, glaubt Händler Dominik Nrecaj. „Wegen der Corona-Krise kauft der eine oder andere vielleicht lieber einen Gebrauchtwagen als ein Neufahrzeug. Manche müssen ja um ihre Jobs fürchten, die nehmen dann lieber keinen Kredit auf.“

Händler: Für Gebrauchte bekommt man jetzt zehn bis 20 Prozent mehr

Manchmal gleiche der Autokauf einem Hygienekonzept in der Pandemie: „Viele wollen wegen Corona nicht mehr gerne mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren“, sagt Lennart Stadtlander. Auch er hat deutlich weniger Fahrzeuge auf dem Hof stehen als sonst, statt üblicherweise 150 bis 170 Autos derzeit nur knapp 120. Wer auf seinen Neuwagen warte, verkaufe seinen Gebrauchten nicht so schnell. Die Knappheit auf dem Markt sorge für hohe Ankaufspreise, die Gewinn für den Händler sei deshalb nicht größer als sonst. „Die Autos kommen teuer und gehen teuer“, sagt Stadtlander.

Wer jetzt seinen Gebrauchten verkaufen will, bekommt zehn bis 20 Prozent mehr, verglichen mit Anfang 2021, sagt Händler Sohrab Safi. Und das wird noch länger so bleiben, glaubt Lennart Stadtlander: „Ich vermute, dass wir die Auswirkungen der Chip-Krise noch ein- bis zwei Jahre spüren werden.“

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Für Neuwagen gibt es Wartezeiten von bis zu einem Jahr

Dass Autohersteller deswegen derzeit nicht so viele Fahrzeuge produzieren und liefern können, wie sie gerne würden, bestätigt der Verband der Automobilindustrie (VDA). Zuletzt sei es im Dezember 2021 erneut zu „erheblichen Produktionsrückgängen aufgrund von mangelnder Verfügbarkeit von Vor- und Zwischenprodukten, insbesondere von Halbleitern“ gekommen.

Harry Rüschmann, Vertriebsleiter in der Norderstedter Niederlassung der C. Thomsen GmbH, die unter anderem die Marken Toyota und Nissan führt, kann davon ein Lied singen. „Wir haben wegen der Halbleiterproblematik Lieferschwierigkeiten. Es gibt Wartezeiten von bis zu einem Jahr, das schreckt manche Kunden schon ab.“ Rüschmann spricht für Toyota, aber bei den anderen Marken sehe es ähnlich aus. Das Problem betreffe den gesamten Fahrzeugmarkt.

Deutlich weniger Kunden in den Verkaufsräumen

„Während vor der Pandemie die ganze Familie zum Autokauf kam, sind heute deutlich weniger Kunden in unseren Verkaufsräumen“, sagt Philip Leuchtenberger, Geschäftsführer des Norderstedter Autohauses Stadac mit dem Marken BMW und Mini. Viele halten sich an die Vorgaben der Politiker und schränken ihre Kontakte ein.

Deutlich weniger Kunden in den Verkaufsräumen: Philipp Leuchtenberger, Geschäftsführer des BMW-Autohauses Stadac.
Deutlich weniger Kunden in den Verkaufsräumen: Philipp Leuchtenberger, Geschäftsführer des BMW-Autohauses Stadac. © Unbekannt | Christopher Herbst

Größere Firmen bestellen online, aber: „Die Verkäufer müssen häufig umkonfigurieren, weil bestimmte Ausstattungen wie Anhängerkupplungen nicht lieferbar sind. Das ist für die Kunden genauso unerfreulich wie für die Mitarbeiter, denn Provision gibt es nur einmal“, sagt Leuchtenberger. Auch er bestätigt Lieferschwierigkeiten für Neuwagen und eine starke Nachfrage nach Gebrauchten. Doch auch da sei der Markt leer gefegt: „Die großen Autovermieter wie Sixt oder Europcar, die stark vom Flughafengeschäft leben, haben wegen der ausgefallenen Flüge einen Großteil ihrer Fahrzeuge nicht vermieten können. Deswegen haben sie weniger Neuwagen geordert, in der Folge kamen und kommen weniger Gebrauchte zu uns.“

Ein Auto aus zweiter Hand koste rund 18 Prozent mehr als vor der Pandemie. Trotz leichter Umsatzeinbußen sieht der Chef des Autohauses optimistisch in die Zukunft und geht davon aus, dass „wir von 2023 an wieder voll lieferfähig sind“.

Neuwagenkunden müssen sechs bis acht Monate auf ihr Auto warten

Von stabilen Umsätzen trotz Corona spricht Klaus Kruse, Vertriebs- und Marketingleiter von Lüdemann & Zankl. Das Unternehmen verkauft an zehn Standorten im Norden Fahrzeuge der Marken Renault und Dacia. Während des ersten Lockdowns musste ein Teil der 230 Mitarbeiter für bis zu drei Monate in Kurzarbeit. „Wir hatten Glück, Renault konnte im Vergleich zu anderen Herstellern relativ lange liefern, die Lieferprobleme haben bei uns erst im vorigen September und Oktober durchgeschlagen.“

Momentan müssten die Neuwagenkunden sechs bis acht Monate auf ihr Auto warten. Viele entschieden sich daher für einen Gebrauchten. Auch hier sank der Bestand ebenso spürbar wie die Preise stiegen. „Im Dezember hatten wir nur noch 100 Gebrauchtwagen im Angebot, sonst sind es 250 bis 350, jetzt immerhin auch schon wieder zwischen 170 und 200“, sagt Kruse.